Weil die Absatzzahlen für Batteriefahrzeuge einbrechen, werden bei VW und Porsche Stellen und Produktionsschichten gestrichen. Hersteller wie Mercedes oder BMW setzen ihrerseits wieder stärker auf den Verbrennermotor.

Man kann Herbert Diess vieles vorwerfen, nicht aber fehlende Bescheidenheit. Bis «spätestens 2025» wollte der Manager Deutschlands grössten Autokonzern, Volkswagen, zum Weltmarktführer in der Elektromobilität umbauen. Das versprach er einmal vollmundig. Doch der Plan ging nicht auf: Diess hat das Unternehmen längst verlassen, und sein Nachfolger im Amt, Oliver Blume, kann von der Marktführerschaft weiterhin allenfalls träumen.

Zwar hat VW im vergangenen Jahr über alle Marken hinweg fast 800 000 Elektroautos verkauft und damit so viele wie nie zuvor. Die Batterieautos entsprachen allerdings nur gut acht Prozent der gesamten Verkäufe des Autokonzerns. Was wiederum bedeutet: Geld verdient hat VW in jüngster Zeit vor allem mit seinen Verbrennermodellen. Die Hoffnung, dass sich daran so schnell etwas ändert, ist gering. Denn die Wolfsburger mussten jüngst mit heftigen Absatzeinbrüchen kämpfen.

1000 Jobs fallen weg

In seinem Zwickauer Werk will Volkswagen deshalb jetzt sogar Schichten und Stellen streichen. Bis zu 1000 befristete Arbeitsverträge, die Ende des Jahres auslaufen, sollen nicht verlängert werden. «Uns fehlen neue Bestellungen», sagte der Konzernsprecher Christian Sommer der «Freien Presse». Es wäre dabei nicht der erste Jobabbau im ostdeutschen Werk, das 2022 vollständig auf die Produktion von Elektroautos umgestellt wurde. Bereits Ende des vergangenen Jahres hatte Volkswagen dort 800 befristete Verträge gestrichen.

Nach den Werksferien sollen zudem Produktionslinien in Zwickau auf einen Zweischichtbetrieb ohne Nachtschicht umgestellt werden, weil die Nachfrage so gering sei. Ähnliche Überlegungen stellt derzeit auch das VW-Tochterunternehmen Porsche an: Weil die Nachfrage nach dem elektrischen Vorzeigemodell Taycan schwächelt, will der Premiumhersteller in seinem Stammwerk Zuffenhausen Produktionsschichten streichen.

Derzeit würden Verhandlungen zwischen Vorstand und Betriebsrat laufen, berichtet das Magazin «Auto Motor und Sport». Immerhin: Stellenstreichungen wie beim Mutterkonzern Volkswagen sind bei Porsche nicht geplant – zumindest vorerst.

Absätze brechen ein

Tatsächlich machen deutsche Käufer neuerdings einen weiten Bogen um die Elektrofahrzeuge. Das zeigt eine neue Statistik des Kraftfahrtbundesamtes: Im Juni wurden demnach rund 43 500 Neuwagen mit Batteriebetrieb zugelassen und damit 18 Prozent weniger als im Vorjahresmonat. In der ersten Jahreshälfte lag der Absatzrückgang bei 16,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Gründe für die Elektro-Krise der deutschen Autokonzerne gibt es mehrere. «Die Automobilhersteller haben einerseits offensichtlich die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen überschätzt», sagt Joachim Ragnitz, Ökonom des Ifo-Instituts in Dresden. Zu hohe Produktionskapazitäten müssten deshalb jetzt abgebaut werden. «Andererseits stehen die deutschen Konzerne auch unter Druck, weil chinesische Konkurrenten wie BYD ihre Modelle zu deutlich günstigeren Preisen anbieten.»

Dramatisch für den Industriestandort seien der Stellenabbau und Schichtkürzungen in deutschen Werken bislang zwar noch nicht. «Sollte die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen aber nicht wieder steigen, besteht die Gefahr, dass auch Zulieferfirmen in Mitleidenschaft gezogen werden», sagte Ragnitz der NZZ.

Letztlich handele es sich bei der Absatzkrise der deutschen Autokonzerne auch um eine politisch ausgelöste Entwicklung, sagt der Ökonom und Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer. «Wirtschaftsminister Robert Habeck hat vergangenes Jahr die Kaufprämie für Elektroautos von heute auf morgen gestrichen und damit den Hochlauf der Elektromobilität über Nacht zerstört», sagte Dudenhöffer der NZZ.

Auch Brüssel trage eine Mitschuld an der deutschen Autokrise. «Die Entscheidung der EU-Kommission, günstige chinesische Elektroautos mit Strafzöllen zu belegen, beruht auf einer irren Vorstellung des Marktes.» Damit würden nicht nur Käufer davon abgehalten, preiswerte Fahrzeuge zu erstehen. «Auch der deutschen Industrie wird geschadet, denn die aus China importierten Fahrzeuge stammen zum grossen Teil aus der Produktion europäischer Hersteller.»

Konzerne steuern um

Angesichts dieser Entwicklung ist in den Vorstandsetagen der deutschen Automobilproduzenten deshalb eine strategische Kehrtwende zu beobachten. So hat der Premiumhersteller Mercedes-Benz, der ebenfalls unter Absatzproblemen leidet, sein Ziel kassiert, ab 2030 ausschliesslich Elektrofahrzeuge zu verkaufen.

Stattdessen kündigte der Konzernchef Ola Källenius an, wieder mehr Geld in die Entwicklung und Produktion von Verbrennermotoren zu stecken. Mercedes-Benz werde noch «bis weit in die dreissiger Jahre» Verbrennungsmotoren bauen, sagte er im Interview mit der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung».

Der Konkurrent BMW konnte den Absatz seiner Elektrofahrzeuge in letzter Zeit zwar deutlich steigern. Vollständig auf die Stromautos setzen möchte der Hersteller aus München aber auch nicht. Anders als Volkswagen oder Mercedes-Benz hatten die Bayern allerdings auch nie der Verbrennertechnologie abgeschworen. Man werde Benzin- und Dieselmotoren so lange anbieten, wie es dafür einen Markt gebe, hatte der BMW-Chef Oliver Zipse immer wieder beteuert.

Bei Volkswagen hofft man jetzt darauf, dass der Staat einspringt und dabei hilft, die Elektro-Krise zu überwinden. Die Betriebsratschefin Daniela Cavallo forderte unlängst die Bundesregierung dazu auf, ihr Subventionsprogramm wieder aufzunehmen: «Wer Prämien verspricht, sollte langfristig dazu stehen», sagte sie dem «Spiegel».

Andernfalls sei das von der Regierungskoalition angestrebte Ziel, bis 2030 rund 15 Millionen Elektroautos auf Deutschlands Strassen zu bringen, unerreichbar.

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