Freitag, Dezember 27

Der amerikanische Präsident Joe Biden besucht auf seiner wohl letzten Auslandreise den afrikanischen Kontinent. Dort herrscht wenig Begeisterung. Was läuft für die USA schief in Afrika? Interview mit dem amerikanischen Analysten Mvemba Dizolele.

«Die USA setzen voll und ganz auf die Zukunft Afrikas», sagte der amerikanische Präsident Joe Biden, als er Ende 2022 fast fünfzig afrikanische Staatschefs zu einem grossen Gipfel in Washington empfing. Der Satz sollte zum Ausdruck bringen, dass Bidens Regierung die Bedeutung eines Kontinents erkannt hatte, der 2050 ein Viertel der Weltbevölkerung stellen wird.

Bis am Mittwoch nun besucht der amerikanische Präsident Angola – und erfüllt damit ein am Gipfel gegebenes Versprechen. Es ist die erste Afrika-Reise eines amerikanischen Präsidenten, seit Barack Obama 2015 nach Kenya und Äthiopien reiste.

Biden besucht in Angola unter anderem ein Sklavereimuseum und wird für den Lobito-Korridor werben. Bei dieser wichtigsten Initiative der Biden-Regierung in Afrika handelt es sich um die Wiederherstellung einer Eisenbahnlinie, die Minengebiete in Kongo-Kinshasa und Sambia mit dem Hafen von Lobito in Angola verbindet.

Mvemba Dizolele ist der Leiter des Afrika-Programms am Center for Strategic and International Studies (CSIS), einer einflussreichen aussenpolitischen Denkfabrik in Washington.

Herr Dizolele, die Regierung Biden griff oft zu luftiger Rhetorik, wenn sie die wachsende Bedeutung Afrikas für die USA und die Welt beschreiben wollte. Die Wahrnehmung auf dem afrikanischen Kontinent ist, dass wenig Taten folgten. Täuscht das?

Es gab tatsächlich eine Kluft zwischen Rhetorik und Taten. Aber die Regierung Biden hat auch einige wichtige Dinge getan. Sie lancierte zum Beispiel 2022 eine Afrika-Strategie, die die wachsende Bedeutung des Kontinents auf der Weltbühne anerkennt. Das Problem war, dass die Strategie zu einem Zeitpunkt kam, als die Afrika-Politik der Biden-Regierung schon ein Muster hatte.

Welches?

Eine Reihe hoher Regierungsvertreter reiste nach Afrika, zum Beispiel Vizepräsidentin Kamala Harris im Frühjahr 2023. Allerdings führten die Besuche nie zu etwas Zählbarem.

Woran liegt das?

Das Problem ist seit langem dasselbe: Afrika hat für amerikanische Regierungen nicht die Priorität, die der Kontinent verdienen würde. Das war unter der Regierung Biden nicht anders, trotz aller Rhetorik.

Im Gegensatz zu China, dessen Handelsvolumen mit Afrika fast viermal so gross ist wie jenes der USA mit Afrika. Oder Russland, das sich wieder stärker auf dem Kontinent engagiert, vor allem militärisch. Haben die USA in Afrika in den vergangenen vier Jahren an Boden verloren?

Ich würde nicht allein der Biden-Regierung die Schuld geben. Man kann zurückgehen zu den Regierungen von Donald Trump oder schon von Barack Obama. Sie sprachen viel über Werte, aber bei afrikanischen Bedürfnissen, zum Beispiel bei Infrastruktur, boten die USA wenig an.

China hat eine klar definierte Afrika-Politik. Sie bestand in den vergangenen zwei Jahrzehnten darin, grosse Infrastrukturprojekte wie Eisenbahnen oder Strassen zu bauen. Wofür steht die amerikanische Afrika-Politik?

Das ist genau das Problem. Die USA legten nach dem Ende des Kalten Krieges nie klar fest, wie sie sich in Afrika engagieren wollten. Sie genossen es während zwanzig Jahren, die einzige verbliebene Supermacht zu sein. Sie fokussierten auf Themen wie Demokratie und Menschenrechte – die USA lieben es, über Werte zu sprechen. Nur, was sind diese Werte? Die Amerikaner sind sich selber nicht einig darüber, wie wir vor kurzem bei den Wahlen gesehen haben.

Was hätten die USA denn tun sollen?

Afrika braucht Strassen, damit Bauern ihre Produkte zum Markt transportieren können. Der Kontinent braucht Unternehmen, damit junge Leute Arbeit finden. Die USA sprechen über Dinge wie Rechtsstaatlichkeit, die nicht von einem Tag auf den anderen realisiert werden können. Die Rivalen der USA wie China oder Russland dagegen bieten an, was Afrikaner sofort benötigen.

Riskieren die USA, überflüssig zu werden?

