Donnerstag, Oktober 10

Die TV-Serie «Tschugger» ging durch die Decke, nun kommt sie in die Kinos. Sie lebt auch von grossartigen Nebenfiguren wie Pirmin. Der Schauspieler Dragan Vujic sagt, der Schweizer Humor brauche dringend mehr Wallis.

Die chaotischen Polizisten und die Ganoven der SRF-Serie «Tschugger» haben die Schweiz mit ihren Pointen überrumpelt, verblüfft, begeistert. Die erste Staffel erreichte einen Marktanteil von über 30 Prozent. Das SRF schrieb, die Zuschauerzahlen hätten die Erwartungen bei weitem übertroffen. Mit der vierten und letzten Staffel endet dieser wilde Walliser Ritt.

Der Walliser Laienschauspieler Dragan Vujic, 37 Jahre alt, spielt den schusseligen Polizisten und Familienvater Pirmin, das Pendant zum grossen (Anti-)Helden Bax. Vujic wohnt mit seiner Frau und den Kindern im Ausland. Wenn er nicht für «Tschugger» durchs Wallis hetzt, arbeitet er als Versicherungsberater.

Dragan Vujic, in «Tschugger» spielen Sie den Polizisten Pirmin. Sie ermitteln gemeinsam mit Bax, der mit Lederjacke, Porno-Schnauzer und Sonnenbrille Verbrecher jagt. Bax ist ein Draufgänger. Aber wer ist Pirmin?

Für mich ist Pirmin das Gewissen der Geschichte. Er weiss, was richtig und was falsch ist. Er bremst Bax, der immer übertreibt. Bax will ein spektakulärer Hollywood-Cop im Wallis sein. Pirmin mag Bürokratie, seinen Schreibtisch, Regeln, Sicherheit. Er ist still und lässt sich alles gefallen, wehrt sich selten. Alles, was er am Anfang will: seinen Schwiegervater stolz machen, den Polizeichef. Bax und Pirmin ergänzen sich. Aber Pirmin ohne Bax, das will keiner sehen.

Wir finden ja, Pirmin ist der eigentliche Held der Geschichte.

Pirmin macht im Verlauf der Serie vielleicht die grösste Charakterentwicklung durch. Ab einem gewissen Zeitpunkt nimmt er die Dinge selbst in die Hand und wird aktiver. Er ist nicht mehr dieser Ich-lasse-mir-alles-gefallen-Typ. Und als Bax in der ersten Staffel nach einem One-Night-Stand völlig verkatert und niedergeschlagen dahinvegetiert und jede Hoffnung verloren hat, kommt Pirmin und päppelt Bax auf.

Pirmin wird endlich aktiv.

Ja. Nach den ersten Episoden passiert endlich das, was ich mir für Pirmin gewünscht habe. Als ich ganz am Anfang das Skript zu den ersten Folgen gelesen hatte, dachte ich: Ich weiss nicht, ob ich mit Pirmin glücklich werde. Ich fand ihn langweilig. Und eigentlich hatte ich für eine andere Rolle vorgesprochen.

Ach ja?

Ich wollte etwas Cooles spielen, etwas Lustiges. Deshalb habe ich zuerst für die Rolle des jungen Kiffers Juni vorgesprochen.

Aber Sie wurden zum drolligen Polizisten.

Als ich beim Casting den Typen gesehen habe, der den Kiffer Juni spielen sollte, wusste ich: Der ist perfekt für diese Rolle. Und ich selbst bin zu alt. Im Nachhinein denke ich, es wäre ein Fehler gewesen, den Kiffer zu spielen. Einer, der mit 20 Jahren den Kiffer spielt und dann mit 35 noch einmal, der kann nichts anderes.

Wie haben Sie sich auf diese Rolle, die Sie nicht wollten, eingelassen?

Ich wusste, dass ich mir vieles gefallen lassen muss. David Constantin improvisiert gerne. In einer Szene gab er mir aus dem Nichts eine Ohrfeige. Als Dragan hätte ich in dem Moment am liebsten zurückgeschlagen. Aber die etwas behäbige Figur Pirmin würde das nie tun. Also habe ich mich zusammengerissen.

Ist Pirmin ein Vorbild für die Schüchternen, die Netten?

Das weiss ich nicht, schliesslich stürmt Pirmin in einer Szene mit einer Pumpgun ein Hotel. Aber ja, Pirmin hat ein grosses Herz. Als Bax ein Tief durchlebt, hat Pirmin Mitleid. Er hilft ihm auf die Beine, auch wenn er sich oft über seine Grossspurigkeit und sein Geplapper nervt. Pirmin ist ein guter Mensch. Vom Anfang bis zum Schluss.

Bei «Tschugger» sind die meisten Schauspieler Laien. Wie viel Dragan Vujic steckt in Pirmin?

Freunde sagen mir, Pirmin reagiere oft genauso wie ich früher. Aber eigentlich bin ich rebellischer als Pirmin. Zudem kann Pirmin kochen. Ich kann nur Nudeln und Spiegeleier.

In der ersten Staffel feiern die Polizisten in einem Wald heimlich ein grosses Fest, das «Radarfest». Sie besaufen sich, und irgendwann liegt Pirmin bewusstlos auf dem Tisch, und die anderen stecken ihm ein Fähnchen in den Po. Warum ist das lustig?

