Dienstag, Februar 4

Der VCS warnt vor Dauerstreit, weil in einer neuen Quartierverbindung unter den Gleisen Fussgänger und Velos gemischt werden sollen. Fürs gleiche Geld könne die Stadt etwas Besseres bekommen.

Noch ist der Bahnhof Zürich Altstetten keine Adresse mit klingendem Namen. Anders als Oerlikon oder Stadelhofen, die regelmässig in der Liste der zehn meistfrequentierten Bahnhöfen des Landes auftauchen. Aber das ist nur eine Frage der Zeit, denn das Stadtquartier Altstetten boomt.

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Auf der einen Seite der Gleise bauen die Stararchitekten Herzog & de Meuron eine aufsehenerregende Wohnsiedlung, auf der anderen Seite plant die UBS das grösste Holzhochhaus der Schweiz, und die ZSC Lions haben dort ihr neues Eishockeystadion. Seit zwei Jahren gibt es mit der Limmattalbahn auch einen Direktanschluss an die am schnellsten wachsende Region des Kantons. Menschen kommen, Jobs entstehen.

Am Bahnhof macht es sich längst bemerkbar, dass die Zürcher Stadtplaner Altstetten gezielt zu einem vollwertigen Zentrum entwickeln, um die enorme Bevölkerungszunahme der kommenden Jahre aufzufangen. Die Passagierzahlen haben hier innert eines Jahres um 17 Prozent zugenommen – weit mehr als an jedem anderen Schweizer Bahnhof vergleichbarer Grösse.

Deshalb ist es mehr als bloss ein lokaler Schönheitsfehler, wenn es in der engen Gleisunterführung am Westende des Bahnhofs gerade in Stosszeiten regelmässig zu Konflikten zwischen Fussgängern und Velofahrern kommt. An diesem Loch aus den 1960er Jahren wird die Frage behandelt, wie man an einem der grössten ÖV-Hotspots des Landes die Massen möglichst intelligent aneinander vorbeilenkt, um Dichtestress zu vermeiden.

In diese Debatte schaltet sich jetzt in gewohnt interventionistischer Manier der links-grüne Verkehrsclub der Schweiz (VCS) ein. Der gleiche Verein also, der so einst den Bau des Durchgangsbahnhofs am Hauptbahnhof angestossen hatte und der sich zuletzt auch beim Bau des Velotunnels einmischte oder beim ÖV-Grossprojekt für ein neues Tram nach Affoltern. Immer angetrieben vom ruhelosen grünen «Power-Couple» Gabi Petri und Markus Knauss, sie Langzeit-Kantonsrätin, er Langzeit-Gemeinderat.

Der VCS hält dem städtischen Tiefbauamt vor, dass sein Ansatz zur Entschärfung des Nadelöhrs am Bahnhof Altstetten nicht durchdacht sei. Die Stadt wiederhole ihre Fehler: Sie wolle Fussgänger und Velos unbeirrt mischen, obwohl dies ein verlässlicher Quell des Ärgers sei. Was der VCS meint, konnte man zum Beispiel jahrelang an der berühmtesten Zürcher Gleisquerung beobachten, der Langstrassenunterführung.

Überdies blende die Stadt womöglich aus, dass die SBB den Bahnhof Altstetten in zwanzig Jahren um ein Gleis erweitern und alle Perrons verschieben wollten. Dann müsse die Unterführung wegen der Aufgänge erneut ungebaut werden.

Kurz: Die Stadt würde jetzt rund 50 Millionen Franken ausgeben für ein unbefriedigendes Projekt mit beschränkter Haltbarkeit – diese Zwischenlösung könne man sich sparen. Zum gleichen Preis bekomme man etwas Besseres.

Ein separater Tunnel für Velofahrer, einer für Fussgänger

Der VCS bringt ein Alternativprojekt ins Spiel, das der ehemalige SP-Gemeinderat und langjährige SBB-Projektleiter Hans Jörg Käppeli entwickelt hat. Der Kern seiner Idee: zwei separate Unterführungen für Fussgänger und Velos mit konsequent getrennten Zugängen. Damit alle ohne Angst, Stress und Ärger aneinander vorbeikommen, auch wenn die Zahl der Passanten am Bahnhof wie erwartet weiter stark zunimmt.

