Montag, November 25

CEO Rolf Buch kündigt im Gespräch mit The Market an, die Bauleistung wieder zu steigern. Schon 2025 auch durch Holzhäuser des Start-up Gropyus. Finanzieren könnten das externe Eigenkapitalgeber. Der Ebitda-Beitrag von ausserhalb der Vermietung soll stark steigen.

Der Wohnungsverwalter Vonovia will den Wohnungsbau in den kommenden Jahren deutlich hochfahren von den zuletzt nur noch 3000 neuen Wohnungen pro Jahr, auch mit der Hilfe externer Kapitalgeber. «Das Bauen gehört zu unseren Aufgaben als Deutschlands grösster Vermieter, um etwas dafür zu tun, den Wohnungsmangel zu beheben», sagt Unternehmenschef Rolf Buch im Gespräch mit The Market. «Es ist unser Ziel, dass wir wieder mehr bauen, wenn die Rahmenbedingungen passen.» Das sei für Vonovia wichtig, «aber noch viel entscheidender für die Gesellschaft».

Zu den von Buch in der Vergangenheit genannten Baukosten von über 5000 € pro Quadratmeter einschliesslich der Grundstückskosten hatte der Wohnungsneubau in der Immobilienkrise nicht mehr gelohnt, da die zur Refinanzierung benötigten Mieten eher im Luxussegment angesiedelt gewesen wären als im bezahlbaren Bereich für Vonovias Zielgruppe. Das Unternehmen hat seit 2021 daher den Neubau stark reduziert.

Künftig werde Vonovia jedoch günstiger bauen, auch dank Innovationen wie Mehrfamilienhäusern aus Holz, die das Start-up Gropyus seriell fertigen lässt. An ihm ist Vonovia zu gut 20% beteiligt. «Wir wollen es schaffen, die Baukosten zu senken, zusammen mit Gropyus und anderen Partnern», verspricht Buch.

Gropyus, die von Delivery-Hero-Mitgründer Markus Fuhrmann geführt wird, baut derzeit ihre Produktionsanlagen auf. Durch die serielle Fertigung sollen die Baukosten pro Quadratmeter bald unter 3000 € liegen, nach Steuern, aber ohne Grundstückskosten. 2025 will das Start-up 500 bis 1000 Wohneinheiten errichten, 2026 sollen es bereits bis zu 2000 sein. Im Vollbetrieb soll die Fabrik bis zu 4000 Wohnungen fertigen. Diese Grössenordnungen sind für Vonovia durchaus signifikant.

«Wir stellen immer noch jedes Jahr zwischen 2500 und 3000 Wohnungen fertig», sagt Buch. Falls ein Teil der von Gropyus angestrebten Produktionsmengen dazukommen, wie von Unternehmensinsidern erwartet, könnte die Neubauleistung allein dadurch 2025 auf 3000 bis 4000 und 2026 auf bis zu 5000 Wohneinheiten steigen.

Ausser mit Gropyus arbeitet die Vonovia-Entwicklungstochter Buwog mit weiteren Bauunternehmen zusammen. Vonovia hat das eigene Planungsteam trotz der Krise behalten und besitzt viele Projekte, die vergleichsweise rasch realisiert werden könnten.

Neubau ist Teil der angedeuteten Wachstumsstrategie

Bei der Vorstellung des Halbjahresberichts Anfang August hatten Buch und Finanzchef Philip Grosse angekündigt, die Geschäfte jenseits der dominanten Wohnungsvermietung auszubauen. Details will das Führungsduo am 7. November vorstellen. Es werde sich um ein Paket aus teils bereits angesprochenen und teils öffentlich noch unbekannten Massnahmen handeln, hatte Grosse gesagt. Die Ausweitung des Neubaus für den Weiterverkauf ist nach Informationen von The Market eines der Elemente, teils vorfinanziert durch externe Kapitalgeber.

