Freitag, November 22

Die Fondsgesellschaft profitiert vom ETF-Boom, will die Kosten weiter senken und bei margenstarken Produkten noch zulegen. Die Aktien von DWS besitzen daher nicht nur Momentum, sondern bieten auch eine hohe Dividendenrendite – und sind die bessere Wahl als die Aktien der Mutter.

«Kosten sind mein Lieblingsthema», sagt Markus Kobler. Der Finanzchef der Fondsgesellschaft DWS hat bei der Vorstellung der Zahlen zum dritten Quartal eine gute Nachricht für die Öffentlichkeit und für die Investoren: 75% der Gesamtkosten hält er für grundsätzlich beeinflussbar, also natürlich: für reduzierbar. Weil sie nicht von Externen bestimmt werden (wie etwa das Honorar der Rechnungsprüfer) und Einsparungen hier auch nicht die erbrachte Leistung senken müssen. Kostendisziplin verspricht und fordert Kobler etwa bei Gehältern, Büromieten, Marketing und Geschäftsreisen. Zum Beispiel möchte die Deutsche-Bank-Tochter nun lieber eigene Talente fördern und Stellen intern besetzen, anstatt teuer einzukaufen.

Cost-Income Ratio ist das Mass aller Dinge

Kobler will sich an der versprochenen Kostendisziplin messen lassen. Genauer gesagt: am Verhältnis von Aufwand und Ertrag (Cost-Income Ratio, CIR). Es lag im dritten Quartal auf bereinigter Basis bei 61,7 nach 63,1% im Vorjahresquartal. Das bedeutet, dass DWS für jeden verdienten Euro 61,7 Cent ausgeben musste. Als Ziel für das Gesamtjahr strebt DWS das untere Ende der Spanne von 62 bis 64% an. 2025 soll das CIR unter 59% liegen und der Gewinn je Aktie bei 4.50 €.

DWS-Chef Stefan Hoops nennt die Ziele selbst ambitioniert. Er will sich für höhere Aufgaben im Deutsche-Bank-Konzern empfehlen, munkelt man in der Szene.

Sollten Hoops und Kobler es schaffen, dann wäre DWS deutlich besser aufgestellt als der Marktdurchschnitt der Asset-Manager, der nach einer Studie der Strategieberatung Zeb im vergangenen Jahr im Mittel auf ein CIR von 70% kam. Einer von mehreren Gründen für The Market, sich die Aktien von DWS und der Mutter Deutsche Bank genauer anzuschauen.

«Die Vermögensverwalter konzentrieren sich auf die Kosten, weil sie zuletzt auf der Ertragsseite nicht viel gewinnen konnten», sagt Zeb-Partner Carsten Wittrock. So sei das verwaltete Vermögen der weltweit vierzig untersuchten Asset-Manager in den vergangenen fünf Jahren zwar jährlich 8,8% gestiegen, der Gewinn aber nur 0,7%.

Je grösser, desto besser

Vor allem mittelgrosse Vermögensverwalter tun sich schwer, die Kosten in den Griff zu bekommen. Die Deutsche-Bank-Tochter DWS gehört genau in jene Grössenkategorie, sticht aber wie bereits erwähnt positiv heraus. Sie hat zuletzt mit einem verwalteten Vermögen von 963 Mrd. € zwar einen Rekord gemeldet, die Platzhirsche weltweit sind aber US-Häuser wie BlackRock, Vanguard und Fidelity Investments. Sie kommen auf das Vier- bis Zehnfache an verwaltetem Vermögen. Selbst in Europa schafft es Deutsche Bank, die das Geschäft von DWS voll konsolidiert, lediglich auf Rang acht.

Viel hilft viel, gilt in der Fondsbranche: Das Geschäft ist gut skalierbar, geprägt von Grösseneffekten und einer geringen Marge. Bei aktiv verwalteten Aktienfonds beträgt die Marge bei DWS zum Beispiel 70 Basispunkte, 0,07% des verwalteten Kapitals. Für alternative Investmentfonds sind es noch 50 Basispunkte und bei Multi-Asset-Produkten 40. Bei einem Standard-ETF liegt sie hingegen bei nur 16 Basispunkten, doch genau dieser Bereich floriert.

Der Boom bei ETF hält an

Seit Jahren steigt das Interesse von Anlegern weltweit, ihr Geld über einen kotierten Fonds (Exchange Traded Funds, ETF) passiv anzulegen, weshalb die Marge der Anbieter stetig sinkt. Das Fondsvolumen der Indexfonds ist gemäss Daten von Morningstar im dritten Quartal weltweit auf den Rekordwert von 13,4 Bio. $ gestiegen. Das sind 3,7 Bio. $ mehr als noch im Vorjahresquartal, wovon 1,3 Bio. $ neue Gelder waren, den Rest haben die steigenden Märkte beigetragen.

Aus den Quartalszahlen von DWS lässt sich der unaufhaltsame Siegeszug der ETF ablesen. Das Segment Passive legte deutlich zu. Das verwaltete Vermögen der relativ margenstarken Alternatives galt vor zwei Jahren noch als Hoffnungsträger, zeigt jetzt aber Mittelabflüsse, so wie auch die aktiven Aktienfonds und die Multi-Asset-Produkte. Ausser ETF wachsen nur Anleihefonds deutlich, aber die bringen teils noch geringere Gebühren ein als ETF.

