Wer geduldig ist und Risiken nicht scheut, wird langfristig gesehen bei der Geldanlage belohnt. Dies zeigen historische Daten für den Zeitraum 1900 bis 2024. Was Sparer und Anleger wissen sollten.
«Unsicherheit ist Gift für die Märkte», lautet eine alte Geldanlage-Weisheit. Ein Blick auf die Börsen in diesem Jahr bestätigt dies. So scheinen die Investoren zunehmend irritiert zu sein über die Unberechenbarkeit des amerikanischen Präsidenten Donald Trump. Jedenfalls lag der US-Standardwerte-Index S&P 500 nach seinem Siegeszug der vergangenen Jahre in diesem Jahr bis Freitagnachmittag mit mehr als 2 Prozent im Minus. Beim Technologieindex Nasdaq betrugen die Verluste sogar mehr als 6 Prozent.
Gleichzeitig jubeln die Anleger in Europa über das geplante deutsche Finanzpaket von Union und SPD über Hunderte von Milliarden Euro, das die Infrastruktur und die Verteidigungsfähigkeit von Deutschland stärken soll. Der deutsche Börsenindex DAX hat seit Anfang Jahr um knapp 16 Prozent zugelegt, der europäische Index Euro-Stoxx-50 um fast 12 Prozent.
US-Börsen liegen in diesem Jahr zurück
Dies sei auch vor dem Hintergrund spannend, dass noch Ende 2024 der Grossteil der Marktbeobachter von der Einzigartigkeit der US-Börse gesprochen habe, sagt Paul Marsh, Professor an der London Business School. «Es schien geradezu so, als sei die US-Börse der einzige Ort in der Stadt, wo die Musik spielt.»
Historisch gesehen haben die US-Börsen in der Finanzgeschichte tatsächlich eine aussergewöhnlich gute Performance erzielt. Dies ist eines der Ergebnisse des jährlich publizierten Global Investment Returns Yearbook, das Marsh in Zusammenarbeit mit seinen Co-Autoren Mike Staunton, ebenfalls London Business School, Elroy Dimson von der Universität Cambridge sowie der Grossbank UBS publiziert.
Das Jahrbuch gibt einen Überblick über die Entwicklung von Aktien, Anleihen und Geldmarktanlagen über den Zeitraum 1900 bis 2024 in 35 Märkten. Anleger können daraus wertvolle Schlüsse für Vermögensaufbau und Altersvorsorge ziehen. Mit dem zusätzlichen Blick auf eine Studie der Bank Pictet zu Schweizer Aktien und Anleihen im Zeitraum 1926 bis 2024 sowie eine jüngst publizierte Analyse der Universität Zürich zu Gold lassen sich so einige wichtige Lehren für Anleger zusammenfassen. Dies sind die folgenden:
1. Die Zusammensetzung der Börsen hat sich stark verändert
Zunächst einmal sollten sich Anleger bewusst sein, dass sich die Finanzmärkte und folglich auch die Zusammensetzung von Börsenindizes in den untersuchten Jahrzehnten massiv verändert haben. Wie das Jahrbuch ausführt, machten Eisenbahnunternehmen zu Beginn des 20. Jahrhunderts 63 Prozent der Marktkapitalisierung an der US-Börse aus. Heute dominierende Branchen wie Technologie oder Gesundheit seien damals fast gar nicht vertreten gewesen.
Im Jahr 1900 dominierte Grossbritannien den Welt-Aktienmarkt mit einer Gewichtung von 24 Prozent vor den USA mit 15 Prozent und Deutschland mit 13 Prozent. Heute liegen die USA mit 64 Prozent weit vorne, es folgen Japan mit 6 Prozent sowie Grossbritannien und China mit jeweils 3 Prozent.
2. Aktien haben langfristig alle anderen Anlagen deutlich geschlagen
Laut der Studie von Dimson, Marsh und Staunton haben Aktien weltweit, gemessen an einem von den Wissenschaftern entwickelten Index, im Zeitraum 1900 bis 2024 eine durchschnittliche Rendite von 5,2 Prozent pro Jahr erzielt – nach Abzug der Inflation. Globale Anleihen erreichten indessen im selben Zeitraum eine jährliche Anlagerendite von 1,7 Prozent, US-Geldmarktpapiere eine solche von 0,5 Prozent. «Aktien haben langfristig andere Anlageklassen und die Inflation geschlagen», sagt Marsh. Dies gelte für alle untersuchten Länder.