Der Neubau für den Verkauf («Development to sell») brachte vor der Immobilienkrise einen hohen Gewinnbeitrag. In diesem Geschäft liegen die Margen teilweise bei 20%.

Zinswende setzte die fragile Bilanz stark unter Druck

In den zurückliegenden Jahren mit dem starken Anstieg der Zinsen in der Eurozone von knapp 0% Mitte 2022 bis auf mehr als 4% stand Vonovia wegen fallender Immobilienwerte und der aufgeblähten Bilanz stark unter Druck. Die Bewertung der Immobilien ist seit Sommer 2022 um 23% gesunken, teilte Finanzchef Grosse mit.

Die gesamten Verbindlichkeiten betrugen Ende Juni 2024 fast 43 Mrd. €, ein beträchtlicher Teil davon stammt aus der Übernahme des Rivalen Deutsche Wohnen kurz vor der Immobilienkrise.

Die Krise verschlechterte eine entscheidende Finanzkennzahl von Vonovia: Die langfristigen Verbindlichkeiten von 39 Mrd. € entsprechen 48% des Immobilienwerts (Loan to Value, LTV), ein deutlicher Anstieg zu den 39% im Jahr 2020. Vonovias Zielkorridor beträgt 40 bis 45%. «Die hohen Schulden sind weiterhin das Problem von Vonovia», sagt ein Fondsmanager bei einem der zwanzig grössten Vonovia-Investoren.

Seit Jahren deutlich schlechter als der Dax

Vorübergehend sei nicht sicher gewesen, dass Vonovia ihren Refinanzierungsbedarf von mehreren Milliarden Euro pro Jahr am Finanzmarkt würde decken können, sagt ein Branchen- und Unternehmenskenner. Die Angst vor einer Notkapitalerhöhung auf bereits niedrigem Kursniveau hatte den Aktienkurs von fast 59 € im September 2020 auf nurmehr 15 € im März 2023 einbrechen lassen. «Diese Sorge ist nun ausgeräumt», urteilt der Immobilienfachmann.

Vonovia hat in den Vorjahren die Investitionen zurückgefahren und begonnen, Immobilienpakete zu verkaufen. Demnächst steht die Trennung von den mit Deutsche Wohnen übernommenen Pflegeheimen an. «Unser Ziel, im laufenden Jahr 3 Mrd. € an Verkaufserlös zu schaffen, sehe ich ganz entspannt», sagt Buch. «Beim angekündigten Verkauf der Pflegeheime kommen wir voran.»

Noch immer drohen Vonovia jedoch erheblich höhere Zinskosten. Im Durchschnitt liegen sie zum Halbjahr bei 1,8%, bei einer Laufzeit von rund sieben Jahren. Die Anleihen des Unternehmens rentieren am Markt jedoch mit mehr als 4%. Auf diesem Niveau lagen auch die Zinsen bei den jüngsten Anleihenemissionen von Vonovia.

Neue Wachstumsstrategie für die Zeit nach der Nullzinsära

Die Zinswende hat das Unternehmen dauerhaft verändert. «Die Wachstumsstrategie, Wohnungen im Paket zu kaufen und das zu Zinsen unterhalb der Bruttoanfangsrendite zu finanzieren, ist in diesem Zinsumfeld nicht möglich», sagt CEO Buch.

Buch will die Geschäfte jenseits der Vermietung wieder hochfahren, um die Belastung durch die höheren Zinskosten mehr als auszugleichen: «Vor der Zinswende kamen rund 20% unseres Ebitda aus Geschäften ausserhalb der Vermietung. Heute sind das nur noch gut 5%.» Es gehe um die Dienstleistungen rund um die Wohnung, den Neubau und die Verkäufe einzelner Wohnungen. «Der Markt kommt zurück, diese Geschäfte werden wieder zunehmen», sagt Buch. Eine Rückkehr zum alten Ebitda-Anteil wäre durchaus relevant für das Gesamtergebnis. «20% von unserem Ebitda sind ein signifikanter Betrag», sagt der CEO.

