Die Greater Zurich Area setzt auf strenge Regeln bei der Nachhaltigkeit. Wenn es um China geht, ist sie toleranter.

Herr Huber, als neuer Chef der Greater Zurich Area übernehmen Sie die Führung der Standortmarketingorganisation in einer anspruchsvollen Phase. Die GZA scheint weniger attraktiv als auch schon. Letztes Jahr kamen noch 89 Unternehmen in die Region, so wenige wie seit Covid nicht mehr. Was ist los?

Die Zahl der Ansiedlungen ist ein wichtiger Faktor, aber letztlich nur ein Teilaspekt. Für unseren Wirtschaftsraum entscheidend ist in erster Linie, was ein Unternehmen mittelfristig hier aufbaut. Der Anteil an Firmen, welche einen überdurchschnittlichen Mehrwert erzielen, ist nach wie vor gross. Ich denke etwa an das AI Institute, das unlängst zu uns gekommen ist.

Das AI Institute tüftelt an Robotern und suchte die Nähe zur ETH. Für die Greater Zurich Area ist dies doch vor allem ein Prestigeprojekt.

Nicht nur. Das AI Institute bietet sehr interessante Jobs in einer stark wachsenden Branche, und es zieht vor allem weitere Unternehmen an. Soeben ist bekannt geworden, dass auch Nvidia und die ETH Zürich in der Robotik eng zusammenarbeiten werden. Wenn ein AI Institute sich für Zürich entscheidet, dann werden auch andere Unternehmen auf die Region aufmerksam. Wir brauchen solche Aushängeschilder.

Wie auch Google?

Oder Meta. Das sind international bekannte Unternehmen, die in den Grossraum Zürich gezogen sind, weil er sich zu einem global wichtigen Innovationsstandort entwickelt hat. Für uns sind das beste Werbeträger.

Ex-Volleyballprofi wird GZA-Chef

zge. Lukas Huber (*1974) wird neuer Geschäftsführer der Standortmarketing-Organisation Greater Zurich Area (GZA). Er tritt spätestens Ende Jahr die Nachfolge von Sonja Wollkopf Walt an, welche das Unternehmen nach 25 Jahren verlässt. Huber arbeitet seit 2002 für die GZA, derzeit ist er Chief Operating Officer und Hauptverantwortlicher für den Markt China. Huber war früher unter anderem Volleyballspieler in der Nationalmannschaft. Er lebt in Eppenberg im Kanton Solothurn, ist verheiratet und hat drei Kinder.

Einer der Hauptgegner der Greater Zurich Area sitzt im Zentrum der Region, in der links geprägten Stadt Zürich. Linke Zürcher Vordenker begreifen Ansiedlungen nicht als Chance, sondern zunehmend als Problem, etwa für den Wohnungsmarkt.

Ich glaube nicht, dass sie wirklich Gegner der GZA sind. Ihre skeptische Haltung ist aber keine Zürcher Exklusivität. Wir tauschen uns mit 14 anderen Metropolitanregionen aus, das sind Orte wie Paris, Frankfurt, Kopenhagen oder Stockholm. Sie erleben die genau gleichen Diskussionen über die Zuwanderung oder über die Wohnungssituation.

Wie gehen Sie mit dieser Ablehnung um?

Wir stellen uns dieser Kritik und nehmen sie ernst. Wir sind auch daran, intensiv darüber nachzudenken, welchen Mehrwert unser Standortmarketing schaffen kann, ohne zu viele Belastungen zu verursachen.

Was heisst das konkret?

Wir sind mit unserer aktiven Marktbearbeitungsstrategie sehr selektiv unterwegs. Wir sprechen gezielt Wirtschaftszweige und Firmen an, die zu unserem Standort passen. Dazu gehören namentlich Unternehmen, welche besonders nachhaltig sind oder ihre Nachhaltigkeit weiter verbessern wollen.

Spielen wir ein fiktives Beispiel durch: Ein grosser asiatischer Kohlehändler will mithilfe der GZA sein Europa-Hauptquartier in Zug aufbauen, weil er die Nähe zu anderen Rohstoffhändlern sucht. Einen solchen Steuerzahler und Arbeitgeber würden Sie auch in Zeiten sinkender Ansiedlungszahlen tatsächlich ablehnen?

Einen Kohlehändler würden wir aktiv gar nicht angehen und passiv, also wenn er uns anfragt, nur sehr selektiv unterstützen, weil damit eine rote Linie geritzt würde. Und das gilt nicht nur für uns. Ein solches Unternehmen würde nur schon Schwierigkeiten haben, in der Schweiz ein Bankkonto zu eröffnen. Die Firma wäre selbstverständlich frei, aus eigener Kraft oder mit anderer Hilfe hier etwas aufzubauen. Mit unserer aktiven Unterstützung könnte sie aber nicht rechnen.

Welche Unternehmen wollen Sie stattdessen ansprechen?

