Dienstag, November 26
Nachgewürzt

Wolfgang Fassbender


Tipps

Ein Ausflug in diese Weinlokale ist ein Erlebnis für alle, die Riesling, Champagner, Sherry und Burgunder zelebrieren wollen und dazu auch gut essen wollen.

Eine meiner Lieblingsweinstuben kann ich zwar empfehlen, doch Fotos gibt es nicht. «La Venencia» in Madrids Calle de Echegaray Nummer 7 bittet energisch darum, keine Bilder zu machen, und wirft angeblich alle, die sich nicht an diese Regel halten, aus dem Lokal. Weil man auch sonst sehr spanisch und ein bisschen mürrisch auftritt, machen viele Touristen ohnehin einen Bogen darum. Wer sich nicht einschüchtern lässt: Es gibt nur Sherry in verschiedenen Varianten und ein paar Tapas, aber jede Menge Flair. So müssen Weintrinker vor hundert Jahren genossen haben.

Viele andere Weinstuben sind offener für fotografische Dokumentationen. Manche spezialisieren sich auf die Weine bestimmter Regionen, manche sind in erster Linie neugierig auf junge Winzer oder verlegen sich auf ein gewaltiges Angebot an Getränken aus allen Teilen Europas. Die eine Weinstube bietet gastronomische Glanzleistungen, während die andere sich auf kulinarische Kleinigkeiten beschränkt. Einige verdienen übrigens immer noch gutes Geld, während andere gerade die Sparsamkeit der Kundschaft spüren.

Unsere zehn Empfehlungen:

1. «Weinkulturbar» in Dresden: neue Leitung, alte Freude

Es gab eine Zeit, da war ohne Reservierung für Monate oder gar Jahre (!) im Voraus nichts zu machen in dieser Dresdner Institution. Der Gründer Silvio Nitzsche hat sich inzwischen zurückgezogen, das Team aus Nina Heerde, Dylan Canteno und Patrick Nitsche übernahm. Jetzt darf und muss man nicht mehr buchen, sondern kann einfach kommen und auf einen Platz hoffen, um aus einem gewaltigen Angebot an sächsischen und anderen Weinen zu wählen.

Weinkulturbar, Wittenberger Strasse 86, 01277 Dresden, Deutschland

2. «Gordon’s Wine Bar» in London: für Fortgeschrittene

Es gibt gewiss modernere Weinbars als diese, auch und gerade in London, aber keine andere besitzt eine bis aufs Jahr 1890 zurückreichende Ausschanktradition. Was immer man hier bestellt – Elsässer Gewürztraminer oder deutschen Riesling –, man sollte Platz lassen für einen Sherry vom Fass oder einen Portwein der Tawny-Kategorie. Weine, die schliesslich von den Briten erst gross gemacht wurden. Käse in verblüffender Auswahl, Pie und Schinken sind die Snacks der Wahl.

Gordon’s Wine Bar, 47 Villiers Street Charing Cross, London, England

3. «Eselsburg» in Neustadt: Pfälzer Kult

Ohne Reservierung kann man Pech haben oder Glück. Im ersten Falle würde man hier, in einer der vielen netten Weinbaugemeinden der Pfalz, freundlich abgewiesen, im zweiten mit anderen Gästen an den Stammtisch gequetscht. Dann würde man nicht nur prima Linsensalat oder hausgemachte Pizza essen können, sondern auch ein paar Brocken Pfälzisch lernen. Die Wirtin Anette Ueberschaer hat alles aus der Region da, was man haben muss, kennt sich aber auch bei Weinen aus Österreich oder Südafrika aus.

Eselsburg, Kurpfalzstrasse 62, 67435 Neustadt/Mussbach, Deutschland

4. «Gamper Bar» in Zürich: ein Glas um 16 Uhr

Was macht man an einem sonnigen Nachmittag in Zürich, wenn ein Grossteil der Arbeit bereits getan wurde? Na klar, in diesen Dauerbrenner unter den Zürcher Weinbars gehen und darüber nachdenken, warum es immer noch zu wenige dieser Art von getränkeaffinen Lokalen gibt in der Stadt. Viel von dem, was hier ab 16 Uhr ausgeschenkt wird, ist anderswo in Zürich kaum zu bekommen. Almacenista-Sherry, Elsässer Natural Wine oder ein toller Riesling von Clemens Busch von der deutschen Mosel.