«Die Mittelzuflüsse und Abflüsse schwankten in der Vergangenheit mehr als üblich in der Branche, mittlerweile hat DWS dies aber im Griff», sagt Dieter Hein, Finanzanalyst von AlphaValue. Im vierten Quartal fliesse ordentlich Geld in die Alternatives, ist man sich bei DWS sicher. Das könne man bereits durch die bisherigen Mittelzuflüsse erahnen und liesse sich auch an Mandaten von Grosskunden ableiten, die einen gewissen Vorlauf haben.

Stark im Heimatmarkt und bei Privatanlegern

Die Deutsche-Bank-Tochter vertreibt ihre Indexfonds unter der Marke Xtrackers. Ein Drittel des verwalteten Vermögens von DWS steckt in passiven Fonds, Tendenz steigend. Das Fondshaus hat gemäss eigenen Angaben einen ETF-Marktanteil in Europa von 10,7% und im Neugeschäft jüngst 13,5% erreicht. Branchenexperten schätzen allein den deutschen ETF-Markt auf 400 Mrd. bis 500 Mrd. €, das ist knapp ein Drittel des europäischen Markts. Fast die Hälfte der DWS-Kunden stammen aus dem Heimatmarkt.

Die Fondsgesellschaft bedient Privatanleger und institutionelle Kunden wie Versicherungen, Pensionskassen oder Kirchen etwa zu gleichen Teilen. Das recht grosse Retailgeschäft ist eine Stärke. Denn die Massenkundschaft schaut weniger genau auf Gebühren und Wertentwicklung und ist zudem weniger wechselwillig als die Grossanleger, sagt Analyst Hein. Ausserdem sind die Gebühren am Massenmarkt weniger stark an die Wertentwicklung der Fonds gebunden als bei den Profis. Als Vertriebsweg nutzt DWS die Filialen der Deutschen Bank, arbeitet aber auch mit dem Strukturvertrieb DVAG (Deutsche Vermögensberatung) und mit Online- sowie Neobrokern zusammen. Mittlerweile kämen 30% der Zuflüsse über digitale Plattformen ins Haus, heisst es aus dem Unternehmen.

Immer ein neues Anlagethema nötig

Einige der Fondsflaggschiffe von DWS existieren seit Jahrzehnten. Der DWS ESG Akkumula wurde 1961 aufgelegt und der DWS Vermögensbildungsfonds I 1970, also lange bevor der Dax 1988 ins Leben gerufen worden ist. Trotzdem muss DWS immer neue Fonds auflegen, um dem Vertrieb eine Story für den Verkauf an die Hand zu geben. Zuletzt waren etwa künstliche Intelligenz, gleichgewichtete Indizes und japanische Value-Titel Themen für Fondsstrategien.

Konsolidierung schreitet voran

Auch Übernahmen sind ein Mittel, um mehr Kundenkapital zu akquirieren und dadurch hoffentlich die relativen Kosten zu senken. CEO Hoops schaut sich dafür in Asien um.

Mehreren Presseberichten zufolge sucht zwar die Allianz für ihre Asset-Management-Sparte Allianz Global Investors (AGI) gerade einen Käufer oder einen Partner. Dass DWS hier zum Zug kommt, halten Insider aber für eher unwahrscheinlich. Zu unterschiedlich seien die Kulturen, die Ausrichtungen, die Kunden, von der IT gar nicht zu reden. Die Frage sei auch, wie weit eine der beiden deutschen Rivalen bereit wäre, die Kontrolle abzugeben.

In den USA und Europa sind Übernahmegelegenheiten rar. «Alle Fondsgesellschaften wollen wachsen, ihren Vermögensverwalter verkaufen will kaum eine Bank oder eine Versicherung», sagt Analyst Hein. Bei der laufenden Konsolidierung der Branche ging DWS bisher weitgehend leer aus. Jüngstes Beispiel: BNP Paribas übernimmt Axa Investment Managers für 5,1 Mrd. €, sollten die Behörden nichts mehr dagegen haben. BNP Paribas wäre damit in Europa die Nummer zwei hinter Amundi, dem Asset-Manager von Crédit Agricole. Amundi wiederum hat in der Vergangenheit unter anderem Lyxor geschluckt.

Da Hoops zuletzt nicht fündig geworden ist, gab es im Juni zur regulären Dividende von 2.10 € noch eine Sonderdividende von 4 € je Aktie obendrauf. Denn DWS hat die nicht benötigen Mittel an ihre Aktionäre ausgeschüttet, was auch den deutlichen Kursrückgang erklärt an dem Tag, als die Aktien ex Dividende gehandelt wurden. Die Ausschüttungsquote liegt bei 65%.

Grösster Aktionär ist die Deutsche Bank, die 79,5% der Anteile an ihrer Fondstochter hält, zweitgrösster Anteilseigner ist Nippon Life Insurance mit 5%. Entsprechend gering ist der Streubesitz. Eine kurstreibende Übernahmefantasie oder einen Aktienrückkauf wird es bei DWS also nicht geben.

