Die Stadtregierung will weiterhin Lebensmittelproduktion auf dem Areal – aber keinen Schlachthof. Bei der Fleischgewinnung gilt das Motto «Aus den Augen, aus dem Sinn».

2030 will die Stadt Zürich das 60 000 Quadratmeter grosse Schlachthofareal neben dem Letzigrund umnutzen. Das Land gehört der Stadt. Was danach kommt, ist noch nicht entschieden. Wünsche gibt es viele, der rot-grüne Stadtrat möchte einen «urbanen Gewerbestandort», auch die Lebensmittelproduktion soll weiterhin Platz haben. Grünflächen und Schulraum sind ebenfalls Thema. Eine Umzonung wird geprüft, um Wohnungen zu ermöglichen.

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Klar ist einzig: Einen Schlachthof soll es nicht mehr geben.

Der Gedanke, dass ein Schlachtbetrieb mitten in einem wachsenden Quartier fehl am Platz sein könnte, ist durchaus nachvollziehbar. Der jetzige Schlachthof befand sich bei seiner Eröffnung 1909 noch ausserhalb der Stadtgrenze und weitab von jeglichem Wohnbau.

Gleichzeitig ist es reizvoll, eine so grosse Fläche neu zu gestalten. Ähnliches ist beispielsweise mit den Industriebrachen der ABB und der Oerlikon-Bührle beim Bahnhof Oerlikon geschehen.

Das Schlachthofareal ist keine Brache

Im Falle des Schlachthofareals stehen die hochtrabenden Pläne der Stadtregierung allerdings quer in der Landschaft. Insbesondere wenn man bedenkt, dass der Stadtrat sonst jede Gelegenheit nutzt, um zu betonen, man wolle die verbliebenen Industriezonen Zürichs erhalten. Man denke etwa an das Kornsilo an der Limmat, das explizit gefördert wurde, weil es zum Erhalt der Industriebetriebe beitrage.

Nur: In den einst wichtigen Industriehallen in Oerlikon und Zürich-West herrschte zum Zeitpunkt ihrer Umnutzung Ödnis, die Gebiete wurden längst nicht mehr für ihren ursprünglichen Zweck genutzt. Davon kann im Schlachthof nicht die Rede sein.

Der Schlachthof ist der grösste der Schweiz; etwa 270 000 Tiere werden dort jedes Jahr verarbeitet. Der Hof ist einer der wenigen, die nicht nur auf eine Tiergattung spezialisiert sind. Gemäss Angaben der Schlachtbetriebe Zürich AG ist die Anlage voll ausgelastet und arbeitet mit der Grossmetzgerei auf dem Areal zusammen. Noch. Seit klar ist, dass die Tage des Unternehmens in der Stadt gezählt sind, orientieren sich bestehende Kunden um, neue Kunden wird der Betrieb kaum finden.

2020 hat die Betreiberin des Schlachthofs die Anlage für 2,5 Millionen Franken modernisiert. Zwei Jahre später entschied der Stadtrat, den Vertrag mit dem Schlachthof 2029 auslaufen zu lassen. Der Grossbetrieb hätte also sieben Jahre Zeit gehabt, einen neuen Standort in der Region zu suchen und eine neue Anlage zu bauen.

Das ist zu wenig Zeit, um Standortsuche, Planung und Bewilligungsverfahren sowie den Bau einer vergleichbar grossen Anlage im Raum Zürich zu bewerkstelligen.

Dem Stadtrat muss bewusst gewesen sein, dass er dem Betrieb so die Existenzgrundlage nimmt.

Die befremdliche Nonchalance des Stadtrats

Der Verwaltungsrat der Schlachtbetriebe Zürich AG musste nun die Reissleine ziehen. Der Schlachthof wird nächstes Jahr seine Tätigkeit einstellen, wie er der NZZ sagt. Sonst wäre ein Konkurs unabdingbar gewesen. Dreieinhalb Jahre früher als vorgesehen – und für immer. Das Unternehmen zahlt damit den ultimativen Preis für die Umnutzungsphantasien der Stadt.

Die Nonchalance des Stadtrats in diesem Zusammenhang ist befremdlich. Offenbar unbeteiligt nimmt er in Kauf, dass ein funktionierendes Unternehmen für ein Selbstverwirklichungsprojekt über die Klinge springen muss.

Die übrigen grösseren Schlachtbetriebe der Schweiz sollten den Verlust des Zürcher Schlachthofs zwar kompensieren können. Da die grossen Anlagen aber regional sehr ungleich verteilt sind, bedeutet das für die Tiere längere Transportwege vom Hof zur Schlachtbank.

Der Stadt Zürich stünde es gut an, sich das zu Herzen zu nehmen. Nicht zuletzt, weil die städtische Stimmbevölkerung in den letzten zehn Jahren zahlreiche Vorlagen angenommen hat, die das Tierwohl fördern sollten. Darunter waren etwa die Initiative gegen Massentierhaltung oder die Vorlage für die Würde von landwirtschaftlichen Nutztieren.

Stattdessen agiert der Stadtrat nach dem Motto «Aus den Augen, aus dem Sinn». Offenbar will man vor der eigenen Haustür lieber nicht daran erinnert werden, dass für Filet, Cervelat und Hamburger Tiere sterben müssen.

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