Ich weiss es doch auch nicht. Es ist einfach lustig. Aber ich weiss schon, es geht um die Frage, warum eine Demütigung lustig ist.

Und warum ist sie das?

Beim Besäufnis selbst bekommt Pirmin ja wenig mit. Später steht er über dem Vorfall und zeigt damit Grösse. Diese Grösse musste ich selber im Leben auch entwickeln. Es hat lange gedauert, aber heute habe ich sie.

Wie meinen Sie das?

Im Kindergarten war ich als Serbe einer der wenigen Ausländer. Ich bin 1987 geboren, und ein Ausländer aus dem Balkan war damals etwas Abnormales in einem kleinen Walliser Dorf. Ich war einer von zwei, drei Jugos in der Schule. Das bekam ich zu spüren. Ich wehrte mich, bis ich irgendwann gemerkt habe, dass die anderen es viel weniger lustig fanden, wenn ich sie machen liess. Als ich dann anfing, selbst Witze über mich zu machen, habe ich den Spiess umgedreht. Die anderen Schüler lachten immer noch über mich, aber ich lachte mit. Seither kann mich kaum noch etwas verletzen. Humor ist auch eine Überlebensstrategie.

In «Tschutter», einer älteren Serie von David Constantin, spielten Sie Pirminovic Cina. Dieser Name ist eine Karikatur: ein bisschen Serbien, ein bisschen Wallis. Wie kam es dazu?

Ich habe zu David Constantin, der schon damals Regisseur war, gesagt, dass Namen auf -ic Familiennamen seien und man Pirminovic also nicht mit dem typischen Walliser Familiennamen Cina kombinieren könne. Ihm war das egal. Mir auch. Aber diese alte Serie kann ich mir nicht mehr anschauen. Da finde ich mich grottenschlecht.

Und wie ist es bei «Tschugger»?

Es gibt eine Szene in der ersten Staffel, als Pirmin seinen Partner Bax von einem Kran rettet. Beim Dreh sagte mir die Regie, ich müsse mehr machen, aktiver sein. Ich habe es nicht verstanden. Ich dachte, ich gäbe alles. Erst im Schnitt habe ich gesehen, was sie meinten, und ich dachte: Verdammt. Pirmin ist viel zu wenig panisch in dem Moment.

Die Kritiken zu «Tschugger» waren positiv. Es hiess: «Endlich einmal gute Comedy aus der Schweiz.»

Wir haben einen anderen Humor. Schnell, derb, laut, über dem Limit. Am Anfang hatte ich Angst, es sei too much. Wir wussten ja überhaupt nicht, ob das ankommt. Ich habe früher in Zürich gearbeitet und musste meinen Dialekt anpassen, um verstanden zu werden. Vor der Premiere von «Tschugger» habe ich mich deshalb gefragt: Können uns die Leute witzig finden, wenn sie unseren Dialekt nicht verstehen?

Hängt das Besondere an «Tschugger» mit der Mentalität zusammen? Damit, dass man in der Deutschschweiz zurückhaltend ist und im Wallis sehr direkt?

Man muss schon sehen: «Tschugger» war ein Wagnis und hätte ein Flop werden können. Es hätte sein können, dass die Leute uns missverstehen. Oder gar nicht. Aber man muss sich etwas trauen. Und wir haben uns getraut.

Ist es für Sie eine Genugtuung, dass eine Serie mit Walliser Schauspielern so gut funktioniert?

Das Wallis hebt sich halt ab. Welchen Kanton gibt es sonst, der so krass anders ist? Wir haben einen lustigen Dialekt, viele Klischees. Damit kann man spielen. Mit Raclette, Wein, Regelbruch. Und: Wir übertreiben gerne.

Mit der vierten Staffel endet «Tschugger». Was hat die Serie mit Ihnen gemacht in den vergangenen Jahren?

Die Dreharbeiten dauerten insgesamt bloss ein paar Monate. Und doch ist viel geblieben. Immer, wenn ich in die Schweiz kam, stellte ich den Pirmin-Modus an. Es ist wie ein Schalter. Ich wohne im Ausland, und da ist der Pirmin-Schalter aus, da führe ich ein anderes Leben. Aber klar, ich bin jetzt schon traurig, dass die Zeit mit «Tschugger» vorbei ist. Wenn ich auf meinem Handy die Bilder dieser Monate anschaue, denke ich: Verdammt, das war eine geile Zeit.

Werden Sie irgendwann wieder als Schauspieler arbeiten?

Ich habe nie im Leben etwas lieber gemacht, als zu schauspielern. In Hollywood stolpert man vielleicht von einem Dreh in den nächsten, aber in der Schweiz ist es schwierig. Hier ist alles kleiner. Ich könnte mir vorstellen, etwas in Deutschland oder Österreich zu machen. Aber am liebsten würde ich weiterhin in meiner Sprache spielen, auf Walliserdeutsch.

«Tschugger – der lätscht Fall»
Ab dem 10. Oktober als Spielfilm im Kino. Auf Play SRF sind ab dem 17. November alle fünf Folgen der letzten Staffel verfügbar. Die TV-Ausstrahlung beginnt am 24. November auf SRF.

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