Der Energiekonzern MET legt ein beeindruckendes Wachstum hin, investiert in erneuerbare Energien und weiterhin in den Gasmarkt. Doch Schatten aus der Vergangenheit bremsen das Schweizer Unternehmen.

Die Unternehmen von Achema produzieren Stickstoffdünger, fördern und verkaufen Erdgas, stellen Windparks auf, betreiben Hotels, reparieren Schiffe, sind im Radiogeschäft tätig. Die litauische Gruppe ist ein Konglomerat alter Schule.

Achema zählt auch zu den grössten Privatunternehmen Litauens. Der Gründer und langjährige Firmenchef Bronislovas Lubys war einst Ministerpräsident und reichster Mann des baltischen Staates. Lubys starb im Jahr 2011. Seine Witwe Lyda Lubiené und die Tochter Viktorija Lubyté halten nun zusammen eine Mehrheitsbeteiligung von 54,07 Prozent an der Gruppe.

Grossinvestor im Baltikum

Wenn es nach Benjamin Lakatos geht, könnte dieses Mehrheitspaket in nächster Zeit zum Schweizer Energiehändler und -produzenten MET Group wandern. «Es besteht Vertrauen und Respekt zwischen uns und den beiden Aktionärinnen. Wir möchten den Deal machen», sagt der MET-Chef in seinem Büro in Baar im Kanton Zug.

Bis jetzt bestehe Interesse, aber noch keine verbindliche Vereinbarung. Die finanzielle und rechtliche Lage des litauischen Unternehmens werde erst noch untersucht, dann müssten auch die Behörden einer solchen Transaktion zustimmen, rechtlich sei die Lage kompliziert, heisst es von Lakatos. Zudem habe einer der Minderheitsaktionäre ein Vorkaufsrecht für sich reklamiert.

Mit einem Schlag wäre die MET Group, wenn der Deal zustande kommt, einer der wichtigsten Auslandsinvestoren in Litauen. Die Ankündigung einer möglichen Übernahme schlug bereits Wellen im baltischen Staat. Zur Sprache kam auch die Vergangenheit des Rohstoffhändlers, der seine Wurzeln in Ungarn hat und mit der Entourage des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban und auch russischen Anteilseignern in Verbindung gebracht wird.

In der Schweiz hingegen ist die MET Group eines jener Unternehmen, die mit Rohstoffen handeln, riesige Umsätze schreiben, aber in der Öffentlichkeit wenig bekannt sind. Der Händler profitierte von den gestiegenen Energiepreisen der vergangenen Jahre. 2023 erzielte der Konzern einen Umsatz von 24,5 Milliarden Euro, das zweitbeste Ergebnis der Firmengeschichte. 2022 waren es 41,5 Milliarden Euro.

Weitere Finanzzahlen veröffentlicht die Firma nicht, es sind Baby-Schritte in die Transparenz. In einer Präsentation in Budapest sprach Lakatos von einer Finanzkraft von 3 bis 4 Milliarden Euro. Der Begriff ist nicht fest umrissen, er deutet aber darauf hin, dass die Kasse für Investitionen gut gefüllt ist.

Das Unternehmen handelt mit Pipeline-Erdgas, verflüssigtem Erdgas (LNG) und Strom. MET investiert zwar vermehrt in die Stromproduktion mit erneuerbaren Energien, der Grossteil der Umsätze und Gewinne macht das Unternehmen aber mit fossilen Brennstoffen. Über Tochtergesellschaften ist MET in 15 Ländern präsent und in 30 nationalen Gasmärkten tätig.

«Erdgas ist nicht mehr sexy»

Es ist ein ungewöhnlicher Schritt für ein Energieunternehmen, in eine Düngerproduktion zu investieren. Es lässt sich damit erklären, dass Stickstoffdünger in grossem Masse umgewandeltes Erdgas sind. Die Gaskosten machen rund 70 Prozent der Kosten der Herstellung aus.

Gleichzeitig sagt Lakatos: «Erdgas ist in den Augen von Investoren nicht mehr sexy.» In der Energiewende sei es aber weiterhin ein wichtiger Brennstoff für den Übergang. Viele hätten Gas aus dem Fokus verloren, Erdgas werde aber noch länger benötigt als erwartet. Die Investmentstrategie von MET laute nun: Konsolidierung in der Wertschöpfungskette.

«Alles, was Gas produziert, lagert, transportiert oder in grossen Mengen konsumiert, ist für uns interessant. Wir können dann unser Wissen im Handel ausspielen», sagt Lakatos. Das könnte so gehen: Wenn die Erdgaspreise hoch sind, wird weniger Dünger produziert, und umgekehrt. Lakatos interessiert sich zudem für weitere Düngerhersteller in Europa, zudem will MET eine Abteilung für den Handel mit Düngern aufbauen.

Das Werk in Litauen könnte vom weit gespannten Netzwerk von MET profitieren. Achema hat noch einen weiteren Trumpf: Die Gruppe ist an KN Energies beteiligt, dem Betreiber des LNG-Terminals im litauischen Klaipeda – eine weitere Möglichkeit zum Handeln.

