Sonntag, September 8

Die Aktienrente kommt voran – endlich. Die Argumente der Gegner sind durch die Daten aus mehr als 120 Jahren Börsengeschichte längst widerlegt. Die Politik sollte sich bei dieser wichtigen Neuerung nicht von antikapitalistischer Ideologie bremsen lassen.

Die vernichtende Kritik kam prompt und laut. «Die Aktienrente», sagte Parteigründerin Sahra Wagenknecht, «ist eine Casino-Rente. Vor lauter Planlosigkeit in der Rentenpolitik zockt die Ampel mit der Alterssicherung der Bürger».

Der Aktienmarkt als Casino: Dieses Bild steckt gerade in Deutschland leider in vielen Köpfen fest. Wegen solcher Vorurteile, die den Anteilsbesitz an Unternehmen als frivole Zockerei ähnlich dem Glücksspiel verleumden, haben mehrere Bundesregierungen den früheren Einstieg in die kapitalgedeckte Altersvorsorge versäumt. Gut, dass Arbeitsminister Hubertus Heil von der SPD und Finanzminister Christian Lindner von der FDP jetzt endlich das Generationenkapital etablieren wollen mit ihrem Gesetzentwurf zur Rentenreform.

Zarter Spross einer rationaleren Altersvorsorge

Darum geht es genau: Die Bundesregierung wird 2024 zunächst 12 Mrd. € an neuen Schulden aufnehmen, um das Geld in das Generationenkapital zu stecken. Der Betrag soll jährlich steigen. Das Kapital soll renditeorientiert investiert werden durch den Staatsfonds Kenfo in Berlin, der bereits die mehr als 23 Mrd. € verwaltet, die zur Sicherung des deutschen Atommülls vorgesehen sind. Wie schon bei den Atommüll-Geldern dürfte die in Finanzmarktfragen sehr erfahrene Kenfo-Chefin Anja Mikus mit ihrem Team einen beträchtlichen Teil des Kapitals in Aktien und andere Unternehmensbeteiligungen anlegen.

In Aktien zu investieren für die Altersvorsorge ist genau richtig. Denn die Börse ist kein einarmiger Bandit, auch wenn viele Mitbürger das offenbar glauben. Der wichtigste Unterschied: Im Casino gewinnt langfristig immer das Haus, der Spieler verliert dagegen. An der Börse ist es langfristig genau umgekehrt.

In diesem Casino gewinnen Sie langfristig immer

Die Daten sind eindeutig. Ende Februar veröffentlichten die Ökonomen Elroy Dimson, Paul Marsh und Mike Staunton die aktuelle Ausgabe ihres «Global Investment Returns Yearbook» für die Schweizer Grossbank UBS. Darin zeigen sie die Entwicklung von Aktien- und Anleihemärkten über 124 Jahre für 21 Staaten.

Das Ergebnis zeigt: Aktien sind für den Vermögensaufbau das beste Investment.

US-Aktien und US-Anleihen mit langer (Bonds) bzw. kurzer Laufzeit (Bills), reale Wertentwicklung, indexiert (1900 = 1)

Der US-Aktienmarkt lieferte seit 1900 eine durchschnittliche jährliche Rendite von 9,6%, Anleihen brachten 4,6% pro Jahr ein. Nach Einberechnung der Inflation bleibt eine reale Rendite mit Aktien von 6,5% und 1,7% mit Anleihen. Ein solches Aktieninvestment hätte seit 1900 die Kaufkraft um den Faktor 2443 gesteigert.

Für deutsche Aktien beträgt die inflationsbereinigte Rendite seit 1900 immerhin noch 3,2% pro Jahr. Trotz zweier Weltkriege, der Weltwirtschaftskrise, der Ölkrise, dem Dotcom-Crash, der Finanzkrise und der Covid-Pandemie. Und das, obwohl Anleger im schlechtesten Börsenjahr, 1948, mit deutschen Aktien 91% verloren haben.

Deutsche Aktien und Anleihen mit langer (Bonds) und kurzer Laufzeit, durchschnittliche jährliche Rendite in Prozent, inflationsbereinigt:

Für das neue Generationenkapital sind die fast doppelt so hohen jährlichen Aktienrenditen in den USA genau so relevant wie die deutschen Daten. Denn das Geld wird sinnvollerweise weltweit angelegt, nicht etwa nur am deutschen Finanzmarkt. Die Bürger können daher mit erfreulichen Zuwächsen rechnen – es sei denn, die kommenden Jahrzehnte werden sehr viel schlechter als die vergangenen 120 Jahre.

