Freitag, Oktober 11
Nachgewürzt

Wolfgang Fassbender


Ranking

Kein anderer Bahnhof Europas soll bei Reisenden beliebter sein als der Zürcher Hauptbahnhof. Die Gastronomie spielte in der Auswertung nur indirekt eine Rolle, doch mit den neuen Angeboten dürfte Zürich auch in Sachen Food die Nase vorn haben.

Laut einer soeben veröffentlichten Bewertung von Reisenden der Gepäckaufbewahrungsplattform Bounce ist der Zürcher Hauptbahnhof der beliebteste Bahnhof in Europa. Sie analysierten dabei dreissig europäische Bahnhöfe hinsichtlich Faktoren wie Fahrgastzufriedenheit und Popularität auf Social Media. Das kulinarische Angebot war in dieser Umfrage nebensächlich. Viel wichtiger waren andere Dinge: Ist es sauber und sicher? Wie kurz oder lang sind die Wege? Die lediglich 12-minütige Fahrt zum Flughafen wurde etwa gelobt.

Doch spätestens seit der Eröffnung neuer Lokale im Rahmen der HB-Renovierung hat die gastronomische Attraktivität stark gewonnen – was auch für zukünftige Ratings eine Rolle spielen könnte. Die SBB wollen sich, das wird nicht nur in Zürich, sondern beispielsweise auch in St. Gallen deutlich, immer weniger mit dem üblichen Programm der Kettenrestaurants begnügen.

Was die Konkurrenz angeht, muss sich Zürich nämlich keine Sorgen machen. Der Pariser Gare du Nord auf Platz zwei? Das kann nur deshalb der Fall sein, weil sich gleich gegenüber dem dortigen Bahnhof eine grossartige Brasserie und wenige Meter weiter eine exzellente Patisserie befinden. Von Frankfurt am Main, auf Rang drei der europäischen Topbahnhöfe angesiedelt, lässt sich nicht einmal das behaupten. Wirklich gut habe ich dort im Umkreis von 100 Metern noch nie gegessen.

Neue kulinarische Konzepte oder doch lieber Klassik?

Wirklich bemerkenswert ist neuerdings, was Zürich angeht, die Existenz der «Brasserie Süd». Mit dem Charme und der Eleganz der «Brasserie Le Train Bleu» in der Pariser Gare de Lyon (nicht im Ranking vertreten) kann die Zürcher Neueröffnung zwar nicht mithalten. Doch der Reisende vermag hier angenehm einzukehren, etwas zu trinken oder zu essen – beides auf beachtlich hohem Niveau.

Sollte dort freilich alles voll sein, wird es schon anstrengender. Im «Café Oscar» – es handelt sich um die erste Anlaufstelle für alle, die von den Gleisen her kommen, und die «Brasserie Süd» hat morgens um sieben noch nicht auf – habe ich neulich einen bloss ordentlichen Kaffee bekommen. Das schwarze Getränk, das viele Frühpendler am Leben erhält, ist auch anderswo am Bahnhof oft bloss Durchschnitt – gäbe es als Ausnahme nicht «Miró», könnte man verzweifeln.

Im «Federal» geht es, was das Essen betrifft, währschaft-deftig zu. Züri-Frites, Cordon bleu oder Ghackets mit Hörnli stehen auf der Karte; wer hier geschmackliche Wunderdinge erwartet, ist selbst schuld. Allein die Biertrinker kommen voll auf ihre Kosten, denn das Angebot ist gewaltig. Fünfzig Sorten sollen es sein, die ausgeschenkt werden; nachgezählt habe ich aber nicht.

Weintrinker haben es am Zürcher HB deutlich schwerer. Jenes Vorurteil, dass Bahnreisende nie Wein tränken, scheint den meisten Gastronomen ins Blut übergegangen zu sein. Bleibt wohl nur, in den nächsten Speisewagen zu steigen oder sich eine Flasche in den Zug mitzunehmen. Nachholbedarf herrscht am Bahnhof auch bei der klassischen Patisserie; selbst bei den Croissants sieht es eher düster aus.

Nudelsuppe, Pizza und Fried Chicken

Immerhin kann man asiatisch essen – nicht herausragend, aber immerhin recht vielfältig. Das «Maru» ist mir mit Abstand die zuverlässigste Adresse im Bahnhofsgebäude – allein schon, weil man hier prima Nudelsuppen auf japanische Art bekommt. Was die Pizza angeht, so schätze ich das Konzept von «Spiga» und «Sesh» immer noch. Gut möglich, dass «San Gennaro» noch einen drauflegen kann – die Eröffnung dieser bei Kennern hoch im Kurs rangierenden Pizzeria steht im Hauptbahnhof unmittelbar bevor.

Geöffnet hat schon die vegane Moon Bakery, allerdings nur im Rahmen eines bis Ende April agierenden Pop-ups. Wenn es schon keine butterlastige Patisserie sein kann, dann wenigstens ein empfehlenswerter veganer Kardamom-Bun. Im «Yardbird Southern Fried Chicken» soll es dagegen bald überwiegend nichtvegan, aber ziemlich knusprig zugehen. Und dem ebenfalls für den HB angekündigten «Action Burger» sehen Gourmets erst recht freudig entgegen. Wirklich herausragende Burger fehlten nämlich bislang am Zürcher Gourmetbahnhof.

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