Sonntag, Oktober 6

Deutsche Winzer machen nicht nur mit Riesling Furore, sondern beherrschen auch die Produktion von Rotweinen immer besser. Aus Spätburgunder und Lemberger entstand 2021 und 2022 viel Gutes, doch ein paar Winzer gaben ihren Weinen sogar noch mehr Zeit zur Reife.

Grosse Burgunder von der französischen Côte d’Or haben in den letzten Jahren leider erheblich an Preis zugelegt, weshalb die deutschen Vertreter des Pinot Noir mehr denn je in den Fokus rücken.

Doch nicht nur die vergleichsweise günstigen Tarife sprechen dafür, sich bei den Winzern aus deutschen Anbaugebieten umzuschauen, auch mit der Qualität geht es weiter aufwärts – wie die gerade beendete Premierenverkostung des deutschen VDP bewies. Etablierte Erzeuger wie Fürst (Franken) oder das Rheingauer Weingut Kesseler machen schon lange von sich reden, doch es gibt von Jahr zu Jahr mehr zu entdecken. Christmann aus der Pfalz ist mir mit seinem roten Idig ebenso positiv aufgefallen wie Luckert aus Franken. Beide zeigen, dass die Epoche der deutlichen Holzprägung längst der Vergangenheit angehört, Finesse steht mehr denn je im Vordergrund.

Die Sonnenberge von Jülg

Neulich war ich mal wieder zum Essen in der Weinstube der Familie Jülg. Es ging um pfälzisch-elsässische Küche, und ich trank zum Kalbskopf ausschliesslich Weissburgunder. Doch der Spätburgunder ist, neben dem Chardonnay, vielleicht noch eher das Aushängeschild des Gutes, das als einer der Aufsteiger des Pfälzer Weinbaus gilt. Den Sonnenberg Spätburgunder Grosses Gewächs gibt es übrigens gleich zweimal; noch besser als der KB (Kammerberg) gefiel mir der KT (Kostert).

Hubers Alte Burg aus Baden

Lange Jahre war das Weingut Huber allein auf weiter Flur, was grossen badischen Chardonnay und Spätburgunder anging, mittlerweile haben andere Winzer aufgeholt. Doch Massstäbe setzt man hier immer noch. Einige der Weine des Winzers Julian Huber wirken noch sehr verhalten, aber Substanz zeigten sie ausnahmslos. Die Lage Alte Burg ist vielleicht nicht so bekannt wie der Bienenberg respektive der Schlossberg, aber sie gefiel mir mit ihrer feinen, nachhaltigen Art.

Der Eichberg der Kellers

Beim Weingut Keller bekommt der Kunde auch gleich etwas Gutes zu essen – das Restaurant «Schwarzer Adler» ist berühmt, man kann sehr angenehm übernachten und auch noch in einer der besten Weinkarten Badens schwelgen. Die hier erzeugten Spätburgunder, aus Schlossberg, Kirchberg und Bassgeige, sind über die Jahre immer feiner geworden, während der Holzeinsatz zurückging. Besonders gut hat mir in diesem Jahr der Eichberg (Jahrgang 2022) gefallen.

Der Lemberger von Jochen Beurer

Muss es immer Spätburgunder sein? Keineswegs. Der württembergische Winzer Jochen Beurer macht auch aus vielen anderen Sorten Bemerkenswertes – etwa aus Sauvignon Blanc. Sein Lemberger aus dem Mönchberg Schalksberg, ein 2021er, besitzt Noten von getrockneten Blaubeeren, dazu etwas Tabak, ist sehr fest und gleichzeitig fein, gewinnt mit etwas Luft enorm an Saftigkeit. Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis!

Der Heerkretz von Wagner-Stempel

Unter den rheinhessischen Rieslingerzeugern ist das Weingut Wagner-Stempel eine feste Grösse. Wie gut auch der hier erzeugte Spätburgunder der Lage Heerkretz ausfallen kann, weiss noch nicht jeder. Fest, straff, mineralisch, ganz und gar unangestrengt fällt der 2022er Heerkretz aus.

Rotwein von der Mosel

Ganz früher dominierte der Rotwein an der Mosel, dann setzte man für Jahrhunderte fast ausschliesslich auf Riesling und verbot sogar die Pflanzung von rotbeerigen Sorten. Inzwischen aber Rotwein wieder zurück – und nun auch als Grosses Gewächs. Das allererste (!) dieser Spitzenkategorie, ein 2022er Abtsberg, stammt vom Weingut Maximin Grünhaus an der Ruwer, ist elegant, fein, nicht extrem lang, aber sehr vielversprechend.

Der Saumagen von Rings

Der Kallstadter Saumagen gilt als Prestige-Lage dieses Weingutes, das sich gleichermassen mit Rot- wie mit Weisswein unter den besten Pfälzer Erzeugern etabliert hat. Der 2022er Saumagen aus Spätburgunder fasziniert mit einer offenen Frucht und Anklängen an Holunder und Tabak, ist wunderschön kühl. Etwas mehr Holz zeigt der Felsenberg des gleichen Erzeugers, der bezüglich Komplexität nur knapp zurückliegt.

Lemberger aus dem Michaelsberg

Fast klammheimlich hat sich das Weingut Dautel an die deutsche Spitze emporgearbeitet – mit Chardonnay ebenso wie mit Lemberger. Der 2021er aus der Lage Cleebronner Michaelsberg ist sehr typisch für letztere Sorte und erfreulich offen. Noten von schwarzen Beeren, geriebenem Stein und etwas Tabak ergänzen die straffe, mineralische Art, die dieser Lemberger am Gaumen zeigt. Teuer ist er zum Glück auch nicht!

Im Grossen Garten von Knipser

Zeit lassen sich die Knipsers aus der Pfalz schon lange mit ihren Weinen, vor allem mit den Spätburgundern. Während die meisten Kollegen gerade ihre 2022er zeigen (und verkaufen), werden die hiesigen Grossen Gewächse erst nach vier Jahren der Öffentlichkeit präsentiert. Die Eleganz, die sich beispielsweise beim 2020er (!) aus der Lage Im Grossen Garten zeigt, ist folglich ebenso bestechend wie die Nachhaltigkeit.

Der Silberberg von Meyer-Näkel

In der verheerenden Ahrflut verloren die Näkels viel. Inzwischen aber hat sich dieses traditionsreiche Gut erhoben wie Phoenix aus der Asche, ist stärker denn je. Man merkt es bei den fünf roten Grossen Gewächsen des Jahrgangs 2022. Während der Silberberg-Spätburgunder offen ist mit Beerennoten und zupackend-mineralischer Art, besitzt der Kräuterberg eine wunderschön offene Frucht, und der Sonnenberg ist kompakt mit viel Schmelz.

Ein Blaufränkisch aus dem Norden Badens

Eigentlich ist Blaufränkisch ja nur ein Pseudonym für Lemberger; gebräuchlich ist der Begriff vor allem in Österreich. Im badischen Weingut Seeger indes steht man zu dieser Sorte und dieser Bezeichnung, vinifiziert einen tiefgründigen, saftigen Rotwein. Gewiss, er zeigt eine vom Holz beeinflusste Aromatik, aber das ist Stil des Hauses und wird von viel Frucht und Tiefe kongenial ergänzt.

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