Freitag, Januar 31

Der Leitzins in den USA bleibt auf hohem Niveau, obwohl sich der Präsident ausdrücklich «viel tiefere» Zinsen gewünscht hat. Das Fed begibt sich zunehmend auf Kollisionskurs mit dem Weissen Haus.

Die amerikanische Notenbank begibt sich auf Kollisionskurs mit Donald Trump. Am Mittwoch hat sie, erstmals seit vergangenem Sommer, den Leitzins anlässlich ihres geldpolitischen Entscheids nicht weiter gesenkt. Der Leitzins verbleibt damit im ziemlich hohen Band zwischen 4,25 und 4,5 Prozent und wird die wirtschaftliche Aktivität in den USA weiterhin leicht abkühlen.

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Die Notenbank verzichtete in ihrer Mitteilung, anders als in den vergangenen Monaten, auf einen Hinweis, dass sie in Sachen Inflationsbekämpfung einen Fortschritt erzielt habe. Der Fed-Chef Jerome Powell relativierte diese Veränderung in der Pressekonferenz jedoch, man habe die Mitteilung sprachlich aufgeräumt. Der Entscheid des Fed fiel diesmal wieder einstimmig, anders als noch im Dezember, als sich ein Mitglied des Entscheidungsgremiums gegen eine Zinssenkung ausgesprochen hatte.

Der Finanzmarkt hat diese Pause schon länger eingepreist, wartete aber umso gespannter auf die Kommentare des Fed-Chefs Jerome Powell zur derzeitigen Wirtschaftslage und zur ungewöhnlichen Politik der neuen Regierung. Die erste Reaktion auf das Communiqué der Zentralbank war leicht negativ: Aktien und US-Staatsanleihen verloren etwas an Wert, machten diese Verluste im Laufe der Fed-Pressekonferenz aber bereits wieder wett.

Trump glaubt, es besser zu wissen als Powell

Trump hat erst vergangene Woche und nicht zum ersten Mal gesagt, er verstehe Zinsen «viel besser» als das Fed und wolle, dass diese stark gesenkt würden. Je länger Powell und die Fed-Spitze mit Zinssenkungen zuwarten, desto grösser das Konfliktpotenzial mit dem Präsidenten. Dieser hat in der Vergangenheit widersprüchliche Aussagen dazu gemacht, ob und wie er in die Unabhängigkeit der Zentralbank eingreifen möchte.

Powell äusserte sich in der Pressekonferenz wie erwartet kaum zu den jüngsten Aussagen von Trump. Er gestand aber ein, dass die Unsicherheit, wie sich die Handels- oder Steuerpolitik entwickle, derzeit erhöht sei. Doch das sei vorübergehend. Das Fed wird – wie es das stets tut, wenn eine neue Regierung ihr Amt antritt – abwarten, welche politischen Massnahmen tatsächlich eingeführt werden, bevor es seine eigene Geldpolitik daran anpasst.

Am späten Nachmittag amerikanischer Ostküstenzeit reagierte Trump auf Powells Pressekonferenz, wiederum auf charakteristische Art: Mit einer geharnischten Nachricht auf seinem eigenen sozialen Netzwerk, Truth Social. «Weil Jay Powell und das Fed daran scheiterten, das Inflationsproblem zu lösen, dass sie geschaffen haben, werde ich es tun», schrieb der US-Präsident. Und zwar, indem er die Energiepreise senke, Regulierung zusammenstreiche, den internationalen Handel ausbalanciere und die amerikanische Industrie wiederbelebe.

Trump kritisiert weiter, wenn das Fed weniger Zeit für Diversitätsinitiativen, «Genderideologie, ‹grüne› Energie und Fake-Klimawandel» aufgewendet hätte, wäre die Inflation nie zu einem Problem geworden. Diese Kritik wird von Fachleuten gemeinhin nicht geteilt. Das Fed trug eine Mitschuld am starken Inflationsschub der vergangenen Jahre, allerdings aus anderen Gründen.

Die ab 2021 einsetzende hohe Teuerung liess sich einerseits auf Spätfolgen der Pandemie zurückführen: Eine sich rasch erholende Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen traf auf ein stark eingeschränktes Arbeitsangebot sowie unterbrochene Lieferketten, was zu rasch ansteigenden Preisen führte. Andererseits befeuerte die Administration von Joe Biden den Preisauftrieb durch eine sehr expansive Fiskalpolitik.

Das Fed wiederum hat den Inflationsschub zunächst als vorübergehendes Problem eingeschätzt und sich deswegen viel zu spät mit Zinserhöhungen dagegen gestemmt. Später reagierte Powell indes entschlossen auf die Teuerung und erhöhte den Leitzins auf 5,25 bis 5,5 Prozent. Diese Massnahme hatte den gewünschten Erfolg, die Inflation sank merklich und befindet sich derzeit zumindest in der Nähe des 2-Prozent-Ziels.

Powell war in der Pressekonferenz schon auf Kritik aus dem Trump-Lager an der Positionierung des Fed zu diesen Themen befragt worden. Auch hier hielt er den Ball flach und verzichtete darauf, direkt über Trump und sein Programm zu sprechen. Er sagte, dass das Fed Anordnungen der Regierung an Bundesbehörden beachte. Das soll auch für die neue Anordnung gelten, jegliche Diversitätsinitiativen zu beenden. Man werde diese vereinbar mit dem geltenden Recht umsetzen, so Powell.

