Mittwoch, November 27

Seit dem Tief in der Pandemie hat sich die Notierung des Flughafens Zürich verdoppelt. Der Blick in die Zukunft verspricht trotzdem weiteres Kurspotenzial.

Es war der Schweizer «Reopening Trade»: der Flughafen Zürich. Nach Ausbruch der Pandemie war der Flugverkehr zum Erliegen gekommen, und die Aktien der Flughafenbetreiberin sackten 2020 von 170 auf 100 Fr. ab.

Aufgrund des intakten Erholungspotenzials – auch dank der starken Bilanz des Unternehmens – hat The Market damals deshalb hier und hier empfohlen, sie zu kaufen.

Im Rückblick zeigt die Kursentwicklung, dass der Trade aufgegangen ist – wenn auch nicht ganz so schnell wie ursprünglich erwartet, seit der letzten Bestandesaufnahme von Anfang 2023 aber umso eindrücklicher.

Insgesamt hat sich der Kurs des Flughafens Zürich seit dem Tief in der Pandemie verdoppelt und den Swiss Performance Index (SPI) klar hinter sich gelassen. Ebenfalls ohne Dividenden gerechnet ist der SPI in derselben Zeit nur um ein Drittel vorgerückt.

Inzwischen hat sich das Passagieraufkommen in Zürich nahezu auf das Niveau von 2019 und damit von vor der Pandemie erholt. Es stellt sich somit die Frage, ob in den Aktien nach der rasanten Aufholjagd noch weiteres Potenzial steckt.

Dazu lohnt sich ein Blick zurück:

Der Fünfjahresvergleich mit Start vor der Pandemie zeigt, dass die Rückkehr der Valoren des Flughafens Zürich nicht übertrieben erscheint. Sie verkehren sogar immer noch mit einem kleinen Rückstand auf den Schweizer Gesamtmarkt.

Anders präsentiert sich das Bild jedoch über eine längere Periode:

Über ein Dezennium betrachtet wird deutlich, wie stark die Avancen der Flughafenaktien besonders seit Anfang 2023 im Vergleich zum SPI waren. Das Bild zeigt aber auch: In den Jahren 2017 und 2018 war der Kurs noch deutlich höher als heute – in der Spitze lag er bei fast 250 Fr. Und das, obwohl das Gewinnpotenzial des Unternehmens inzwischen zurück auf Vorpandemieniveau ist.

«Das Passagieraufkommen ist in der ersten Jahreshälfte auf mehr als 97% des Werts von 2019 gestiegen», sagt Manuel Peter, Analyst der Helvetischen Bank, der die Entwicklung des Flughafens Zürich eng verfolgt.

Seiner Meinung nach dürfte sich das Passagieraufkommen in Zürich angesichts des zusätzlichen Verkehrs durch die Fussball-Europameisterschaft in Deutschland sowie die noch bevorstehenden Olympischen Sommerspiele in Paris in der zweiten Jahreshälfte sogar weiter erholen. «Angesichts der bisherigen Entwicklung wirkt die Voraussage des Managements, 2024 wieder 95% des Passagieraufkommens von vor der Pandemie zu erreichen, konservativ», meint Peter.

Dass sich die Erholung aber nicht sofort, sondern mit einer leichten Verzögerung in den Zahlen des Flughafens niederschlägt, zeigt die über zwölf Monate rollierend dargestellte Zahl der Flugbewegungen.

2020 brachen die Flugbewegungen ein. Gleichzeitig hat sich die Sitzplatzbelegung mehr als halbiert. Seither läuft die Erholung. Bereits im vergangenen Jahr kehrte die Sitzplatzbelegung mit rund 75% auf Vorpandemieniveau zurück. Auch die Flugbewegungen nähern sich den Werten von 2019, rollierend dargestellt allerdings nur zögerlich. Das frühere Ganzjahresvolumen dürfte erst 2025 erreicht werden.