Eine Anlageregel lautet, dass sich mit höheren Risiken bei der Geldanlage langfristig höhere Renditen erzielen lassen. «Dies hat sich in der Untersuchung bewahrheitet», sagt Marsh. Mit Aktien gehen Investoren grössere Risiken ein, als wenn sie das Geld in Anleihen oder Geldmarktpapiere investieren. Langfristig gesehen zahlte sich dies für sie aus.
Aus einer Anfangsinvestition von 1 Dollar in US-Aktien im Jahr 1900 wäre hypothetisch gerechnet und ohne Abzug der Inflation bis Ende 2024 eine Summe von 107 409 Dollar geworden, heisst es im Jahrbuch. Bei einer Anlage von 1 Dollar in lang laufende Anleihen wären es indessen nur 268 Dollar gewesen.
3. Die USA hatten eine Ausnahmerolle an den Börsen
Den USA kam derweil im Vergleich mit den anderen Märkten eine Ausnahmerolle zu. US-Aktien erreichten im Zeitraum 1900 bis 2024 laut dem Jahrbuch in Dollar gerechnet eine jährliche Rendite von 6,6 Prozent nach Abzug der Inflation – dies war die beste Performance unter den untersuchten Aktienmärkten.
Allerdings erzielten Anleger auch an den Börsen anderer Länder schöne Renditen mit Aktien. In der Schweiz waren es gemäss der Analyse nach Abzug der Inflation 4,5 Prozent pro Jahr.
4. Es gab aber immer wieder massive Rücksetzer bei Aktien – aber auch bei Anleihen
Langfristig sind Anleger mit Investitionen in Aktien also sehr gut gefahren. Sie sollten sich aber stets der Risiken dieser Anlagen bewusst sein. Dies zeigen Beispiele aus der Pictet-Studie. So erzielten Anleger mit Schweizer Aktien im Jahr 1985 nach Abzug der Inflation eine Rendite von sage und schreibe 56,2 Prozent – es war das beste Jahr im Zeitraum 1926 bis 2024. Allerdings verbuchten sie im schlechtesten Jahr, nämlich 1974 und zur Zeit der Ölkrise, auch einen massiven Verlust von 37,8 Prozent.
Wer Anleihen bevorzugt, sollte sich bewusst sein, dass auch hier Risiken lauern. Im Jahr 2022 verloren Anleger mit Schweizer Anleihen 14,5 Prozent. Die beste Performance erzielten sie indessen im Jahr 1976 mit 14,9 Prozent.
5. Viele Börsenindizes waren und sind stark konzentriert
Viele Börsenindizes waren und sind stark konzentriert. Das gilt beispielsweise für den deutschen DAX, das Schweizer Standardwerte-Barometer Swiss-Market-Index (SMI) sowie den US-Leitindex S&P 500. «Die Marktkonzentration in den USA ist so hoch wie seit 92 Jahren nicht mehr», sagt Marsh dazu.
Nicht zuletzt die sehr starke Performance der US-Technologieaktien hat dazu geführt, dass auch die Welt-Aktienindizes, die Unternehmen nach ihrer Marktkapitalisierung gewichten, zunehmend konzentriert sind. Wie bereits erwähnt, machen die USA laut dem Jahrbuch heute 64 Prozent der Welt-Aktienkapitalisierung aus. Laut Ali Masarwah, Anlageexperte und Partner bei der Fonds-Plattform Envestor, könnten Anleger das starke Gewicht der USA durchaus hinterfragen. Die Konzentration in einzelnen Aktienmärkten spricht für eine Diversifikation über verschiedene Aktienmärkte hinweg.
