Sonntag, September 29

Nach dem Kursrutsch sehen Fondsmanager an der deutschen Börse einige Unternehmen, die allzu stark abgestraft wurden. Andere beflügelt die Aussicht auf sinkende Zinsen. Ein Versicherer, eine Internetplattform und ein Motorenbauer gehören zu den Favoriten.

Anleger werden vorsichtiger und stellen ihre Aktienportfolios konjunkturresistenter auf. Das zeigt ein Blick auf die Branchenindizes des Stoxx 600: In den vier Wochen ab Mitte Juli haben nur vier Sektoren mehr als 2% zugelegt (siehe Grafik). Es handelt sich um Geschäftszweige, die weniger unter einer schwachen Konjunktur leiden.

Mehr als 5% eingebüsst haben in dem Zeitraum Aktien aus konjunktursensibleren Branchen wie Medien, Reisen und Freizeit, Automobilbau, Technologie und Grundstoffe. Banken und Industriewerte waren ebenfalls schwach.

Unruhigere Börsenzeiten bieten Einstiegschancen. The Market hat deshalb Fondsmanager gefragt, welche Titel sie nach den Kursbewegungen der vergangenen Wochen als besonders attraktiv bewertet und aussichtsreich ansehen. Frank Fischer von Shareholder Value Management, Raik Hoffmann von Frankfurt Performance Management sowie Christian Krahe und Christoph Schlienkamp von GS&P nennen ihre Anlageideen und Argumente.

Allianz: –3% seit dem Zwölfmonatshoch

Die Aktien des Versicherers Allianz markierten Anfang April ihr Jahreshoch bei 280 €. Der Kurs sank Anfang August gen 240 €, lag zuletzt aber wieder bei 270. Der Rekordkurs von mehr als 400 € aus dem Jahr 2000 ist allerdings noch weit entfernt.

Nach Ansicht von Frank Fischer von Shareholder Value Management belastet der Imageschaden durch den Skandal um Structured-Alpha-Fonds den Aktienkurs noch immer. Der Dax-Konzern hat in den USA eine Zahlung in Höhe von 6 Mrd. $ und den Verkauf des US-Fondsgeschäfts wegen Verstössen gegen das Wertpapierhandelsgesetz akzeptiert. Noch immer komme Allianz für manche US-Anleger als Investment daher nicht infrage. Bei anderen Anlegern gelte der Versicherer dagegen als zu wenig dynamisch, um nicht zu sagen: langweilig.

Fischer dagegen lobt die aus seiner Sicht sehr starke Bilanz mit viel Puffer für schlechte Zeiten. Analysten erwarten im Durchschnitt gemäss Bloomberg-Daten, dass der Konzerngewinn von 9,1 Mrd. € im vergangenen Jahr bis 2026 auf 11 Mrd. steigen wird.

Die Bewertung sei günstig, so Fischer. Zur Dividendenrendite von 5,8% im Jahr 2024 kämen Aktienrückkäufe, die den Gewinn pro Titel erhöhten, und das erwartete Wachstum. Insgesamt hält er eine jährliche Gesamtrendite von deutlich über 10% bis 2029 für realistisch. «Allianz ist ein sehr gutes, relativ wenig konjunktursensibles Investment», urteilt der Fondsmanager. The Market hält Talanx für die aussichtsreichere Alternative in der Assekuranz.

Scout24: –10%

Der Betreiber des Immobilienportals ImmoScout24 hat in den vergangenen Jahren unter Pandemie und Zinswende gelitten. Der Aktienkurs fiel von zeitweise fast 80 € auf zwischenzeitlich weniger als 50 € und erholte sich dann. Im jüngsten Kursrutsch ging es erneut etwas abwärts.

Fischer schätzt Scout24 als deutschen Marktführer in einem Geschäft, in dem die grösste Plattform in einem Land dominiert, wie etwa in Grossbritannien Rightmove (dem Angriff eines Konkurrenten räumt der Fondsmanager dort keine Chancen ein). Scout24 sei innovativ und habe ihre IT gut im Griff.