Die Stärke des Flughafens Zürich ist der grosse Hebel, den das Geschäftsmodell bietet. In normalen Zeiten erwirtschaftet das Unternehmen jeweils doppelt so hohe Einnahmen, wie es Kosten hat. Dank Sparmassnahmen ist die Ebitda-Marge bereits 2022 auf mehr als 50% zurückgekehrt.

Der Blick nach vorn verspricht noch mehr: Obwohl beispielsweise die Sicherheitskosten fast im Einklang mit dem wieder steigenden Passagiervolumen zunehmen, wirken die in der Pandemie ergriffenen Effizienzmassnahmen weiter.

Die Analysten gehen im Konsens davon aus, dass der Ertrag auch in den kommenden Jahren deutlich stärker steigen wird, als die Kosten zunehmen – der operative Hebel wird damit stets grösser.

Das Management ist ohnehin zuversichtlich. Es stellt in Aussicht, bei gleichem Passagieraufkommen wie 2019 künftig einen um 100 Mio. Fr. höheren Ebitda generieren zu können.

Auch Analyst Peter hält das für realistisch: «Das Ziel ergibt sich einerseits daraus, dass die Kosten während der Pandemie getrimmt wurden. Andererseits liegt der Mietertrag dank dem Geschäftskomplex The Circle, der während der Pandemie eröffnet wurde, sowie den von Priora akquirierten Immobilien inzwischen rund 50 Mio. Fr. höher als damals. Zudem wird der im Bau befindliche indische Flughafen Noida ab 2025 erstmalig Ertrag generieren.»

In Noida sowie den fünf bestehenden ausländischen Tochterflughäfen in Brasilien und Chile, deren Passagiervolumen im Jahresvergleich 30% zugelegt hat, sieht Peter Potenzial:

«Noch ist der Ergebnisbeitrag aus dem internationalen Geschäft vergleichsweise klein», sagt er. «Doch angesichts der starken Entwicklung und insbesondere mit Blick auf den 2025 in Betrieb gehenden Flughafen Noida, für den Zürich eine Konzession bis 2061 hält, dürfte das internationale Geschäft zum künftigen Wachstumsmotor des gesamten Konzerns werden.»

Die Konsensschätzung zur Entwicklung des Ebitda macht deutlich, welches Wachstumspotenzial dem indischen Flughafen Noida zugetraut wird. Die Grafik zeigt zudem klar, welche Wachstums- und Effizienzverbesserungen der Flughafen Zürich seit der Pandemie auch im heimischen Geschäft erreicht hat. Und sie belegt: Der Ebitda übersteigt bereits jetzt die Werte von vor der Pandemie, als die Aktien teils deutlich höher notierten als heute.

Der Blick auf die zwölf Monate rollierenden Gewinnschätzungen macht diesbezüglich zweierlei klar.

Über die gesamte Zehnjahresperiode hat sich der Kurs im Einklang mit dem Gewinn des Flughafens entwickelt. Beide Grössen liegen heute 75% über dem Anfangswert der Betrachtung.

Zweitens gab es innerhalb dieser zehn Jahre jedoch bis 2018 eine Zeit, in der der Kurs der erwarteten Gewinnentwicklung vorauseilte. Umgekehrt fiel der Gewinneinbruch während der Pandemie heftiger aus, als der Kurs zurückkam.

Mit anderen Worten: Das erste Drittel des zehnjährigen Zeitraums war von einer Bewertungsexpansion geprägt, das zweite Drittel – nach der Ausnahmesituation in der Pandemie – von einer Bewertungskontraktion.

Die obige Grafik zeigt, wie die Bewertung anhand des zwölf Monate rollierenden Kurs-Gewinn-Verhältnisses von knapp 18 im Jahr 2014 bis in der Spitze auf mehr als 28 expandierte. Die Bewertungsexpansion prägte in dieser Phase die Kursentwicklung mehr als das Gewinnwachstum.

