Kaum eine amerikanische Firma ist so von China abhängig wie der iPhone-Konzern. Mit Verschiebungen in der Lieferkette will Apple die neuen Zölle vorerst umgehen. Doch auch mehrere Rechtsstreite rütteln am Geschäftsmodell.
Es waren düstere Aussichten für Apples neues iPhone 16: Dem als «KI-Handy» angepriesenen Smartphone mangelte es an künstlicher Intelligenz. In peppigen Werbefilmen versprochene Funktionen konnte Apple gar nicht bauen, wie der Konzern jüngst eingestehen musste.
Doch Mitte März erhielt das neue iPhone plötzlich Schützenhilfe von Donald Trump: Als der US-Präsident höhere und noch höhere Zölle auf Produkte aus China ankündigte, prophezeiten Beobachter, dass ein iPhone schon bald 2000 bis 3000 Dollar kosten dürfte. Das trieb die Kunden massenweise in Apples Läden, amerikanische Medien berichteten von Panikkäufen.
Tatsächlich lief das vergangene Quartal für Apple gut: Zwischen Januar und März stieg der Umsatz um 5 Prozent und damit stärker als erwartet auf 95 Milliarden Dollar, wie der Konzern am Donnerstag mitteilte. Auch der Nettogewinn wuchs um 5 Prozent im Jahresvergleich auf 24,8 Milliarden Dollar.
Amerikaner bekommen vorerst nur noch iPhones aus Indien
Doch der «Trump-Effekt» auf Apples Umsatz dürfte sich bald ins Gegenteil umkehren. Die dominierende Frage im Telefonat mit Investoren war, wie sich der Konzern im Handelskrieg der Regierung Trump positioniere. Mit Blick auf das laufende Quartal gab sich der CEO Tim Cook überraschend zuversichtlich: Sollte die US-Regierung an den derzeit geplanten Zöllen festhalten, würde das Apple in den nächsten drei Monaten etwa 900 Millionen Dollar kosten.
Das ist Kleingeld für einen Konzern von Apples Dimension und überraschte die Investoren. Auf entsprechende Nachfragen führte Cook aus, dass das Änderungen in der Lieferkette zu verdanken sei: Die Hälfte der in den USA verkauften iPhones würden im kommenden Quartal aus Indien stammen. Die in China gefertigten iPhones werde man dem Rest der Welt verkaufen – und auch den Indern. Auf diese Weise will der Konzern die Zölle umgehen, die die Regierung Trump bald auf Elektronikprodukte mit Halbleitern erheben will, die aus China kommen – also fast alle Apple-Produkte.
Cook machte jedoch auch klar, dass diese Lösung nur temporär sei, und deutete an, dass die Zukunft weitaus düsterer werden könnte: «Es ist sehr schwer zu sagen, was nach dem Juni-Quartal sein wird.»
Langfristig will Apple sich gemäss Medienberichten von China wegbewegen, doch am Hier und Jetzt ändert das wenig. 80 Prozent aller iPhones und ein Grossteil aller Smartwatches, Tablets und Laptops von Apple werden in China gefertigt. Gleichzeitig macht der Konzern fast die Hälfte seines Umsatzes im Heimatland USA – sprich alle Tricks, um die amerikanische Nachfrage mit Produkten aus Indien abzudecken, können wenn überhaupt nur kurzfristig aufgehen.
Über kurz oder lang wird jeglicher US-Importzoll auf China auch Apple treffen. Der Konzern kann darauf reagieren, indem er seine Preise anhebt und in Kauf nimmt, weniger Umsatz zu machen. Oder indem er die Kosten der Zölle trägt, das aber würde die Gewinnmarge stark senken. So oder so dürfte es Apples Wachstum hemmen.
Da der Handelskrieg mit China sich schon lange abzeichnet, hat Apple bereits begonnen, seine Lieferkette gen Vietnam und Indien zu diversifizieren: Etwa jedes fünfte iPhone wird heute in Indien gefertigt. Doch Apple braucht China nicht nur für die Produktion. Der Konzern verkauft auch immer mehr an die dort wachsende Mittelklasse: Vergangenes Jahr waren es Güter im Wert von 67 Milliarden Dollar, 17 Prozent des globalen Umsatzes.
