Dienstag, November 26

Es ist verständlich, dass Landgemeinden sich gegen Anlagen wehren, die primär den Städten nützen. Doch die Gegner sollten über ihren Schatten springen.

Der Kampf um die Zürcher Solaranlage im bündnerischen Surses gäbe alle Zutaten her für die nächste teure SRF-Eigenproduktion: hier die wehrhaften Bergler, die selbst für viel Geld ihre Natur und ihr Gewissen nicht verkaufen. Dort die gierigen Städter, die noch die letzte hochalpine Magerwiese für chinesische Solarpanels opfern wollen, nur damit ihre Banken ein weiteres stromfressendes Datencenter hinstellen können. So weit die Fiktion.

Die Realität ist etwas komplizierter, aber nicht minder kontrovers. Mit ihrem Nein zur Abgabe von 65 Hektaren Land an das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (EWZ) für den Bau einer alpinen Solaranlage hat die Gemeindeversammlung von Surses am Montagabend verdeutlicht, was der grosse Pferdefuss der Zürcher und der Schweizer Energiestrategie ist: Sie geht nur auf, wenn die energiehungrigen Städte darauf zählen können, dass die Landbevölkerung ihren Beitrag leistet.

Dies gilt für Solaranlagen in den Bergen genauso wie für Windräder im Kanton Zürich. Auch diese werden nicht auf dem Paradeplatz aufgestellt, sondern in der Peripherie.

Dass sich die Lust auf dem Land auf die Lasten aus der Stadt in engen Grenzen hält, ist im Grundsatz nicht weiter verwunderlich. Wer wünscht sich schon ein 250-Meter-Windrad im nahen Wald? Oder 660 000 Quadratmeter Solarpanels am Berg? Oder einen Stausee? Doch die Not-in-my-Backyard-Mentalität, wie sie in Surses demonstriert wurde und zuvor schon in vielen anderen Berggemeinden, hilft in der Energiedebatte nicht weiter.

Dass man sich gegen politisch gewollte Zürcher Windräder wehrt, die nur schon rein physikalisch an anderen Standorten viel besser aufgehoben wären, ist noch das eine. Dass eine Berggemeinde eine Solaranlage ablehnt, welche gerade im Winter wichtig gewesen wäre, ist jedoch nicht klug. Und auch nicht besonders solidarisch.

Es ist auch nicht glaubwürdig, von Naturschutz zu sprechen, wenn Berggemeinden zwar kaum einsehbare Hänge vor der unschönen Photovoltaik bewahren wollen, aber gleichzeitig Skipisten und Bergbahnen betreiben und Hänge mit Zweitwohnungen vollgestellt sind.

Solaranlagen sind eine sehr kleine Belastung für die Berggemeinden. Sie sind kein Vergleich zu früher, als ganze Talschaften aufgelassen wurden, Häuser gesprengt wurden und Familien ihren Hof verloren, weil das EWZ ein Speicherkraftwerk bauen wollte.

Findet sich in der Energiedebatte kein Konsens zwischen Stadt und Land, bleiben im Wesentlichen drei Lösungen: erstens eine Reduktion des Verbrauchs, was angesichts der anhaltenden Zuwanderung und der Umstellung von fossilen Heizungen auf Wärmepumpen und von Benzinautos auf Stromer kaum machbar ist.

Zweitens eine vermehrte Abhängigkeit von Importen. Das ist problematisch, weil die Schweizer Nachbarländer vor den gleichen Versorgungsengpässen stehen wie die Schweiz und im Zweifel zuerst für sich selbst sorgen.

Drittens eine Umstellung auf andere Energieträger. Dabei wäre ein Ausbau der Kernkraft sowohl für das Klima wie für die Versorgungssicherheit die vernünftigste Lösung, allerdings keine, die schnell umsetzbar ist.

Wer das alles nicht will, und hier sind neben den Berggemeinden die einsprachefreudigen Umweltverbände mitgemeint, sollte alpine Solaranlagen nicht verhindern.

Vielleicht sollten sich die Gegner von Solaranlagen in den Berggemeinden in Erinnerung rufen, woher die Wertschöpfung stammt, von der auch sie über Transferzahlungen und über den Tourismus massgeblich profitieren. Sie kommt genau von dort, wohin auch der Strom fliesst: aus den grossen Städten.

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