Nein, Afrikaner möchten gute Beziehungen haben mit den USA. Die USA sind wichtig, kein anderes Land hat sie ersetzt. Doch die USA engagieren sich häufig nicht dort, wo es für afrikanische Länder zählt. Staaten mit Sicherheitskrisen wie Mali, Niger oder Kongo-Kinshasa wünschten sich mehr Engagement der USA bei der Ausbildung von Truppen oder bei Waffenlieferungen. Aber die USA stellen so viele Bedingungen, dass diese Länder sich lieber anderen zuwenden, zum Beispiel Russland.

In Mali und Niger regieren Putschisten, die immer repressiver werden. Dient es amerikanischen Interessen, Werte wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in den Wind zu schlagen im Umgang mit diesen Staaten?

Die beste Weise, Regierungen zu beeinflussen, ist es, mit ihnen zu verkehren. Wenn wir Beziehungen sistieren, weil zwanzig Militärs geputscht haben, entziehen wir Millionen Bürgerinnen und Bürgern dieser Länder die Unterstützung. Wenn den USA und dem Westen nicht egal ist, was in diesen Ländern passiert, werden sie mit den Militärs umgehen müssen. Diese werden irgendwann wieder weg sein.

Haben afrikanische Regierungen in den vergangenen Jahren realisiert, dass sie gegenüber den USA und dem Westen mehr Handlungsspielraum haben, weil sie in China oder Russland Alternativen haben? Im Fall des Krieges in der Ukraine zum Beispiel weigerten sich viele afrikanische Staaten, die westliche Position zu unterstützen.

Afrikanische Regierungen hatten immer Handlungsmacht. Verändert hat sich, dass sie mehr mögliche Partner haben. Nehmen Sie die Türkei: In jeder wichtigen Stadt in Afrika gibt es internationale türkische Schulen. Die Türkei engagiert sich stark beim Bau von Infrastruktur und hat viel Soft Power – zum Beispiel durch Turkish Airlines, die auf dem Kontinent viele Flugverbindungen unterhält. Auch die arabischen Golfstaaten tauchen vielerorts als Partner auf. Das heisst: Afrikanische Länder können entscheiden, auf welche Weise sie mit dem Rest der Welt interagieren. Die USA müssen ihren Platz finden, der darüber hinausgeht, auf Werte zu pochen und zu hoffen, dass die Afrikaner schon auf Linie schwenken.

Die Regierung Biden ist in Afrika besonders stolz auf den von ihr initiierten Lobito-Eisenbahnkorridor. Es gibt aber auch viel Kritik. Die Initiative ahme mit Verspätung nach, was China seit langem in Afrika tue. Die Initiative sei auch veraltet, weil sie dazu diene, Rohstoffe aus Afrika abzutransportieren. Ist die Kritik berechtigt?

Sie trifft zu. Aber es ist auch wichtig, dass die USA in Afrika zeigen, dass sie bereit sind, sich bei etwas zu engagieren, was einen unmittelbaren Effekt hat. Die Crux zum jetzigen Zeitpunkt ist aber, dass der Lobito-Korridor vor allem dazu dient, sogenannte grüne Mineralien abzutransportieren.

Was sich tatsächlich nicht davon unterscheidet, wie traditionell mit Afrika umgegangen wurde.

Es ähnelt dem, was andere machen. Die Chinesen zum Beispiel besitzen Minen in Kongo-Kinshasa oder Sambia und transportieren Kupfer und Kobalt nach Osten zum Indischen Ozean. Wenn nun die USA versuchen, die Ressourcen Richtung Atlantik zu transportieren, worin liegt der Mehrwert für die lokale Bevölkerung? Kommt die Lobito-Initiative zum Beispiel mit Strassen einher, die dem Landwirtschaftssektor in Angola wachsen helfen?

Im Januar übernimmt in Washington wieder Donald Trump die Macht. In seiner ersten Amtszeit begegnete er Afrika mit Gleichgültigkeit und bezeichnete afrikanische Länder als «Scheisslöcher». Kommen mit Trump schwierige Zeiten auf Afrika zu?

Trumps abfällige Kommentare prägten die Wahrnehmung seiner Afrika-Politik. Dabei ging anderes unter. Trumps Regierung schuf zum Beispiel ein Instrument zur Entwicklungsfinanzierung, das noch immer besteht und das wirtschaftliche Engagement der USA in Afrika voranbringen könnte. Republikanische Regierungen sind zudem oft forscher als demokratische. Pepfar zum Beispiel, ein grosses Anti-Aids-Programm, hat Millionen Leben in Afrika gerettet. Es begann während der Präsidentschaft von George W. Bush. Es ist noch zu früh, zu sagen, wie die Trump-Regierung mit Afrika umgehen wird.

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