Montag, Oktober 28

Der Stadtrat wünscht sich den Verkehr am Hauptbahnhof einfach weg. Das wird nicht funktionieren.

Die Pläne des Zürcher Stadtrats am Hauptbahnhof lassen aufhorchen. Rund um den grössten Bahnhof der Schweiz soll nicht mehr die Mobilität im Vordergrund stehen, sondern die «Aufenthaltsqualität».

Die Fussgängerinnen und Velofahrer sollen nicht durch störende Tramschienen gestört werden. Als notwendiges Übel wird das Tram gerade noch knapp geduldet, das Auto hingegen nicht mehr. Selbst die Taxis werden an den Rand des Bahnhofgeländes verbannt.

Die Planung läuft seit Jahren, nun wird sie mit der Masterplanung konkret, wie die NZZ am Montag berichtet hat. Sollten die Pläne umgesetzt werden, wird dies mutmasslich Baukosten von Hunderten Millionen Franken Steuergeldern verschlingen.

Was ist das Problem?

Was ist das Problem, das den gegenwärtigen teuren Planungsaufwand rechtfertigen würde? So klar ist das nicht. Der Stadtrat wünscht sich schlicht mehr städtebauliche «Qualität» an dieser Zentrumslage. Zürich hat Probleme, die sich andere Städte wünschen würden.

Natürlich ist der Wunsch nach Freiraum grundsätzlich berechtigt. Eine attraktive Stadt braucht Fussgängerzonen, Plätze und Grünanlagen. Aber nicht überall.

Der städtische Raum muss mehrere Funktionen erfüllen. Hier setzt die städtische Planung völlig falsche Prioritäten. 400 000 Passagiere verkehren täglich über den Hauptbahnhof. An diesem Ort sollte es nicht primär um Aufenthaltsqualität gehen, sondern um den Verkehrsanschluss ans Tram, aber auch ans Taxi und an weitere Transportmittel.

Zugutehalten kann man der Planung, dass sie die Situation für Fussgänger verbessern will. Vor allem der Zugang Richtung Hochschulgebiet ist heute schon stark frequentiert, und die Passantenströme werden zunehmen.

Dieses Problem muss man gezielt angehen. Es gab dazu in der Vergangenheit verschiedene Ideen – von der Fussgängerbrücke über die Rolltreppe bis zur Seilbahn. Einfache Lösungen gibt es nicht. Dies ist aber noch lange kein Grund für Tabula rasa im ganzen Bahnhofsgebiet.

Den Planern geht es ohnehin um mehr. Ihr Vokabular verrät den Traum von Boulevards, Parks und Plätzen europäischen Zuschnitts. Zürich ist ihnen zu kleinkrämerisch geraten.

Doch die Stadt wirkt auf Ankommende heute keineswegs provinziell – auch, weil unmittelbar mit der Bahnhofstrasse die wichtigste Einkaufsstrasse der Stadt beginnt. Selbst der Autoverkehr wirkt an diesem zentralen, geschäftigen Ort nicht fehl am Platz, wie er dies beispielsweise an der Rosengartenstrasse tut, wo die Verkehrsachse ein Wohnquartier durchschneidet.

Dass es ohne Autos schöner wäre, ist klar. Der Verkehr muss keineswegs zwingend beim Bahnhof rollen. Aber wegwünschen, wie das die jetzigen rot-grünen Planer tun, lässt er sich nicht.

Keineswegs nur Durchgangsverkehr

Falsch ist die Vorstellung, dass es sich um Durchgangsverkehr handelt, der sich leicht um die Stadt herumleiten lässt. Zwar gibt es keine belastbare Zahlen, aber Untersuchungen bei der Rosengartenstrasse haben gezeigt, dass der Durchgangsverkehr nur etwa zehn Prozent ausmacht. Der Rest ist innerstädtischer Verkehr.

Und es wäre auch illusorisch, auf eine grundsätzliche drastische Abnahme dieses innerstädtischen Verkehrs zu hoffen. Zwar ist die Stadtregierung bestrebt, den Stadtbewohnern das Autofahren zu vergällen, durch Parkplatzabbau, strengere Parkierungsvorschriften und dergleichen. Aber die Zahl der Haushalte mit Auto in der Stadt Zürich bewegt sich seit Jahren bei rund fünfzig Prozent. Gleichzeitig ist ein starkes Bevölkerungswachstum prognostiziert.

Sollte der HB verkehrsfrei werden, wären die logischen Ausweichrouten Quai- und Hardbrücke. Beide sind aber zu Spitzenzeiten heute schon überlastet. Und Tunnellösungen sind theoretisch möglich, aber teuer und bei der Stimmbevölkerung unbeliebt.

Wohin also mit den 10 000 Fahrzeugen, die heute pro Fahrtrichtung beim Hauptbahnhof verkehren?

Solange man auf diese Frage keine saubere Antwort hat, erübrigen sich jegliche weiteren Planspiele.

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