Nach dem Disput mit Marine Le Pen wurde die AfD im EU-Parlament fraktionslos. Jetzt hat die Partei neue Partner gefunden. Doch sehr appetitlich ist die Gruppe «Europa souveräner Nationen» nicht.
Kein Zweifel, bei der Gründung der «Patrioten für Europa» hätte die AfD gerne mitgemacht. Die neue Rechtsaussen-Fraktion im Europäischen Parlament sorgte zu Wochenbeginn für viel Gesprächsstoff in Brüssel.
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban, der frühere tschechische Regierungschef Andrej Babis und der österreichische FPÖ-Chef Herbert Kickl hatten das Bündnis schon in der Vorwoche gegründet. Am Montag gesellte sich das französische Rassemblement national von Marine Le Pen dazu. Auch die Partei von Geert Wilders und Matteo Salvinis Lega sind dabei. Zusammen stellen die «Patrioten» als nunmehr drittstärkste Gruppe in Brüssel und Strassburg 84 Europaabgeordnete.
Krah ist nicht dabei
Nur, wo sollte die AfD in dieser Gemengelage bleiben? Vor fünf Jahren hatte die Chemie mit Le Pen, Wilders und Salvini noch gestimmt. Heute ist die Partei, die bei der Europawahl im Juni mit knapp 16 Prozent zur zweitstärksten Kraft in Deutschland aufgestiegen war, auf EU-Ebene kaum noch anschlussfähig.
Am Mittwoch gab der AfD-Delegationsleiter René Aust die Antwort: Unter dem Namen «Europa souveräner Nationen» (ENS) habe die Alternative zusammen mit anderen Rechtsparteien eine neue Fraktion ins Leben gerufen. Diesem Bündnis gehörten 28 Abgeordnete aus 9 Mitgliedstaaten an – unter ihnen allein 14 von der AfD. Für eine Fraktionsbildung im EU-Parlament sind mindestens 23 Abgeordnete aus 7 Mitgliedstaaten notwendig.
Nächstgrössere Delegationen nach der AfD sind die polnische Konfederacja, die Partei Wasraschdane (Wiedergeburt) aus Bulgarien und Se acabó la fiesta (Die Party ist vorbei) aus Spanien mit jeweils drei Abgeordneten. Ausserdem mit jeweils einem Parlamentarier vertreten sind die Partei Reconquête (Rückeroberung) aus Frankreich, die Partei für Freiheit und direkte Demokratie aus Tschechien, Mi Hazánk Mozgalom (Unsere Heimat) aus Ungarn, Republika aus der Slowakei und die Union für Volk und Gerechtigkeit aus Litauen.
Mit Maximilian Krah sitzen eigentlich 15 AfD-Abgeordnete im neuen EU-Parlament. Doch die Delegation hatte den Sachsen nach der Europawahl aus ihren Reihen ausgeschlossen, weil sie ihm den Disput mit Le Pen nicht verziehen hatte, und sie will ihn auch jetzt nicht bei den «Souveränisten» haben. Krah hatte sich in einer italienischen Zeitung verharmlosend zu den Verbrechen der Waffen-SS geäussert und damit bei Le Pen das Fass zum Überlaufen gebracht.
Die Französin konnte rechtsradikale Töne im Europawahlkampf nicht gebrauchen und sorgte für den Rauswurf der AfD aus der damals noch gemeinsamen Fraktion «Identität und Demokratie». Ironischerweise hatte danach ausgerechnet Krah dafür plädiert, mit den deutlich radikaleren Parteien in Europa zu paktieren und nicht den Weg des Kompromisses zu gehen.
Die Parteien, die neben der AfD nun Teil der ENS-Fraktion sind, gehören zum am weitesten rechten Rand im Parlament. Sie berufen sich teilweise auf die sogenannte Sofia-Erklärung, die die prorussische Wasraschdane initiiert hatte. In ihr heisst es, dass Europas Zivilisation «durch die Aggression globalistischer Ideologien bedroht» und das Recht der Völker auf Selbstbestimmung «durch die Diktatur einer Bürokratie ersetzt» werde. Mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine werden sofortige Friedensverhandlungen gefordert.
«Rechte Reste-Rampe»
Der Wasraschdane-Führer Kostadin Kostadinov hetzt gegen Schwule und Roma und bewundert Putin. Auch in der polnischen Konfederacja gibt es unappetitliche Gestalten wie den Abgeordneten Grzegorz Braun, der im letzten Jahr von sich reden machte, als er im polnischen Parlament einen jüdischen Chanukka-Leuchter mit einem Feuerlöscher bearbeitete.
Weil die AfD-Co-Vorsitzende Alice Weidel zur Bedingung gemacht hatte, dass der Fraktion keine Antisemiten angehören sollen, durfte Braun nicht Teil der ENS-Gruppe werden. Auch zwei weitere Konfederacja-Abgeordnete treten nicht der Fraktion bei, weil sie sich den Deutschen nicht unterordnen wollen.
Kritik an der neuen Fraktion gibt es deswegen hinter vorgehaltener Hand auch innerhalb der AfD. Ein Insider lästert, dass es sich bei den Parteien, mit denen man sich notgedrungen ins Bett lege, um die «Reste-Rampe des Parlaments» handle, um «hässliche Entlein», die sonst niemand haben wolle.
Ohne den Fraktionsstatus hätte die AfD auf finanzielle Ressourcen, auf mehr Redezeit in den Parlamentsdebatten und Sitze in den Fachausschüssen verzichten müssen. Diese Vorteile wird sie nun einheimsen können, doch es ist fraglich, wie stabil die Grundlage ist, auf der man fünf Jahre gemeinsam politisch arbeiten will.