Gamper Bar, Dienerstrasse 75, 8004 Zürich, Schweiz

5. «Manu» in München: Geheimtipp in München

Ein Restaurant oder eine Weinbar? Auf jeden Fall eine spannende Adresse, die schon bei den Speisen aufhorchen lässt. Frisch geöffnete Austern, Thunfisch mit Mizuna oder vielleicht Rindstatar mit Spargel und Yuzu? In München existieren gewiss Weinbars, die mehr von sich reden machen (das legendäre «Grapes» etwa) und eine grössere Auswahl an Flaschen zur Verfügung stellen, aber in kaum einer macht der Besuch so viel Spass wie hier.

Manu, Rumfordstrasse 1, 80469 München, Deutschland

6. «Consum» in Basel: Klassiker am Rhein

Es gibt unter Garantie noch umfangreichere Weinkarten in der Schweiz als hier, aber dieser Klassiker unter den Basler Weinbars ist unschlagbar sympathisch. Deshalb etwa, weil er die allermeisten Flaschen der Karte schon für die Bestellung von drei Dezi öffnet. Oder weil das Angebot an Champagner von kleinen, hochklassigen Erzeugern stammt. Dazu ein Schinkenplättli zu nehmen und danach einen Käsekuchen, ist fast schon obligatorisch.

Consum, Theingasse 19, 4058 Basel, Schweiz

7. «Wistub Brenner» in Colmar: touristisch und dennoch gut

Einen Tisch zu bekommen in der Hochsaison, ist nicht ganz einfach, aber nachfragen kann man ja mal. In der vermutlich empfehlenswertesten «Wistub» von Colmar ist der Zwiebelkuchen viel besser als in all den Langweillokalen, die von ahnungslosen Touristen leben, und der Frischkäse mit Knoblauch und Schnittlauch zu den Bratkartoffeln stammt aus Bioproduktion. Den beiden elsässischsten Weinen überhaupt sollte man hier zusprechen: erst Muscat, dann Gewürztraminer.

Wistub Brenner, 1 Rue Turenne, 68000 Colmar, Frankreich

8. «Witwenball» in Hamburg: gute Küche und viel Wein

Manche sagen, beim «Witwenball» handle es sich in Wirklichkeit um ein als Weinbar getarntes Restaurant, andere sehen es genau umgekehrt. Egal, denn die von Julia und Axel Bode geführte Hamburger Institution erfüllt alle Erwartungen an eine Weinstube der modernen Art. Preiswerte Küche im besten Sinne, mal überraschend wie bei den Jakobsmuscheln, mal klassisch wie beim Wiener Schnitzel. Was die Getränke angeht, geht nichts über die persönliche Beratung durch den Chef.

Witwenball, Weidenallee 20, 20357 Hamburg, Deutschland

9. «L’Ambassade de Bourgogne» in Paris: Spezialist fürs Edle

In Paris gibt es vermutlich ebenso viele Weinbars wie Disziplinen bei den gerade stattfindenden Olympischen Spielen. Nicht wenige konzentrieren sich auf Natural Wines, aber in der Botschaft der burgundischen Weinszene geht es ganz und gar um das, was im Burgund aus Chardonnay und Pinot noir, aber auch aus Aligoté und Gamay gewonnen wird. Das kann sehr teuer und edel sein, aber bei einem Crémant de Bourgogne, einem Beaujolais oder Mâconnais-Weisswein auch angenehm günstig.

L’Ambassade de Bourgogne, 6 rue de l’Odéon, 75006 Paris, Frankreich

10. «Heunisch & Erben»: nichts für Eilige

Klar, man könnte auch in den «Pub Klemo» gehen oder ins «MAST», aber diese nach einer legendären Rebsorte benannte Weinbar liegt mir besonders am Herzen. Auch deshalb, weil das Wiener Schnitzel nach allen Regeln der österreichischen Kunst zubereitet wird und die Desserts fruchtige Klasse aufweisen. Allein das Angebot an europäischen Schaumweinen ist grossartig. Achtung: Menschen in Eile werden erklärtermassen unter Umständen nicht bedient.

Heunisch & Erben, Landstrasser Hauptstrasse 17, 1030 Wien, Österreich

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