Investoren befürworten die Strategie. «Es ist wichtig, dass das Geschäft jenseits der Vermietung wieder wächst», sagt ein Analyst bei einem weiteren Top-20-Investor. «Denn die gestiegenen Zinsen, die nach und nach auch die Zinskosten von Vonovia erhöhen, könnten einen Teil der Mietsteigerungen aufzehren.»

Buch prognostiziert einen Mietanstieg von rund 4% pro Jahr. Davon kommt gut die Hälfte aus einfachen Mieterhöhungen, die durch strenge Regulierungen wie die Mietpreisbremse gedeckelt sind. Den Rest bringen kräftigere Erhöhungen nach Modernisierungen. Für einen Teil der versprochenen Mieterhöhungen muss Vonovia also investieren, was die Bilanz zunächst belastet.

Die Qualität des Portfolios gilt als vergleichsweise gut, wofür ebenfalls die (auch im Vergleich mit anderen deutschen Wohnungsverwaltern) sehr niedrige Leerstandsquote spricht.

Finanzkräftige Eigenkapitalgeber für Wachstumsprojekte

Um keine weiteren Schulden aufnehmen zu müssen, geht Vonovia bei der Finanzierung der Wachstumsprojekte neue Wege. So ist nach Informationen von mit den Plänen vertrauten Personen die Idee entstanden, zusammen mit externen Geldgebern Projekte und Grundstücke von Immobilienentwicklern zu kaufen. Als erfolgreiches Vorbild dafür gelten Deals mit der US-Beteiligungsgesellschaft Apollo, einem der grössten Investoren am Kreditmarkt, die auch bei notleidenden Krediten stark engagiert ist. Manche Projektentwickler stehen aufgrund der Immobilienkrise vor der Insolvenz. Apollo hatte 2023 bei zwei Transaktionen je 1 Mrd. € bereitgestellt und dafür Minderheitsanteile an Portfoliogesellschaften mit einigen zehntausend Wohnungen von Vonovia erhalten. «Unsere Massnahmen in den vergangenen zwei Jahren haben gezeigt, dass es möglich ist, auch auf anderem Wege als über Kapitalerhöhungen neue Mittel zu mobilisieren», sagt Buch.

Ausserdem hat Vonovia erst im Sommer 2024 gemeinsam mit dem institutionellen Immobilieninvestor HIH zwei Fonds beim Bundeskartellamt angemeldet. Deren Geschäftsgegenstand sollen der Erwerb von Projektentwicklungen und die Bewirtschaftung von Immobilien sein.

Verwaltung für Dritte als weiteres Zusatzgeschäft

Lukrativ für Vonovia wäre es in der Tat, Immobilien aus dem Besitz von Grossinvestoren wie Apollo und HIH in deren Auftrag zu verwalten. Offenbar will Buch auch dieses Geschäft ausbauen. «Wir haben mit die beste und günstigste Plattform, um Immobilien zu bewirtschaften, auch für Dritte», sagt er. «Mit attraktiven Kapitalkosten ist dieses Geschäft höchst attraktiv, und es gibt ganz viel Kapital am Markt, für das die deutsche Immobilienwirtschaft attraktiv ist.»

Analysten werten die Suche nach neuen Eigenkapitalgebern positiv. «Wenn externe Geldgeber wie HIH Neubauprojekte und Projektübernahmen von insolventen Entwicklern finanzieren oder ihre Immobilien von Vonovia verwalten lassen, wären das gute Wachstumsgeschäfte für Vonovia», sagt Simon Stippig, Aktienanalyst bei der Privatbank MM Warburg. Der Einsatz des Holzbaus von Gropyus wäre ebenfalls positiv, auch weil die Entwicklungskosten und Bauzeiten dort geringer sein sollten, urteilt er.