Trump ist nicht der erste amerikanische Präsident, der das Fed zu einer Tiefzinspolitik auffordert: Niedrige Zinsen stimulieren die Wirtschaft, was meist auch die Beliebtheitswerte des Präsidenten verbessert. Das Fed konnte sich aber eine gewisse operative Unabhängigkeit erstreiten, nachdem starke politische Einflussnahme in den 1970er Jahren in einer Geldschwemme und hohen Inflation geendet hatte.

Bis vor wenigen Monaten sah es allerdings so aus, als ob das Fed von sich aus Trumps Wünschen entsprechen und die Leitzinsen im Laufe dieses Jahres vier- bis gar sechsmal senken könnte. Nicht um dem Präsidenten zu gefallen, sondern weil die wirtschaftliche Lage eine Lockerung zuzulassen schien: Der Inflationsdruck nahm ab, und der Arbeitsmarkt kühlte sich etwas ab.

Schon anlässlich des Zinsentscheids im Dezember 2024 schlug Powell jedoch vorsichtigere Töne an, unter anderem weil sich die Teuerungsrate in den USA hartnäckig über dem 2-Prozent-Ziel des Fed hält. Die jüngsten Zahlen vom Arbeitsmarkt sind zudem sehr positiv ausgefallen, und die amerikanische Wirtschaft wächst weiter. Einige Fed-Vertreter bezogen in ihren Entscheid bereits die Erwartung ein, dass Präsident Trump eine inflationstreibende Politik betreiben werde.

Der Dollar beugt sich Trumps Willen nicht

Der Nullentscheid vom Mittwoch verdeutlicht, dass die USA in ihrer Zinspolitik einen konservativeren Pfad einschlagen als andere Industriestaaten, deren Wirtschaft auf schwächeren Beinen steht: Am Mittwochmorgen hatte die kanadische Nationalbank beispielsweise zum sechsten Mal in Folge den Leitzins gesenkt. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) und die Bank of England dürften 2025 mehr Zinssenkungen anpeilen als das Fed. Die damit verbundene Divergenz der Zinserwartungen trägt dazu bei, dass der Dollar gegenüber dem Euro oder dem Pfund in den vergangenen Monaten erstarkt ist.

Einzig die Bank of Japan fährt derzeit einen gegensätzlichen Kurs und ist dabei, das Zinsniveau vorsichtig anzuheben. Sie tut dies allerdings aus einer völlig anderen geldpolitischen Ausgangslage: Die Zinsen in Japan befinden sich noch immer auf ultraniedrigem Level.

Die Dollarstärke erschwert es amerikanischen Exportunternehmen, ihre Güter nach Europa und Asien zu verkaufen, und unterminiert damit auch das Versprechen von Trump, die hohen Handelsbilanzdefizite der USA gegenüber zahlreichen Handelspartnern zu verkleinern.

Das Fed kämpft um seine Glaubwürdigkeit

Die Fed-Vertreter dürften zudem die Zinsentwicklung auf langjährigen US-Staatsanleihen genau verfolgt haben. Die Papiere mit einer Laufzeit von 10 Jahren haben seit dem Sommer 2024 deutlich an Wert verloren – was sich in steigenden Zinsen spiegelt. War im September noch ein Zins von 3,6 Prozent fällig, sind es derzeit schon 4,6 Prozent. Dieser Trend könnte für das Fed gefährlich werden, falls ihm die Kontrolle entgleitet. Es kann die langfristigen Zinsen nur indirekt beeinflussen, diese haben aber starke Auswirkungen auf das Wirtschaftsleben in den USA, weil sich die Kosten für Firmenkredite und Hypotheken danach richten.

Der Zinsanstieg kann auf drei Gründe zurückgeführt werden: Erstens könnten die Anleger ein langfristig höheres Wachstum in den USA erwarten, weil die Arbeitsproduktivität zunimmt. Das ist angesichts des KI-Booms gut denkbar und wäre das beste Szenario aus Sicht der Währungshüter.

Zweitens könnten die USA relativ zu anderen Schuldnern an Attraktivität verloren haben, etwa wegen ihrer enorm hohen Staatsverschuldung und der Unfähigkeit des amerikanischen Parlaments, Geld einzusparen. Das wäre in erster Linie ein Fingerzeig an die Politik, könnte aber auch das Fed nicht kaltlassen.

Drittens preisen die Investoren auch eine langfristig höhere Inflation ein. Etablierte Konsumentenbefragungen, beispielsweise der Universität Michigan, deuten darauf hin. Der Wert dieser Befragungen ist jüngst etwas in Zweifel gezogen worden, weil die Ansichten von Republikanern und Demokraten, ob die Teuerung unter Kontrolle ist, stark auseinanderdriften. Die höhere Inflationserwartung lässt sich aber auch angesichts des Preisunterschieds zwischen inflationsgeschützten und normalen Staatsanleihen gut nachweisen.

Ein Grund dafür könnten die Einfuhrzölle sein, die Donald Trump androht. Weichen die Inflationserwartungen deutlich ab von den 2 Prozent, die das Fed anpeilt, ist das ein grosses Problem. Es hiesse, dass der Markt das Vertrauen in die Notenbank verliert.

In diesem Fall müsste das Fed alle Hebel in Bewegung setzen, um das Vertrauen zurückzuerlangen, und allenfalls die Leitzinsen sogar wieder anheben. Die Notenbank geriete auf scharfen Kollisionskurs mit dem Weissen Haus.

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