Mittwoch, Oktober 23

Der Bundesrat hat die Reform der Hinterlassenenrenten an das Parlament überwiesen. Die Linke droht mit Widerstand.

Es geht Schlag auf Schlag bei der AHV. Das Parlament wird sich in den kommenden Monaten immer wieder mit dem Sozialwerk befassen – und das Stimmvolk ebenso. Als Nächstes steht die Umsetzung der 13. AHV-Rente zur Debatte, die das Volk im März beschlossen hat. Sie muss ab dem Jahr 2026 ausbezahlt werden. Die zusätzliche Monatsrente führt zu Mehrausgaben von 4,6 Milliarden Franken im Jahr (Stand 2030). Um rasch wachsende Defizite zu verhindern, will der Bundesrat im Gegenzug die Mehrwertsteuer erhöhen. Diese Vorlage kommt im Dezember ins Parlament, das letzte Wort hat das Volk.

Gleichzeitig steht bereits der nächste Ausbau zur Debatte: Die Mitte-Partei verlangt mit einer Initiative höhere Leistungen für Ehepaare. Ihre Renten sind bisher nach oben limitiert, weil sie tiefere Lebenshaltungskosten pro Person haben als Alleinstehende. Diese Plafonierung ist in Verruf geraten, weil sie bei ledigen Paaren nicht angewandt wird. Die Mitte-Initiative würde einen weiteren Kostenschub von 3,8 Milliarden Franken im Jahr bewirken. Woher das Geld kommen soll, lässt die Mitte weitgehend offen. Ihre Initiative kommt 2025 ins Parlament, das letzte Wort hat erneut das Volk.

Dann ist da noch eine dritte AHV-Vorlage, die der Bundesrat am Mittwoch verabschiedet hat – und die zeigt, dass man die Leistungen des Sozialwerks grundsätzlich auch reduzieren kann. Sie umfasst eine Reform der Witwen- und Witwerrenten, die tatsächlich Einsparungen bewirken würde. Allerdings fallen sie deutlich kleiner aus als die Mehrausgaben für die 13. Rente – von der Mitte-Initiative ganz zu schweigen. Die Entlastung der AHV beliefe sich 2030 auf 350 Millionen Franken und 2035 auf 770 Millionen. Falls das Parlament der Vorlage zustimmt, ist mit einem Referendum zu rechnen, womit auch hier das Volk das letzte Wort hätte.

1630 Franken im Monat

Unmittelbarer Auslöser dieser Reform ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Die heutige Regelung verletzt die Rechtsgleichheit, weil sie Frauen markant besserstellt. Männer erhalten nach dem Tod der Ehefrau nur solange eine Witwerrente, bis ihr jüngstes Kind volljährig wird. Witwen mit Kindern hingegen erhalten eine Rente ohne Ablaufdatum – unabhängig davon, wie alt die Kinder sind, und ob sie noch daheim leben.

Sogar kinderlose und erwerbstätige Frauen erhalten Witwenrenten, falls sie zwei Bedingungen erfüllen: Beim Tod ihres Mannes müssen sie mindestens 45 Jahre alt sein, und die Ehe muss fünf Jahre gedauert haben. Hatte die Ehe zehn oder mehr Jahre Bestand, erhalten auch geschiedene, kinderlose Frauen Witwenrenten. Zurzeit betragen die AHV-Witwenrenten im Durchschnitt 1630 Franken pro Monat.

Der Bundesrat will mit der Reform erstens die Ungleichbehandlung beenden und zweitens eine finanzielle Entlastung erzielen. Die wichtigsten Neuerungen, die er vorschlägt:

  • Witwer und Witwen erhalten Hinterlassenenrenten, bis ihr jüngstes Kind 25 Jahre alt wird. Für Männer ist das ein begrenzter Ausbau, für Frauen ein deutlicher Abbau. Neu sollen diese Renten unabhängig vom Zivilstand gewährt werden, also auch für ledige Eltern. Wer ein Kind mit Behinderung betreut, erhält eine unbefristete Rente.
  • Wer keine unterhaltspflichtigen Kinder (mehr) hat, erhält beim Tod des Partners eine zweijährige Übergangsrente. Auch dies bedeutet für Frauen einen Ab- und für Männer einen Ausbau. Geschiedene sollen diese Leistung ebenfalls erhalten, sofern die verstorbene Person Unterhaltsbeiträge bezahlt hat.
  • Wer beim Tod des Partners 58-jährig oder älter ist und zudem finanziell in bescheidenen Verhältnissen lebt, soll via Ergänzungsleistungen (EL) unterstützt werden.
  • Für laufende Witwenrenten ist eine abgestufte Übergangsregelung geplant. Frauen über 55 Jahren können die Rente behalten. Dasselbe gilt für Frauen ab 50, deren Einkünfte so tief sind, dass sie EL erhalten. Alle anderen Witwen müssten sich darauf einstellen, dass ihre Rente zwei Jahre nach Inkrafttreten erlischt.

Die Vorlage dürfte 2025 im Parlament beraten werden. Da SP und Gewerkschaften bereits mit Widerstand drohen, muss sich die Sozialministerin Elisabeth Baume-Schneider auf einen weiteren Konflikt mit dem eigenen Lager einstellen. In ihrem Departement geht man bisher optimistisch davon aus, dass die Reform bereits 2026 umgesetzt werden könnte.

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