DWS hat sich im vergangenen Jahr erstmalig von einer Rating-Agentur einstufen lassen. Moody’s vergab das Rating A2, eine gute bis befriedigende Bonitätsnote. Damit ist die Fondsgesellschaft den Wünschen einiger Grosskunden nachgekommen. Das Rating könnte sie aber auch nutzen, falls sie eine Anleihe begeben will, um damit dann einen künftigen Zukauf zu finanzieren.

Aktien attraktiv und im Aufwärtstrend

Die Aktien von DWS locken mit einer Dividendenrendite von 5,3%. Dazu sind die Titel auf Basis der für 2025 geschätzten Gewinns mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 9 bewertet. DWS hat sich als Ziel für 2025 einen Gewinn je Aktie von 4.50 € gesetzt. Bei Bloomberg erfasste Analysten erwarten im Mittel 4.20 € und für das laufende Jahr 3.55 €. 2023 lag der Gewinn noch bei 2.76 €. Die Aktien befinden sich im Aufwärtstrend und lagen im jüngsten Momentum Screen von The Market mit einer relativen Stärke nach Levy von 108,4 im SDax auf Rang 4. Das macht die Titel aus Sicht von The Market unter dem Strich attraktiv.

«Die Deutsche Bank hat ihre Fondstochter DWS 2018 an die Börse gebracht, damit sie von deren Bewertung profitieren kann», sagt AlphaValue-Analyst Hein. Das Kalkül ist nur bedingt aufgegangen. Denn DWS ist niedriger bewertet als grosse europäische Wettbewerber, zum Beispiel gemessen am KGV. Der weiterhin sehr hohe Aktienanteil der Deutschen Bank dürfte ein wichtiger Grund dafür sein.

DWS-Mutter Deutsche Bank selbst sieht sich als «Globale Hausbank» und steht heute wesentlich besser als vor ein paar Jahren da. Ziele für 2025 sind ein Ertragswachstum von 5,5 bis 6,5%, ein CIR von unter 62,5% und eine Eigenkapitalrendite nach Steuern von mehr als 10%. Was sich die Deutsche Bank mittelfristig für die nächsten fünf Jahre ab 2026 vorgenommen hat, hat sie noch nicht kommuniziert.

Bankbilanz schwer zu durchleuchten

Finanzanalyst Jochen Schmitt vom Bankhaus Metzler ist jedoch skeptisch: «Grosse Ergebnisverbesserungen sind in den nächsten zwei Jahren nach unserer Einschätzung eher nicht zu erwarten, abgesehen von einem voraussichtlichen Rückgang der Kosten für Rechtsstreitigkeiten gegenüber dem Jahr 2024.» Das spricht nicht gerade dafür, jetzt auf die Aktien der DWS-Mutter zu setzen.

Im dritten Quartal legte die Bank zudem 494 Mio. € für faule Kredite zurück und damit rund doppelt so viel wie im Vorjahresquartal. Für das Gesamtjahr rechnet das Kreditinstitut sogar mit einer Risikovorsorge von etwa 1,8 Mrd. €, da sich die Lage bei Gewerbeimmobilien verschlechtert habe. Positiv: Insbesondere durch die Auflösung von Rückstellungen im Zusammenhang mit Rechtsstreitigkeiten mit früheren Postbank-Aktionären von 440 Mio. € konnte die Bank einen kräftigen Gewinnsprung verzeichnen. Ohne Berücksichtigung dieser Auflösung stieg der Vorsteuergewinn auf den Rekordwert für ein drittes Quartal von 1,8 Mrd. € – ein Plus von 6%.

Grundsätzlich gilt jedoch: «Das Investment-Banking-Geschäft ist sehr schwer zu prognostizieren, insbesondere das Handelsergebnis», sagt Analyst Schmitt über den Geschäftsbereich der Deutschen Bank. Ins gleiche Horn stösst der bekannte Fondsmanager Bert Flossbach, der Bankaktien generell eher meidet. Es sei unglaublich schwer, eine Bankbilanz zu durchleuchten. «Die Risiken werden immer erst bekannt, wenn es schon knallt», so Flossbach im Interview mit The Market.

Schmitt befindet die harte Kernkapitalquote der Bank von 13,8% zwar für solide, «allerdings ist sie bei den ambitionierten Ausschüttungsplänen auch nicht übermässig komfortabel.» Zum Vergleich: Commerzbank hat eine CET-1-Quote von 14,8%. Ihre Ertragslage ist zudem eher prognostizierbar.

Sobald im Finanzsystem mehr Stress auftritt und die Kosten für Absicherungsgeschäfte gegen Zahlungsausfälle bei Banken steigen, steht die Deutsche Bank exponiert da: Die Kosten für solche Absicherungen (Credit Default Swaps, CDS) sind bei keiner der anderen Grossbanken in Nordamerika und Europa höher, die in der Standardübersicht des Datendienstes Bloomberg erfasst sind.

DWS wirkt da deutlich berechenbarer und risikoärmer.

Exit mobile version