Die bei Bloomberg erfassten Analysten trauen dem Unternehmen für die Jahre 2025 bis 2027 zu, den Gewinn pro Aktie jährlich mehr als 13% zu steigern. Zusätzlich zu den Wachstumsaussichten liegt die erwartete Dividendenrendite für 2024 immerhin bei 1,8%, mit steigender Tendenz: 2026 soll sie schon 2,4% betragen. Fischer erwartet eine jährliche Gesamtrendite von mehr als 10% in den kommenden fünf Jahren.

Vossloh: –5%

Die Valoren des Bahntechnikspezialisten Vossloh notieren immer noch ein gutes Stück unter dem Zwölfmonatshoch vom 29. Juli. Ganz zu schweigen vom Rekordhoch bei mehr als 67 € von 2015.

Vossloh profitiere langfristig vom Trend zur umweltfreundlichen Mobilität per Bahn und vom Investitionsbedarf der Bahnbetreiber, sagt Christoph Schlienkamp, Fondsmanager bei GS&P. Das Unternehmen ist weltweit aktiv und hat eine führende Marktposition.

Den Anfang August angekündigten Kauf des Betonschwellenherstellers Sateba zu einer Unternehmensbewertung von 450 Mio. € sieht Schlienkamp positiv, weil das Kaufobjekt gut ins Portfolio passe, die Marge ab 2025 nicht verwässern solle und das Management das Übernahmeziel seit Jahren aus gemeinsamen Projekten kenne. Vossloh zahlte das Siebenfache des Ebitda. «Das ist ein guter Preis», urteilt der Fondsmanager.

Bilanz und Cashflow von Vossloh seien stark, sagt Schlienkamp. Die Auftragsbücher sind zudem gut gefüllt. Aus diesen Gründen hält er die Bewertung mit dem Fünfzehnfachen des für 2024 erwarteten Gewinns für günstig. Die Dividendenrendite liegt für 2024 bei 2,7%.

Vonovia: –2%

Schlienkamps Fondsmanagerkollege Christian Krahe hält derzeit den Wohnungsverwalter Vonovia für aussichtsreich. Dem Unternehmen sei es gelungen, auch in der Zeit massiv gestiegener Zinsen grössere Bestände zu vernünftigen Preisen zu verkaufen und sich zu annehmbaren Konditionen zu refinanzieren, sagt Krahe. Nach eigener Aussage sieht es zudem die Talsohle bei der Entwicklung der Bestandswerte erreicht.

Die Perspektiven erscheinen dem Fondsmanager mit der Aussicht auf niedrigere Zinsen und der anhaltend starken Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum günstig. «Vor dem Hintergrund, dass seit Jahren viel zu wenig neu gebaut wird, dürfte der Markt auch in den kommenden Jahren eng bleiben, sodass die Mieten weiterhin stetig klettern.» Die Aktien notieren deutlich unter dem Nettovermögenswert des Immobilienportfolios per Juni von 44 € pro Titel.

Positiv für Anleger, die ihr Portfolio angesichts des gestiegenen Risikos einer US-Rezession krisenfester aufstellen möchten: The Market hatte Vonovia kürzlich als eine der deutschen Aktien genannt, die in turbulenten Börsenzeiten besonders gefragt sind.

Deutz: –26%

Bei Deutz geht es um schwere Motoren für Bau- oder Landmaschinen. Der Aktienkurs ist seit Anfang Juli arg unter die Räder gekommen.

«Die Investoren übersehen die Transformation von Deutz», sagt Raik Hoffmann, Fondsmanager bei Frankfurt Performance Management. Inzwischen liefere das Servicegeschäft 20% des Umsatzes. Die Ebit-Marge liege in diesem Bereich deutlich über dem Konzerndurchschnitt von 9% im ersten Halbjahr 2024.

Die überhastete und gescheiterte Ökostrategie des früheren CEO Frank Hiller ist passé. Nachfolger Sebastian Schulte dürfte das Thema Nachhaltigkeit deutlich umsichtiger angehen. Den 2017 erworbenen, verlustbringenden und wegen mangelhafter Produkte auch rufschädigenden Hersteller von E-Bootsmotoren Torqeedo hat das Unternehmen an Yamaha verkauft. Schwere Nutzfahrzeuge dürften noch lange mit Dieselmotoren fahren, ist Fondsmanager Hoffmann überzeugt.