Buch hat Fehler eingeräumt und hat Kontrolleure zur Seite

Der Aktienkurs von Vonovia hat sich seit dem Tief vom März 2023 bereits auf mehr als 30 € verdoppelt. Eine erneute Verdopplung auf das einstige Hoch von fast 60 € sei unrealistisch, sagt ein Branchenkenner, der privat in Vonovia-Anteile investiert hat. 40 bis 45 € seien ein fairer Wert, angesichts des intakten langfristigen Trends der Urbanisierung und des Wohnungsmangels, der durch die Baukrise verschärft werde, sowie der wieder sinkenden Zinsen.

Der Branchenexperte geht davon aus, dass Vonovia auch wieder Wohnungsportfolios kaufen werde, sobald die absehbar sinkenden Zinsen dies erneut zuliessen. Allerdings sei die seit Mai 2023 amtierende Aufsichtsratsvorsitzende Clara Streit, die zuvor jahrzehntelang bei McKinsey arbeitete, deutlich kritischer und auf Risikomanagement bedachter als ihr Vorgänger, der ehemalige Deutsche-Bank-Co-Chef Jürgen Fitschen. Andere Investoren teilen diese Einschätzung.

Finanzchef Grosse gilt Anlegern ebenfalls als (auch für ihre eigenen Nerven) beruhigender Faktor, dem der Schuldenabbau ein echtes Anliegen sei. Buch sehen diese Investoren im Vergleich dazu als risiko- und wachstumsfreudiger. Doch auch er hat die zu geringe Eigenkapitalaufnahme im Boom zuletzt als Fehler bezeichnet.

Politische Bauförderung als Bonus-Chance

Der Blick auf die Bewertung zeigt, dass Vonovia trotz dem jüngsten Kursanstieg noch immer deutlich unter dem durchschnittlichen langfristigen Kurs-Gewinn-Verhältnis gehandelt wird.

Die Dividendenrendite für 2024 schätzen bei Bloomberg erfasste Analysten auf 3,8%, bis 2026 soll sie auf 4,2% steigen. Nicht einmal in der grössten Kapitalnot hatte Vonovia die Dividende ganz gestrichen.

Weiteren Auftrieb würden die Aktien erfahren, falls die nächste, schon 2025 zu wählende Bundesregierung den Wohnungsneubau fördern sollte. «Die Politik wird ebenfalls etwas tun müssen», prognostiziert der in Berlin gut vernetzte Vonovia-CEO.

Kurspotenzial durch Zinsen, Mieten und Wachstumspläne

Der wichtigste Faktor für die Bewertung von Vonovia bleibt aufgrund der hohen Verschuldung die Zinsentwicklung. Die Investoren an den Terminmärkten gehen davon aus, dass die Leitzinsen in der Eurozone von derzeit 4,25% bis März 2025 um einen Prozentpunkt fallen werden. Ein in der Immobilienbranche erfahrener Investmentbanker prognostiziert bei der erwarteten Zinsentwicklung einen Kursanstieg der Vonovia-Aktien auf 40 €.

«Viele Investoren am Kapitalmarkt fassen wieder Mut und teilen die Meinung, dass die Talsohle hinter uns liegt», sagt Vonovia-Chef Buch.

Für den Optimismus gibt es gute Gründe. Der wichtigste Werttreiber bleiben die sinkenden Zinsen, weil sie den stark verzögerten Anstieg der Zinskosten beim Konzern nach dem Ende der Nullzinsära wenigstens begrenzen. Die Wohnungsnot sorgt unterdessen dafür, dass die Mieten weiter steigen: Die 4%-Prognose von Buch ist plausibel. Dazu kommen als weitere Wachstumstreiber Dienstleistungen, Neubau und Einzelwohnungsverkäufe, wenn diese auch nur die Hälfte ihrer einstigen Grösse zurückgewinnen. Das alles macht die Vonovia-Aktien für Neueinsteiger attraktiv.

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