Die europäischen Düngerhersteller sind in den vergangenen zwei Jahren aber arg gebeutelt worden. Achema spricht davon, im vergangenen Jahr mit der Stickstoffdüngerproduktion einen Verlust von 47 Millionen Euro gemacht zu haben. Das Werk stellte ab September 2022 für einige Zeit den Betrieb ein – wegen der gestiegenen Erdgaspreise. Nach der russischen Invasion der Ukraine stellte Achema den Kauf von Gas aus Russland ein und zahlte mit fehlender Wettbewerbsfähigkeit. Dünger aus den USA, der Türkei, Ägypten und Russland wurden günstiger.

Damit auch weiterhin Dünger in Europa hergestellt wird, sieht Lakatos drei Erfordernisse: gesetzgeberische Unterstützung, effiziente Nutzung der Technologie und wettbewerbsfähige Erdgaspreise. Das Letztgenannte könne MET beitragen. Der Rohstoffhändler betont aber, dass das Unternehmen nurmehr äusserst geringe Mengen russischen Gases handeln würde.

Ein strategisches Unternehmen

Russland ist aber der Dreh- und Angelpunkt der Diskussion in Litauen. Die baltischen Staaten gehören zu den erbittertsten Warnern vor den imperialen Gelüsten des Kremls. Der LNG-Terminal Klaipeda ist eine Versicherung des Landes gegen die Abhängigkeit von russischem Gas. Deshalb ist es von nationaler Bedeutung, wer diesen besitzt.

Als die ersten Gerüchte um eine Übernahme von Achema durch MET auftauchten, hiess es von der Parlamentssprecherin Viktorija Čmilytė-Nielsen, aufgrund der möglichen Verbindungen des Unternehmens mit der ungarischen Regierung sei zusätzliche Vorsicht geboten.

Der Verkauf strategisch wichtiger Unternehmen muss durch eine staatliche Kommission genehmigt werden. MET hat unterdessen eine Charmeoffensive gestartet: Um seine Sicht der Dinge darzulegen, lud der MET-Chef vor kurzem auch drei Journalisten der wichtigsten litauischen Medien nach Baar ein.

«Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Energieunternehmen ist MET völlig unabhängig, wir vertreten keinerlei politische Interessen», sagt Lakatos auf die Vorwürfe. Lakatos ist derzeit mit mehr als 70 Prozent an MET beteiligt, knapp 20 Prozent gehören dem Management und 10 Prozent der Infrastrukturgesellschaft Keppel aus Singapur. Im Jahr 2018 hatte das Management unter dem 47-jährigen Lakatos das Unternehmen gekauft, seitdem ist er der Mehrheitsaktionär.

Russische Investoren und Orbans Entourage

MET heisst ausgeschrieben MOL Energy Trading und wurde 2007 als Handelsarm des ungarischen, teilstaatlichen Energiekonzerns MOL gegründet. Die Idee dazu kam von Lakatos, der bei MOL arbeitete. Der Konzern hat zwar nur 100 000 Euro in das Unternehmen gesteckt, der Name war aber wichtig für Geschäfte mit anderen Erdgasfirmen. MET nutzte schneller als viele andere die neuen Geschäftsmöglichkeiten, welche die Liberalisierung der europäischen Gasmärkte mit sich brachte.

Zwei Jahre nach der Gründung beteiligte sich Normerston an MET, laut Lakatos ein Erdölhändler, der auch Geschäfte mit MOL betrieb. In Medienberichten hiess es, russische Interessen steckten dahinter. Die Hoffnung war, dass Normerston einen grossen Erdgasliefervertrag «aus dem Osten», also aus Russland oder anderen ehemaligen Sowjetrepubliken, mit sich bringen würde. Damals wäre dies ein grosser Vorteil auf dem Markt gewesen.

Der Vertrag sei aber nie zustande gekommen, sagt Lakatos. MET konzentrierte sich auf Geschäfte mit europäischen Gasunternehmen. Später verkaufte Normerston die Anteile teils an ungarische, teils an russische Investoren. Darunter waren auch Personen, die dem Orbit des ungarischen Ministerpräsidenten zugerechnet werden.

Danach habe es weitere Transaktionen gegeben; von einigen Personen, die daran beteiligt waren, habe er auch nur über die Medien erfahren, sagt Lakatos. Das Management habe sich dabei unwohl gefühlt, deshalb sei es auch zum Kauf des Unternehmens durch ihn gekommen.

Lakatos hat auf die Fragen aus seiner Vergangenheit Antworten, die plausibel erscheinen. Ein Grund dafür, mit MET in die Schweiz zu ziehen, war auch eine grössere Unabhängigkeit. «Die Energiewirtschaft ist in vielen Ländern zu gross, zu einflussreich und zu nah an der Politik», sagt Lakatos. Dem wollte er sich entziehen: «Ohne den Umzug in die Schweiz hätten wir unsere heutige Unabhängigkeit kaum erreichen können.»

Eine unmittelbare Verbindung gibt es aber dennoch: Der langjährige Verwaltungsratspräsident von MET, Csaba Lantos, trat 2022 in die Regierung von Viktor Orban als Energieminister ein. Lakatos meint dazu, dass er mit dem Handelsunternehmen ein Zuhause für Energieexperten geschaffen habe.

Das zeige sich unter anderem auch darin, dass Lantos zum Minister ernannt worden sei. Die Verbindung zwischen Lantos und Orban stamme aber aus einer Zeit längst vor der Gründung von MET, sagt Lakatos: «Sie sind aus derselben Generation und kennen sich seit vielen Jahrzehnten.»

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