Das Gegenteil trifft auf die jüngste Kursavance zu: Nachdem sich die Bewertungsanomalie aus der Pandemie aufgelöst hatte, stieg der Kurs seit 2023 rasant – und gleichwohl sank die Bewertung.

Die Schätzungen für das nun angelaufene Gewinnwachstum sind noch deutlich stärker gestiegen, als der Aktienkurs bereits vorgerückt ist.

Derzeit notieren die Valoren des Flughafens Zürich wie bereits vor zehn Jahren zu einem KGV von weniger als 18. Damit sind sie wieder sehr moderat eingestuft für ein Unternehmen, das höchst verlässlich und profitabel arbeitet – sofern nicht gerade eine Pandemie herrscht.

Derzeit durchläuft das Unternehmen mit Investitionen in Zürich, die das Management auf 250 bis 300 Mio. Fr. beziffert, sowie dem Bau des indischen Flughafens Noida, für den 2024 rund 400 Mio. Fr. budgetiert sind, eine Phase erhöhter Investitionen.

Doch ab nächstem Jahr sollen die Investitionsausgaben wieder deutlich abnehmen – ehe allenfalls ab 2027 oder 2028 ein erster Ausbau von Noida starten könnte.

Die Investitionszyklen dienen einerseits dazu, das Wachstum zu fördern, andererseits erlauben die Pausen, genügend liquide Mittel im Unternehmen einzubehalten, um auch künftig wieder eine attraktive Dividende auszuschütten.

Mit hohen Ausschüttungen, auch in Form von steuerfreien Kapitaleinlagereserven, gehörten die Aktien des Flughafens Zürich früher zu den attraktiven und verlässlichen Schweizer Dividendenwerten – bis es in der Pandemie zu drei Nullrunden kam.

2022 wurde die Ausschüttung wieder aufgenommen. Ziel ist es, das angestammt hohe und verlässliche Niveau wieder zu erreichen.

Derzeit liegt die für 2024 erwartete Dividendenrendite zwar erst bei durchschnittlichen 2,9%. Doch wie bereits in den beiden Jahren zuvor könnte die Ausschüttung noch durch eine Rückführung von Kapitaleinlagereserven ergänzt werden. In diesem Fall könnte bereits die Ausschüttungshöhe von 2019 wieder erreicht werden. In den Folgejahren sollte zudem die ordentliche Dividende weiter steigen.

Mit Blick auf das erwartete Wachstum des Gewinns je Titel ist absehbar, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die Aktien des Flughafens Zürich ihr Rekordniveau von knapp 250 Fr. wieder erreichen beziehungsweise übertreffen.

Sollte angesichts der neuen Stabilität und Effizienz, die das Geschäftsmodell nach der Pandemie wieder verspricht, zudem die Bewertung nur leicht, um 10%, auf ein historisch mittleres KGV von 20 expandieren, könnte die Rekordmarke von 250 Fr. bereits in zwei Jahren fallen.

Gerade in der derzeit unsicheren Börsenverfassung mit den global ungewissen Konjunkturaussichten könnten sich die Valoren auch aufgrund des erneut stabilen Geschäftsgangs des Flughafens aber bereits jetzt als Beimischung im Portfolio bewähren.

«Der Flughafen Zürich muss weder die Schwäche der europäischen Industrie noch die gehemmte Konsumstimmung der Chinesen fürchten», sagt Peter von der Helvetischen Bank. Die chinesischen Touristen seien nach der Pandemie nie vollständig zurückgekehrt. Für den Flughafen ergebe sich daraus mit Blick nach vorn kein Risiko mehr, sondern einzig die Chance, dass die Chinesen eines Tages wieder verstärkt auf Auslandreise gehen.

Zusammen mit dem Wachstumspotenzial in Indien, der wieder vernünftigen Bewertung sowie der steigenden Dividende spricht damit vieles dafür, den Flughafenaktien auch nach den jüngsten Kursavancen die Treue zu halten.

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