Sonntag, Dezember 22

Ein Forum zwischen der chinesischen und der taiwanischen Grossstadt sagt viel aus über die aktuelle Lage an der Strasse von Taiwan.

Ein Abkommen über den Austausch von Zootieren und ein vages Versprechen, dass Touristen aus Schanghai künftig wieder Taipeh besuchen dürften – die konkreten Ergebnisse des diesjährigen Forums zwischen der chinesischen Wirtschaftsmetropole und der taiwanischen Hauptstadt sind kaum der Rede wert.

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Es gibt nur noch wenig Kontakte zwischen China und Taiwan

Doch beim Zusammentreffen des Schanghaier Vizebürgermeisters Hua Yuan und des Bürgermeisters von Taipeh, Chiang Wan-an, ging es diese Woche weniger um Konkretes als um die Symbolik. Denn das seit 2010 jährlich stattfindende Forum ist ein seltenes Überbleibsel aus einer Zeit, wo sich die beiden Seiten an der Taiwanstrasse Schritt für Schritt näherkamen.

Auf Regierungsebene ist der direkte Austausch seit 2016 eingefroren. Damals wurde Tsai Ing-wen von der chinakritischen Demokratisch-Progressiven Partei (DPP) zur Präsidentin von Taiwan gewählt. Peking sah Tsai als Separatistin und brach jeglichen Kontakt ab. Auch mit dem aktuellen Präsidenten Lai Ching-te verweigert die chinesische Regierung den Dialog.

Darum habe das Schanghai-Taipeh-Forum eine neue Bedeutung erhalten, sagt die Sinologin Simona Grano, die an der Universität Zürich das Taiwan-Projekt leitet. «Da es offiziell um eine Städtepartnerschaft geht, kann man die kontroversen Fragen der Beziehung zwischen Taiwan und China etwas ausblenden.»

Chinas Säbelrasseln geht weiter

Wobei das nur zum Teil gelang. Der Bürgermeister Chiang kam schon im Vorfeld unter Beschuss, weil er trotz dem anhaltenden chinesischen Säbelrasseln an der Durchführung des Forums festhielt. Erst vergangene Woche hatte die chinesische Volksbefreiungsarmee ein Grossmanöver durchgeführt. Die taiwanische Armee versetzte ihre Truppen in Alarmbereitschaft. Selbst während die Delegation aus Schanghai in Taipeh war, sichtete Taiwans Armee militärische Schiffe und Flugzeuge Chinas in der Nähe der Insel.

Der Bürgermeister Chiang kam nicht darum herum, die chinesische Drohkulisse anzusprechen. Er versuchte es mit blumigen Formulierungen: Er wünsche sich mehr Olivenzweige des Friedens und weniger Bitterkeit des Konflikts. Anstelle des Lärms von Kampfjets und Kriegsschiffen sollten die Lichter von Fischerbooten im Sonnenuntergang glitzern, sagte Chiang.

Dass die chinesische Seite bereit ist, mit Chiang zu sprechen, liegt daran, dass er von der Kuomintang-Partei (KMT) ist. Die KMT setzt sich für engere Verbindungen mit dem Festland ein. Es war unter dem KMT-Präsidenten Ma Ying-jeou zwischen 2008 und 2016, als die Beziehungen zwischen Taiwan und dem Festland ihren Höhepunkt erreichten.

Weil aber die DPP mit Präsident Lai die nationale Regierung stellt, kann der KMT-Mann Chiang nicht als Brückenbauer fungieren. Die beiden Parteien, welche die politische Landschaft Taiwans dominieren, sind einander spinnefeind. Immerhin: DPP-Vertreter kritisierten zwar das Städteforum, ihre Regierung liess es jedoch zu. Die Delegation aus Schanghai brauchte die Einwilligung des Mainland Affairs Council, des Ministeriums, das für die Beziehungen zum Festland zuständig ist.

Alle Seiten könnten mit der Durchführung der Veranstaltung signalisieren, dass sie an einem Austausch interessiert seien, sagt Grano. «Gerade weil die Situation an der Taiwanstrasse angespannt ist, will auch die Regierung von Präsident Lai zeigen, dass sie verantwortungsvoll handelt und den Dialog mit Peking sucht.» Würde die taiwanische Regierung dies unterlassen, könnte sie von den Amerikanern und Europäern als Störenfried wahrgenommen werden, sagt die Taiwan-Expertin.

Demonstrationen am Rande des Forums

Ganz geräuschlos ging das Forum allerdings nicht vonstatten. Seitenhiebe gab es von beiden Seiten. Die taiwanische Regierung verwehrte 11 der ursprünglich 102 Mitgliedern der Schanghaier Delegation das Visum. Im Gegenzug luden die Chinesen zu einem von ihnen ausgerichteten Mittagessen die lokalen Abgeordneten der DPP nicht ein.

Bereits bei ihrer Ankunft am Flughafen in Taipeh wurde die chinesische Delegation von kleinen Gruppen von Demonstranten empfangen. Das Hotel, wo das Forum stattfand, war von der Polizei gut gesichert. Ein Demonstrant in einem Winnie-the-Pooh-Kostüm wurde abgeführt. Die Disney-Figur wird häufig benutzt, um sich über Chinas Machthaber Xi Jinping lustig zu machen. Die beiden sollen sich ähnlich sehen.

Die Proteste gegen das Forum sind nicht vergleichbar mit den Massendemonstrationen im Frühjahr 2014, als die damalige KMT-Regierung ein Abkommen zur Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen mit dem Festland verabschieden wollte. Viele Taiwanerinnen und Taiwaner sahen das als wirtschaftliche Übernahme ihres demokratischen Systems durch die kommunistische Volksrepublik. Nach einer dreiwöchigen Besetzung des Parlaments durch Studenten musste Präsident Ma das Vorhaben aufgeben.

Sicher gebe es kleinere Gruppen in Taiwan, die fundamental gegen jeglichen Kontakt mit dem Festland seien, sagt Grano. Sie gehe aber davon aus, dass die Mehrheit der Taiwanerinnen und Taiwaner gegen ein Städteforum wie jenes mit Schanghai nichts einzuwenden habe: «Den meisten ist klar, dass die Beziehung mit dem Festland zumindest so weit aufrechterhalten werden muss, damit es nicht zu einer Invasion kommt.»

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