Sollte sich der Handelskrieg zwischen den beiden Ländern weiter zuspitzen, dürften sich aber mehr und mehr chinesische Konsumenten von einem amerikanischen Elektronikhersteller abwenden. Peking hat es Beamten bereits untersagt, Smartphones von ausländischen Herstellern wie Apple zu verwenden.
Rechtsstreite bedrohen den Geschäftsgang
Der Handelskrieg ist nur eine der dunklen Wolken, die derzeit über Cupertino hängen. Am Mittwoch flatterte ein für Apple womöglich desaströses Gerichtsurteil herein: Eine Bundesrichterin hielt fest, dass Apple sich im Streit um seine App-Stores rechtswidrig verhalten habe.
Es ist die jüngste Wendung in einem seit fünf Jahren tobenden Prozess zwischen dem Spiele-Entwickler Epic und dem Apple-Konzern um die Frage, ob Letzterer wirklich von jedem Verkauf im App-Store eine dicke Provision von 30 Prozent einbehalten darf.
Dies sei grundsätzlich in Ordnung, hatte die gleiche Bundesrichterin 2022 geurteilt – aber Apple müsse es App-Entwicklern wie Epic erlauben, seine Produkte auch auf anderen Wegen anzubieten und so Apples stolze Kommission umgehen zu können.
Diese Anordnung habe Apple dreist missachtet, hielt die Bundesrichterin am Mittwoch fest. Der Konzern habe es zwar technisch ermöglicht, dass Nutzer auch ausserhalb des App-Stores Einkäufe tätigen könnten – doch auch für solche berechnet sich Apple weiterhin eine Kommission von 27 Prozent. Epic hatte deswegen vergangenes Jahr erneut Klage gegen Apple eingereicht.
Interessant sind die Prozessunterlagen, sie gewähren Einblicke in Entscheidungsprozesse im Hause Apple: Laut ihnen hatte sich der für den Apple Store zuständige Manager Phil Schiller gegen die neue Gebühr ausgesprochen und davor gewarnt, dass diese gegen das Gerichtsurteil verstosse. Der damalige Finanzchef Luca Maestri war jedoch dafür. Der CEO Tim Cook schloss sich Maestri an und legte noch eins obendrauf: Den Nutzern sollte zusätzlich ein «scare screen» angezeigt werden, also ein abschreckender Hinweis, wenn sie einen Kauf ausserhalb des App-Stores tätigen wollten.
«Apple hat versucht, unter direkter Missachtung der gerichtlichen Anordnung einen milliardenschweren Einnahmestrom aufrechtzuerhalten», hiess es im Urteil vom Mittwoch. «Apple wusste genau, was es tat, und wählte stets die wettbewerbsfeindlichste Option. Cook traf eine schlechte Wahl.»
Tatsächlich wurden in Apples App-Store allein im Jahr 2019 Verkäufe im Umfang von einer halben Billion Dollar getätigt. Weniger Provisionen im App-Store würden für Apple also Milliardeneinbussen bedeuten.
Noch dazu wies die Richterin den zuständigen Bezirksstaatsanwalt an, eine Untersuchung gegen Apple wegen krimineller Missachtung eines Urteils einzuleiten.
26 Milliarden Dollar jährlich von Google
Auch ein zweiter Rechtsstreit könnte für Apple teuer enden: Der iPhone-Hersteller verdient jedes Jahr 26 Milliarden Dollar an Lizenzgebühren, damit Google die Standard-Suchmaschine in Apples Webbrowser Safari ist. Ein Bundesrichter erklärte diesen Deal jüngst jedoch für wettbewerbswidrig.
Auf die diversen Rechtsstreite angesprochen, sagte Cook am Donnerstag, dass er dem Urteil der Richterin im Epic-Fall vehement widerspreche und Apple in Berufung gegangen sei. Aber der CEO räumte auch ein, dass die Rechtsstreite durchaus ein Risiko für den Konzern darstellten. «Die Ausgänge sind unklar.»
Die Aktien von Apple fielen am Donnerstag im nachbörslichen Handel um 4 Prozent.