Das von Analysten erwartete Wachstum auf 2,3 Mrd. € Umsatz bis 2025, nach 2 Mrd. € im Jahr 2023, hält der Fondsmanager für realistisch. Die Aktien seien sehr günstig bewertet mit dem Sechsfachen des für 2025 prognostizierten Gewinns und einer Dividendenrendite von gut 5%.

Zwar sei das Geschäft durchaus konjunkturabhängig. Doch Kunden wie etwa Landwirte könnten nur eine begrenzte Zeit Investitionen in Landmaschinen aufschieben, die irgendwann ersetzt werden müssten – und mit ihnen der verbaute Deutz-Dieselmotor. Ausserdem stabilisiere das Servicegeschäft den Ertrag.

Sixt: –23%

Der Autovermieter Sixt wirkt auf den ersten Blick günstig, wie von der Werbung versprochen. Jedenfalls gibt es hohe Rabatte: Seit dem Höchst von 2021 ist der Kurs der Vorzugsaktien um 45% eingebrochen.

Für besonders attraktiv hält FPM-Fondsmanager Hoffmann genau diese Vorzugstitel von Sixt. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis steht knapp unter 10. Ausserdem gibt es 5,8% Dividendenrendite. Für 2026 liegen die Schätzungen bei einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 6 und fast 9% Dividendenrendite. Doch die günstige Bewertung hat Gründe.

Zuerst lähmte die Pandemie das Geschäft. Dann belasteten sinkende Restwerte, insbesondere bei Elektroautos, das Unternehmen. Das gilt vor allem für die USA, wo es expandiert und bereits an vielen Flughäfen mit Mietstationen vertreten ist. In Europa gebe Sixt die Autos oft zu vorher vereinbarten Festpreisen an die Hersteller zurück, sagt Hoffmann. In den USA sei das bislang nicht möglich. Er geht davon aus, dass die Gesellschaft künftig weniger Elektroautos kaufen wird, um den stark sinkenden Restwert dieser neuen Fahrzeugtypen zu vermeiden. Dennoch werde ihr Geschäft durch diese Problematik schwankungsanfälliger.

Das Unternehmen selbst warnte bei der Vorstellung des Halbjahresberichts, dass Restwertverluste auch die zweite Jahreshälfte belasten würden. Aufgrund des Themas senkte es das untere Ende der Prognosespanne für den Vorsteuergewinn im laufenden Jahr von 350 auf 340 Mio. € (oberes Ende der Spanne: unverändert 390 Mio. €). Die Sixt-Aktie ist somit eine durchaus risikoreiche Wette darauf, dass das Unternehmen das Restwertproblem bald unter Kontrolle bekommt.

Die schwankenden Prognosen zum Geschäftsverlauf in den vergangenen zwölf Monaten hätten zu einem Vertrauensverlust der Investoren geführt, kritisierten die Aktienanalysten Michael Kuhn und Lars Vom-Cleff von der Deutschen Bank in ihrer Einschätzung vom 8. August. Allerdings geben sie der Hoffnung Ausdruck, dass bei der Anlegerwahrnehmung und auch beim Aktienkurs bald ein Tief- und Wendepunkt erreicht werden könnte.

Den Gründersöhnen Alexander und Konstantin Sixt attestiert Fondsmanager Hoffmann trotz der genannten Probleme und des Anlegervertrauensverlusts einen recht guten Start als Co-Chefs seit Mitte 2021, angesichts der schwierigen Umstände. Die beiden führen dem Vernehmen nach den fordernden Führungsstil von Vater Erich fort. Kritiker sehen diesen Stil als Grund für die Fluktuation unter Führungskräften.

Geld verschenkte die Familie noch nie gern. Zu Erichs Regierungszeiten durften Besucher des Chefs an der Rezeption im Hauptgebäude manchmal lange warten: Die Angestellten dort mussten nebenbei auch noch Mietwagenschlüssel und -papiere an die Sixt-Kunden ausgeben. Die Unnachgiebigkeit ist offenbar geblieben. Ob die Söhne auch den Erfolg des Familienunternehmens fortsetzen können, müssen sie erst noch beweisen.

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