Donnerstag, Oktober 3

Die deutsche Regierung hoffte lange, Iran durch Handel zu mässigen. Dafür ignorierte sie die Entwicklung im Land. Die Opposition kritisiert diese Politik nun als naiv.

Früher klangen deutsche Politiker hoffnungsvoll, wenn sie über Iran sprachen. Im Juli 2015, als die fünf Vetomächte im Uno-Sicherheitsrat und Deutschland das Atomabkommen mit Iran unterzeichneten, nannte der damalige Aussenminister und heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Vereinbarung «historisch».

Es sei gelungen, eine politische Lösung für einen brandgefährlichen Konflikt zu finden, der die Welt bereits mehrfach an den Rand einer militärischen Auseinandersetzung gebracht habe, schrieb er in einem Gastbeitrag für die «Frankfurter Allgemeine Zeitung». Die damit verbundene Öffnung werde, da sei er sich sicher, «die Wirtschaft und die Gesellschaft Irans tiefgreifend verändern und könnte zugleich ein neues Kapitel im Verhältnis Irans zum Westen aufschlagen».

Mittlerweile klingen deutsche Politiker anders. Am Mittwoch verurteilte der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz den Raketenangriff Irans auf Israel «aufs Schärfste». Iran riskiere damit, die ganze Region in Brand zu setzen. Dies gelte es unter allen Umständen zu verhindern, schrieb er auf der Plattform X. Aussenministerin Annalena Baerbock forderte Iran auf, den Angriff sofort einzustellen. «Er führt die Region weiter an den Abgrund.» Schon in den vergangenen Wochen mahnte Baerbock die Iraner zur Zurückhaltung.

In Berlin hoffte man lange, dass sich Irans Regime durch Annäherung mässigen lassen würde. An dem Atomabkommen hielt die Regierung auch dann noch fest, als sich die USA 2018 davon zurückzogen. Das Abkommen sei nicht tot, sagte der damalige deutsche Aussenminister Heiko Maas. Er hoffte weiter auf Irans Kooperationsbereitschaft: «Letztlich wird auch Iran ein Interesse daran haben, dass es wirtschaftliche Kontakte in die Welt hat und damit den Wohlstand in seinem Land weiterentwickeln kann.»

Bei Irans Bewaffnung schaute man nicht so genau hin

Schon damals gab es allerdings klare Signale, dass diese Hoffnung trog. Seinen Wohlstand wollte Iran zwar gerne mehren, allerdings hielt es weiter an seinem Atomprogramm und auch seiner Feindschaft gegenüber Israel fest. Deshalb stuften die Amerikaner die Revolutionswächter schon 2019 als Terrororganisation ein. Die EU und Deutschland blieben grundsätzlich bei ihrem Kurs, trotz leichten Verschärfungen der Sanktionen.

Selbst als die Internationale Atomenergiebehörde im vergangenen Jahr meldete, ihre Inspektoren hätten in Iran nahezu atomwaffenfähiges Uran entdeckt, hatte das für die deutsche Iranpolitik keine dramatischen Folgen. Man hielt weiter am bisherigen Kurs fest. Baerbock hob damals hervor, «wie wichtig es ist, dass es zu keiner Eskalation kommt». Die Entdeckungen der Inspektoren schadeten auch dem Handel nicht. Im Januar und Februar dieses Jahres stiegen die deutschen Exporte nach Iran im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 22,1 Prozent, wie das Statistische Bundesamt mitteilte.

Der Christlichdemokrat und aussenpolitische Sprecher der Unionsfraktion Jürgen Hardt kritisiert diese Naivität nun gegenüber der NZZ deutlich. «Ich habe den Eindruck, dass es bei der Bundesregierung eine Sehnsucht danach gibt, die atomare Bewaffnung Irans dadurch zu verhindern, dass man die Gesprächskanäle offen hält», sagte er. Iran habe in den letzten zehn Jahren jedoch nie ernsthaft die Absicht gehabt, sein Atomprogramm aufzugeben. «Das Erpressungspotenzial gegen Israel und alle anderen will Teheran nicht aufgeben.»

Schon im April forderte Hardt im Bundestag einen Kurswechsel in der Iranpolitik. Die Union brachte zwei Vorlagen in den Bundestag ein, um die Revolutionswächter auf eine EU-weite Terrorliste zu setzen. Das scheiterte allerdings. Im Auswärtigen Amt sah man die rechtlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben. Feministische Aussenpolitik bedeute nicht, dass man sich das Recht zurechtbiege, sagte Baerbock der Zeitung «Die Welt». Mittlerweile sieht es das Ministerium anders und setzt sich dafür bei der EU ein.

Grundsätzlicher Kurswechsel gefordert

Laut Berichten soll es auch in Deutschland Unternehmen geben, die den Revolutionswächtern zuarbeiten. Die Einstufung der Revolutionswächter als Terrororganisation könne einen rechtlichen Rahmen schaffen, um deren Geschäfte zu durchleuchten, sagt nun der CDU-Politiker Hardt.

Zudem hätte sie aus seiner Sicht einen symbolischen Effekt: «Jungen Iranern muss klar sein, dass sie nicht in westliche Länder reisen können, wenn sie sich den Revolutionswächtern anschliessen.» Hardt geht das aber noch nicht weit genug. Er fordert einen grundsätzlicheren Kurswechsel in der Iranpolitik. «Wir sollten die Lockerungen, die mit dem Atomabkommen verbunden sind, einstellen.» Man müsse Iran in eine Situation bringen, in der das Regime gezwungen sei, Zugeständnisse zu machen, weil es sonst wirtschaftlich kollabiere.

Am Nachmittag wollte Baerbock mit Deutschlands Partnern über weitere Schritte beraten.

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