Sonntag, Januar 5

Begehrenswert, aber überhaupt nicht alltagstauglich: warum wir uns immer wieder grosse, schwere Strickpullover anschaffen, für die wir eigentlich gar keine Verwendung haben.

So gut wie jede und jeder hat ihn im Schrank: einen Pullover, der diesen Namen auch verdient. Gross geschnitten, gestrickt aus schwerer Wolle, mal eher kratzig, mal kuschelig, vielleicht mit Norwegermuster, vielleicht mit Streifen. Landet ein solches Stück dann aber erst einmal im Schrank, bleibt es auch dort. Getragen wird es eher selten. Zum einen sind die Riesenpullover zu warm für die oft überheizten Büros, in denen man sich aufhält. Als Jackenersatz taugen sie auch nicht, sie sind weder wind- noch regenfest, beim Ausziehen wird die Frisur ruiniert.

Romantische Vorstellung

Trotzdem liebäugelt man immer wieder mit dem schweren Strickpulli. Und schafft sich sogar weitere an, die dann ebenfalls viel Raum im Schrank einnehmen. Denn man kauft sich damit kein Kleidungsstück, sondern eine romantische Phantasie. Deshalb bekommt der Riesenpulli auch immer wieder eine Chance.

Man sieht sich in den Skiferien, an einem Kaminfeuer sitzen, in einem Chalet, in der Hand ein Glas Punsch. Also packt man das Strickteil ein. Es füllt den halben Koffer. Man trägt den Pulli einmal auf der Piste. Der Wind bläst auch hier durch die Maschen. Und irgendwie bietet die Funktionsjacke doch mehr Bewegungsfreiheit. Abends am Kamin schwitzt man erbärmlich. Und zieht den Pullover aus, der nun nach Rauch müffelt.

Andere lassen sich von Looks auf Modeportalen oder in den sozialen Netzwerken inspirieren. Dort tragen die Frauen die voluminösen Pullover gern sehr flauschig, als Kontrast mit einem Leder- oder Satinjupe kombiniert. Und das sieht dann immer sehr gut aus. Nachahmenswert. Also schafft man sich auch einen solchen Pullover an. Um damit im Büro zu schwitzen, oder im Restaurant. Und um sich nach einem dünnen Kaschmir-, Merino- oder Baumwollteil zu sehnen.

Kaum jemand ist sicher

Sogar eigentlich sehr praktisch veranlagte Menschen tappen in die Pullover-Falle. Denn sie haben das Gefühl, in etwas Vernünftiges zu investieren, vergleichbar mit gefütterten Schuhen oder einer Regenjacke mit verschweissten Nähten. Solange sie aber mehr Zeit im Büro als im Home-Office verbringen und Heizkosten zu sparen also kein Thema ist, werden auch sie sich mit der verhältnismässigen Nutzlosigkeit ihrer Anschaffung abfinden müssen. Wer weiss, vielleicht spielt da sogar eine Sehnsucht nach dem Fell mit, das wir Menschen nicht mehr haben?

Und nein, der Markt reguliert sich hier nicht selbst: Da die Teile gekauft werden, landen sie auch immer wieder in den Kollektionen von Designerlabels und in den Regalen der Boutiquen. Was man gegen den Drang tun kann, sich weitere solche Stücke anzuschaffen? Stark sein, natürlich. Oder man entscheidet sich für voluminöse, aber locker gestrickte Modelle wie zum Beispiel jene des Berliner Labels Maiami. Auch eine Möglichkeit sind dicke Pullis mit kurzen Ärmeln, die einfach besser zu den hiesigen Innentemperaturen passen.

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