Primär innovative Unternehmen mit einer glaubhaften Nachhaltigkeitsstrategie. Zum Beispiel jene, die sich mit der ressourcenschonenden Elektrifizierung des Automobilsektors befassen.

Auch dieses Geschäft ist alles andere als unbestritten. In Berlin haben Umweltaktivisten ein Tesla-Werk angegriffen.

Wir sehen uns auch nicht als Standort für einen Produktionsbetrieb. Aber im Wirtschaftsraum Zürich gibt es hochspezialisierte Unternehmen, die sich mit neuartigen Materialien befassen oder mit der Frage, wie das Recycling verbessert werden kann. Unser Ziel ist es, die grossen Hersteller mit diesen lokalen Spezialisten zusammenzubringen. Beide Seiten können davon profitieren und wir als Standort auch.

Sie sagten, Sie seien sehr selektiv bei der Auswahl der Unternehmen. Ein wichtiger Zielmarkt für die GZA ist China, die Zahl der angesiedelten chinesischen Unternehmen steigt. Sie sind oberster China-Verantwortlicher bei der GZA. Das Land ist kommunistisch, antiwestlich, verletzt Menschenrechte und ist ein Unterstützer Putins. Wo sind hier Ihre roten Linien?

Wir bearbeiten schon seit Jahren nicht mehr Länder oder Märkte, sondern Unternehmen, die in innovativen Technologien zu Hause sind. Da gibt es auch viele chinesische Firmen. Für uns ist es dabei zentral, dass wir nur private chinesische Unternehmen kontaktieren. Deren Werte und Strategien stehen mehr in Einklang mit unserem westlichen, marktwirtschaftlichen Wertesystem.

Ist das nicht blauäugig? Kein chinesisches Unternehmen kann sich dem Zugriff des mächtigen Staatsapparats entziehen, erst recht nicht Firmen, die international expandieren.

Es ist unbestritten, dass der chinesische Staat auch eine starke Rolle in der Wirtschaft spielt. Sehr viele chinesische Firmen wollen aber auch in westlichen Märkten eigenständig erfolgreich sein und sich von der einseitigen Abhängigkeit des Heimmarkts entkoppeln. Das bedeutet auch, dass sie bereit sind, unsere Regeln zu respektieren. Mit unserem China-Fokus stehen wir nicht allein da. Auch für die Schweizer Wirtschaftspolitik ist China ein sehr wichtiger Partner, das Gleiche gilt für die Forschung.

International gesehen ist die Schweiz ein Zwerg. Müsste das Land sein Marketing nicht vereinheitlichen, statt fragmentiert als Grossraum Zürich, Basel oder Genf aufzutreten?

Sie sprechen einen wichtigen Punkt an. Es ist tatsächlich nicht sinnvoll, wenn wir uns im Ausland konkurrenzieren und zum Beispiel zu dritt oder viert an der gleichen internationalen Messe auftreten. Die Regionen und der Bund arbeiten deshalb sehr wohl zusammen, und sie verbessern ihre Koordination laufend. Wenn sich zum Beispiel ein amerikanisches Unternehmen den Schritt nach Europa überlegt, dann geht es zuerst darum, die Schweiz und ihre Qualitäten ins Bewusstsein zu rücken. Hier ziehen wir am gleichen Strick. Erst danach werden wir zu Konkurrenten.

Die Greater Zurich Area reicht von Schaffhausen bis nach Chiasso und von Solothurn bis nach Chur. Ihre grössten Erfolgsgeschichten, Google, Meta, AI Institute, sind aber alle in die Stadt Zürich gekommen. Sorgt das nicht für böses Blut in der Peripherie?

Die Stadt Zürich ist eine der «Global Cities» und damit ein wichtiger Standort im Wirtschaftsraum. Die Kantone verstehen durchaus, dass die Unternehmen unsere Kunden sind und selbst entscheiden, wo sie sich ansiedeln wollen. Wir erfassen zuerst ihre Bedürfnisse ganz genau. Dann zeigen wir ihnen, wo sie mit ihren Anforderungen in der GZA am besten aufgenommen werden könnten – das ist bei weitem nicht immer in der Stadt Zürich.

Und Sie unterliegen bei Ihrer Anpreisung keinem Zürich-Bias, auch nicht einem unbewussten?

Nein, nur schon deshalb nicht, weil ich selbst aus dem Kanton Solothurn stamme (lacht).

Ist die Greater Zurich Area mit ihrer heutigen Struktur fertig gebaut, oder wollen Sie weitere Kantone als Mitglieder gewinnen?

Das ist primär ein Thema für unsere Hauptaktionärin, die GZA-Stiftung, nicht für das operative Geschäft der GZA AG. Grundsätzlich kann ich sagen, dass wir stets offen sind für Gespräche. Wir gehen aber nicht aktiv auf weitere Kantone zu.

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