Mittwoch, März 19

Der Vatikan will die Segnung homosexueller Paare zulassen. Nirgendwo hat die Erklärung grösseren Widerstand ausgelöst als in Afrika – einer Region, die für die katholische Kirche immer wichtiger wird.

Die Afrikaner seien ein «Sonderfall», hat Papst Franziskus Ende Januar in einem Interview mit der italienischen Zeitung «La Stampa» gesagt. Er versucht damit einen Kulturkampf in der katholischen Kirche einzudämmen, der in den vergangenen Wochen offen ausgetragen wurde.

Den Streit ausgelöst hatte eine Erklärung der vatikanischen Glaubensbehörde im Dezember, dass die katholische Kirche künftig die Segnung homosexueller Paare zulassen wolle. Während westeuropäische Bischofskonferenzen die Erklärung begrüssten, gab es andernorts Protest, zum Beispiel in Osteuropa und Lateinamerika. Nirgendwo aber war er lauter als in Afrika.

Im Interview mit «La Stampa» sagte der Papst: «Für Afrikaner ist Homosexualität aus einem kulturellen Blickwinkel etwas Schlechtes, sie tolerieren es nicht.» Er sei aber zuversichtlich, dass sich schrittweise alle vom Geist der Erklärung überzeugen liessen.

Die Erklärung mit dem Titel «Fiducia Supplicans» ist der bisher grösste Schritt, den die katholische Kirche auf die LGBT-Gemeinde zu gemacht hat. Papst Franziskus, in sozialmoralischen Fragen progressiver als seine Vorgänger, hatte schon früher mehr Offenheit gegenüber LGBT-Personen bekundet. Die Erklärung sieht vor, dass Priester homosexuelle Paare segnen dürfen – was aber weder ihren Status «offiziell konvalidiere» noch eine veränderte Haltung der Kirche bezüglich der gleichgeschlechtlichen Ehe bedeute.

Afrikanische Bischöfe sprechen von «Ketzerei»

Die Erklärung steht – obwohl zurückhaltend formuliert – quer zu den Überzeugungen vieler katholischer Gläubiger und ihrer Geistlichen auf dem afrikanischen Kontinent, wo Homosexualität in den meisten Ländern sozial geächtet ist. In 31 von 54 afrikanischen Ländern sind homosexuelle Handlungen verboten. Während laut Umfragen die Toleranz gegenüber LGBT-Personen in manchen afrikanischen Ländern wächst, verstärken mehrere Staaten die Repression. Uganda zum Beispiel führte im vergangenen Jahr eines der härtesten Anti-LGBT-Gesetze der Welt ein. Auf manche homosexuelle Handlungen steht in dem ostafrikanischen Land neu die Todesstrafe.

Viele afrikanische Geistliche und katholische Organisationen reagierten heftig auf die Erklärung der vatikanischen Glaubensbehörde. Martin Mtumbuka zum Beispiel, ein kenyanischer Bischof, sagte über das Dokument: «Es sieht für uns aus wie Ketzerei, es liest sich so, und auch seine Auswirkungen sind Ketzerei. Wir dürfen nicht zulassen, dass eine solch anstössige und offensichtlich gotteslästerliche Erklärung in unseren Diözesen umgesetzt wird.» Über 20 afrikanische Bischofskonferenzen veröffentlichten Statements, in denen sie grossmehrheitlich ihre Ablehnung ausdrückten.

Mitte Januar folgte dann eine koordinierte Antwort des «Symposiums der Bischofskonferenzen in Afrika und Madagaskar» – des obersten katholischen Gremiums auf dem Kontinent. In einem Brief mit dem Titel «Keine Segnung homosexueller Paare in afrikanischen Kirchen» schrieb der kongolesische Kardinal Fridolin Ambongo, der Präsident des Symposiums: «In der Kirchenfamilie Gottes in Afrika hat die Erklärung eine Schockwelle ausgelöst.» Homosexuellen solle mit Respekt und Würde begegnet werden, ihre Verbindungen seien aber «gegen Gottes Willen». Sie könnten daher nicht gesegnet werden.

Pikant am Brief des Kardinals war dessen Entstehungsgeschichte: Ambongo ist ein enger Berater des Papstes. Dieser war vor der Veröffentlichung einbezogen worden.

Bis 2050 jeder dritte Katholik ein Afrikaner?

Schon bevor die Afrikaner ihren Brief veröffentlicht hatten, war der Vatikan um Schadensbegrenzung bemüht. Víctor Manuel Fernández, der Leiter der vatikanischen Glaubensbehörde, erklärte noch im Dezember, jeder Bischof könne selber entscheiden, ob er «Fiducia supplicans» umsetzen wolle. Und der Papst äusserte sich mehrmals beschwichtigend – wie jetzt wieder im Interview mit «La Stampa».

In der Reaktion des Vatikans kommt zum Ausdruck, wie wichtig der Kontinent für die katholische Kirche geworden ist. 236 Millionen der weltweit 1,3 Milliarden Katholiken leben in Afrika, mehr als die Hälfte der 16 Millionen Katholiken, die 2021 neu zur Kirche stiessen, waren Afrikanerinnen und Afrikaner. 2050 könnte ein Drittel aller Katholiken in Afrika leben.

Für die katholische Kirche ist das Wachstum in Afrika auch eine Herausforderung, weil die dortigen Geistlichen und ihre Gemeindemitglieder oft konservativere Positionen vertreten als Rom. Die Afrikaner wiederum treten schon jetzt mit grösserem Selbstbewusstsein auf. Ihr Aufstand war aber nicht nur von theologischer Überzeugung getrieben, sondern auch von der Angst, dass ihr Wachstum an Schwung verlieren könnte: Die katholische Kirche hat viel Konkurrenz in Afrika. Pfingstkirchen zum Beispiel wachsen rasant. Die katholische Kirche als homosexuellenfreundlich darstellen zu können und ihr so möglicherweise Mitglieder abzuwerben, wäre ein willkommenes Geschenk für die Rivalen der katholischen Kirche.

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