6. Anleger brauchen Geduld
Kurzfristig gesehen, sind Aktien eine risikoreiche Anlage. Wer allerdings Geduld mitbringt, verringert Verlustgefahren erheblich. Dies zeigt die Analyse von Pictet. Anleger, die Schweizer Aktien 5 Jahre lang hielten, erzielten dieser zufolge in 85 der letzten 99 Kalenderjahre eine positive Rendite. Bei einer Haltedauer von 10 Jahren waren es 96 von 99 Jahren, bei einer Haltedauer von 14 Jahren resultierte kein einziges Mal eine negative Rendite.
Laut der Untersuchung wäre aus einer Anlage von 1000 Franken in Schweizer Aktien im Jahr 1926 bis Ende 2024 die Summe von 1,48 Millionen Franken geworden. Ziehe man Portfolio- und Brokergebühren ab, seien es immer noch rund 1 Million Franken, heisst es weiter.
Bei US-Aktien waren die schlimmsten Durststrecken indessen länger. Laut Dimson, Marsh und Staunton dauerte es nach dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise bis Februar 1945 beziehungsweise 15,5 Jahre, bis sie wieder ihren Stand von davor erreicht hatten. Auch in der Ölkrise in den siebziger Jahren dauerte die Durststrecke mehr als 10 Jahre.
7. Diversifikation hat sich meistens ausgezahlt
Ein ausgewogenes Schweizer Anlageportfolio aus 60 Prozent Aktien und 40 Prozent Anleihen hat laut der Analyse von Pictet seit 1926 eine durchschnittliche Jahresrendite von 6,6 Prozent erzielt. Bei einer Haltedauer von mindestens 10 Jahren hätte ein solches Portfolio in keinem Fall eine negative Rendite erbracht.
Bei einer kurzfristigeren Anlagedauer könnten aber auch diversifizierte Anleger Geld verlieren, sagt Masarwah – wie beispielsweise im Jahr 2022, als sowohl Aktien als auch Anleihen an Wert verloren. Er plädiert folglich dafür, einem Anlageportfolio das Edelmetall Gold beizumischen.
Auch laut einer Ende Februar veröffentlichten Studie der Universität Zürich im Auftrag der Bank von Roll hat Gold in den vergangenen Jahrzehnten eine wichtige Rolle beim Vermögensaufbau und -erhalt gespielt. Aus einer Investition von 100 Dollar in das Edelmetall im Jahr 1972 wären bis Ende Februar 2024 ohne Berücksichtigung der Inflation rund 6000 Dollar geworden. Gold sei gerade zum Vermögenserhalt in Krisenzeiten prädestiniert, hiess es dazu. Für ein ausgewogenes Anlageportfolio seien ein Aktienanteil von 52,5 Prozent, ein Anleihenanteil von 35,5 Prozent und ein Goldanteil von 12 Prozent zu empfehlen.
8. Der Schweizer Kapitalmarkt ist bedeutend
Der Schweizer Aktienmarkt hat laut der Studie von Dimson, Marsh und Staunton einen Anteil von 2 Prozent am Volumen des weltweiten Aktienmarkts. Auf den ersten Blick sieht dies wenig spektakulär aus. Allerdings sollte man sich vor Augen halten, dass die Schweiz nur 0,1 Prozent der Weltbevölkerung und 0,01 Prozent der Fläche der Erde umfasst. Das Jahrbuch kommt folglich zu dem Schluss, dass das Land am Finanzmarkt «deutlich übergewichtet» sei.
Zudem habe das Land den Staatsanleihen-Markt mit den besten Langfristrenditen weltweit, wenn man diese in Dollar messe: Dann sind es real 2,8 Prozent pro Jahr im Zeitraum 1900 bis 2024. In Franken gemessen kommt der Markt auf eine Performance von jährlich 2,3 Prozent. Zudem habe die Schweiz über 125 Jahre hinweg mit 2,1 Prozent die niedrigste Inflationsrate der untersuchten Länder aufgewiesen und habe mit dem Franken die stärkste Währung.
«Der Franken ist ein Stabilitätsanker und ein sicherer Hafen, in den Anleger bei Turbulenzen an den Finanzmärkten flüchten», sagt Masarwah. In der Schweiz Geld anzulegen, war also historisch gesehen eine sehr gute Idee – vor allem auch für Anleger, die in Franken rechnen.