Mittwoch, November 27

In einem Ermittlungsverfahren haben die deutschen Behörden im vergangenen Sommer 35,5 Tonnen Kokain konfisziert und vernichtet. Die Fahnder sprechen von einer «neuen Dimension».

Einen «präziser Kinnhaken, der den Drogenbossen weh tut», nennt es der Justizminister von Nordrhein-Westfalen, Benjamin Limbach: Im vergangenen Jahr haben die deutschen Drogenfahnder in einem einzigen Ermittlungsverfahren 35,5 Tonnen Kokain sichergestellt, in einem Wert von 2,6 Milliarden Euro – so viel noch nie wie zu vor innerhalb eines Verfahrens.

In mehreren Bundesländer wurde ermittelt, mehrere Personen konnten festgenommen werden. Am Montag haben die involvierten Behörden von Bundesebene und aus den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg über die «Operation Plexus» informiert.

Ausgangspunkt der Ermittlungen war ein Hinweis aus Kolumbien, wie Julius Sterzel, Staatsanwalt aus NRW, den Medien sagte. Im Mai hatten die dortigen Behörden die deutschen Kollegen in Bogotà auf eine Firma in Mannheim aufmerksam gemacht, die angab, von Kolumbien aus mit Kernseife beliefert werden sollte.

Im kolumbianischen Hafen konnte allerdings kein Kokain sichergestellt werden. Doch die Ermittlungen in Deutschland zeigten, dass es sich bei der Firma um eine Scheinfirma handelte, die weder über Büroräumlichkeiten noch Lagerräume verfügte. In der Folge stiessen die Behörden auf hundert weiterer solcher Firmen mit Verbindung zum Mannheimer Unternehmen. Sie schmuggelten laut den Ermittlungsergebnissen Kokain aus Lateinamerika, versteckt zwischen legalen Gütern wie Obst oder Sesam. Hilfe erhielten sie laut Staatsanwalt Sterzel aus der Türkei.

Waffen, Goldbarren und ein Porsche

Insgesamt haben die Behörden im Sommer 2023 laut Sterzel neun See-Container, die Kokain enthielten, an verschiedenen Standorten identifiziert. Drei Tonnen wurden in Ecuador konfisziert, acht Tonnen in Rotterdam, 25,4 Tonnen in Hamburg, 12,5 Tonnen davon in einem einzigen Schlag. Dabei handelt es sich um den zweitgrössten innerdeutschen Kokainfund jemals, wie es an der Medienkonferenz hiess. Das Kokain sei mittlerweile vernichtet worden, und zwar in Kehrichtverbrennungsanlagen.

Laut dem Leiter des Zollfahndungsamt Stuttgart, Roland Lenz, war es Ziel der Operation, das freigelegte logistische Netz in Deutschland möglichst komplett auszuheben. Dies sei geglückt. Im Mai und Juni 2023 fanden Durchsuchungen in sieben Bundesländern statt, in Nordrhein-Westfalen, in Bayern, in Berlin, in Brandenburg, in Hamburg, Hessen und Niedersachsen. Bei den Durchsuchungen wurden laut Staatsanwalt Sterzel neben zwei Waffen, Laptops und Mobiltelefone auch diverse Luxusartikel beschlagnahmt. Unter anderem wurde Goldbarren, 23 000 Euro in Bar sowie ein Porsche in Wert von zirka 250 000 Euro sichergestellt.

Das gesicherte Material werde noch ausgewertet, sagte Sterzel an der Medienkonferenz. Gegen acht Personen zwischen 30 und 54 Jahre wird ermittelt, wegen des Verdachts auf «bandenmässiges Handeltreiben mit Betäubungsmittel in nicht geringer Menge». Sieben Personen wurden bisher festgenommen. Erhärtet sich der Vorwurf, drohen den Beschuldigten fünf bis 15 Jahre Freiheitsstrafe.

Rekordmengen an Kokain gelangt nach Europa

Die Rekordmenge an beschlagnahmtem Kokain kann als Symptom der Kokain-Schwemme gewertet werden, mit der Deutschland und ganz Europa seit einigen Jahren konfrontiert ist. In der EU wurden 2022 zum sechsten Mal in Folge Rekordmengen an Kokain beschlagnahmt. Auch in Deutschland ist die Menge massiv angestiegen. 2018 waren es noch 5 Tonnen Kokain, die sichergestellt wurden, 2023 waren es insgesamt 43 Tonnen.

«Wir stehen vor einer neuen Dimension der Zufuhr», sagte Roland Lenz vor den Medien. Die «Operation Plexus» habe gezeigt, dass die Drogenbanden es sich leisten könnten, Massen an Kokain zu schmuggeln. Für sie falle es somit nicht ins Gewicht, wenn einzelne Transporte bei den systematischen Zollkontrollen aufgedeckt würden.

Lateinamerika liefert das meiste Kokain nach Europa. Für die Containerschiffe aus Südamerika ist der Hamburger Hafen oft die letzte Station innerhalb der EU. Der Hafen Hamburg ist der grösste Seehafen Deutschlands und der drittgrösste Containerhafen in Europa, nach Rotterdam und Antwerpen. Dort wurden die Sicherheitsvorkehrungen aufgrund von gewaltsamen Revierkämpfen zwischen Drogenbanden verschärft. Die Hamburger Hafenbetreiber haben aufgrund der neusten Entwicklungen die Sicherheit verstärkt.

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