Maximale Verlustphase mit dem Weltaktienmarkt: 22 Jahre

Ein Argument der Kritiker gegen das Generationenkapital lautet, dass wir keine drei oder mehr Jahrzehnte warten können. Diese Sorge äusserte Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK. «Eine Geldanlage in Aktien rentiert sich, wenn überhaupt, erst nach etwa 30 Jahren», sagte die ehemalige Leistungssportlerin.

Der Blick auf die langfristigen Daten sollte die Verbandschefin zuversichtlicher stimmen. Die längste Periode, in der Anleger mit US-Aktien Geld verloren haben, dauerte 16 Jahre, zeigen Ökonom Dimson und Kollegen. Das ist also nur etwas mehr als die Hälfte des Zeitraums, den Bentele vermutet hat. Weil die Zeit vom ersten Job bis zur Rente deutlich länger ist als 16 Jahre, sind US-Aktien somit gut geeignet für die Altersvorsorge.

Längste Verlustphasen mit Aktien in Jahren, 1900-2023, inflationsbereinigt

Würde die Regierung das Generationenkapital nur in Deutschland investieren, wären die historischen Daten deutlich weniger positiv. Der längste Zeitraum, in dem Anleger mit deutschen Aktien Geld verloren haben, dauerte 55 Jahre. Allerdings ist sogar hier die Frage, was die bessere Alternative gewesen wäre. Anleihen sind jedenfalls nicht sicherer als Aktien: Die längste reale Verlustphase mit deutschen Anleihen dauerte sogar 124 Jahre. In den USA waren es 82 Jahre.

Der beste Weg, um Verluste über einen Zeitraum von 25 und mehr Jahren auszuschliessen, ist den Daten zufolge ein weltweit diversifiziertes Aktieninvestment. Die längste Verlustphase betrug dabei 22 Jahre. Bei Anleihen waren es dagegen auch hier 82 Jahre. Ein weltweites Aktienengagement ist heute einfacher denn je auch für Privatanleger, dafür gibt es günstige Indexfonds auf Indizes wie den MSCI World oder den MSCI All Country World.

Triumph der Optimisten

Staatliche Pensionsfonds haben zusätzliche Möglichkeiten, das Risiko eines weltweiten Investments in Aktien und Anleihen noch weiter zu senken oder auch die Renditechancen bei vertretbarem Verlustrisiko zu erhöhen. Der schwedische Pensionsfonds AP7 hat von 2000 bis 2022 pro Jahr 9,8% Rendite erzielt.

Zur gleichen Zeit um die Jahrtausendwende (genauer: 2002) führte Deutschland die Riester-Rente ein. Wer damit einen ähnlichen Gewinn erzielt hat, möge sich bitte bei mir melden.

Der AP7 investiert in mehr als 3000 Unternehmen weltweit und verlangt nur 0,05% Verwaltungsgebühr per annum. Die Schwedinnen und Schweden zahlen 18,5% ihres Gehalts in die gesetzliche Rentenversicherung ein, 2,5 Prozentpunkte davon fliessen wahlweise in Fonds privater Anbieter oder in den staatlichen AP7. Mehr als die Hälfte der Bürger nutzen den staatlichen Fonds. Eine solche Nutzung von Beitragsgeldern für langfristige Investitionen wäre auch in Deutschland in einem nächsten Schritt sinnvoll.

Ein vor mehr als 20 Jahren von den Ökonomen Dimson, Marsh und Staunton veröffentlichtes Buch über die langfristig erzielten Aktienrenditen trägt übrigens den Titel «Triumph der Optimisten». An diesem Triumph sollten endlich mehr Menschen auch in Deutschland teilhaben. Das Generationenkapital würde helfen, dieses Ziel zu erreichen. Und es würde vielen Menschen die Chancen aufzeigen, die eine Beteiligung an Unternehmen für den Vermögensaufbau bietet. Auch wenn es natürlich bei weitem nicht alle Probleme des deutschen Rentensystems ganz allein lösen kann.

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