Käppeli schlägt zu diesem Zweck vor, die bestehende Unterführung bis zum Umbau des Bahnhofs als reinen Fussgängertunnel zu erhalten und sie nur etwas aufzufrischen. Zehn Meter daneben soll ein Velotunnel gebaut werden, der beidseits der Gleise mit zwei neuen, unterirdischen Velostationen verbunden ist. So sei nicht nur für mehr Sicherheit gesorgt, sondern auch für mehr Fahrradabstellplätze. Beides waren ausdrückliche Forderungen des Zürcher Parlaments an die Stadt.

Die Fachleute des städtischen Tiefbauamts verfolgen andere Pläne: Sie empfahlen vor zweieinhalb Jahren, die bestehende Unterführung durch eine neue zu ersetzen. Diese soll 9 Meter messen, doppelt so viel wie heute; knapp zwei Drittel des Platzes stünde den Fussgängern zur Verfügung, der Rest den Velos. Das wäre zwar eine Verbesserung, aber kein Vergleich mit der neuen Quartierverbindung für den Velo- und Fussverkehr unter dem Bahnhof Oerlikon: Diese ist über 16 Meter breit.

Der Zürcher Gemeinderat beurteilte dies mehrheitlich kritisch. Er bewilligte zwar das Geld, um den Plan voranzutreiben, schickte aber den Wunsch hinterher, ihn zu verbessern.

Skepsis gab es nicht nur von links-grüner Seite. Andreas Egli (FDP) bezeichnete den Vorschlag des Tiefbauamts für die neue Unterführung seinerzeit als «nur knapp genügend breit». Und Derek Richter von der SVP räumte ein, dass es in der Unterführung vor allem bei den Eishockeyspielen der ZSC Lions sehr eng werde. Die Spur der Velofahrer werde dann automatisch von Fussgängern in Beschlag genommen.

Richter verwies aber auch auf die zahlreichen Leitungen, die im Untergrund des Bahnhofs Altstetten verlaufen, und bezweifelte daher, dass man die Unterführung breiter machen könnte als von der Stadt geplant. Andreas Egli befürchtete, dass das Projekt durch überzogene Vorgaben zu teuer und am Ende an den Kosten scheitern würde. Er plädierte deshalb dafür, den Ingenieuren der Stadt zu vertrauen.

Dem VCS geht dieses Vertrauen ab, wie sich in der Vergangenheit auch bei anderen Projekten zeigte – deshalb der Alternativvorschlag. Dessen Entwickler Hans Jörg Käppeli ist überzeugt, dass dieser nicht teurer wird. Selbst dann nicht, wenn die Stadt ihre bisherige Planung überarbeiten müsste.

Das städtische Tiefbauamt sagt auf Anfrage nichts dazu, ob diese Rechnung aufgehen kann. Es lässt aber durchblicken, dass es offen für die Einwände des VCS ist. Man prüfe zurzeit verschiedene Varianten für die Unterführung, teilte eine Sprecherin mit. Eine davon habe Ähnlichkeiten mit dem, was der Verkehrsclub vorschlage. Im Lauf dieses Jahres werde das Tiefbauamt entscheiden, welche Variante die beste sei.

Ganz frei in ihrem Urteil sind die Fachleute der Stadt nicht. Denn wenn sie nicht von sich aus einlenken, wäre der VCS wegen der linken Mehrheit im Zürcher Gemeinderat wohl in der Lage, dem Projekt die Unterstützung zu entziehen und so seinen Willen zu erzwingen.

Dass das Parlament nicht davor zurückschreckt, selbst weit gediehene Bauvorhaben abzubrechen, wenn es der Mehrheit nicht passt, hat es vor einem Jahr bewiesen. Damals stoppte es eine Überbauung auf dem Zürcher Josef-Areal.

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