Das Vertrauen in die etablierten Medien ist in den USA im Sinkflug. Der designierte Präsident droht, sie rechtlich in die Mangel zu nehmen. In dieser Krise ist Kreativität statt Empörung gefragt.
Donald Trumps deutlicher Wahlsieg im November wirft kein besonders gutes Licht auf die etablierten, meist Trump-kritischen Medien in den USA. Zuerst hatten sie den kognitiven Abbau von Joe Biden weitgehend ignoriert, dann sprangen sie auf den fabrizierten Hype von Kamala Harris auf. Schliesslich verpassten sie es, den Rechtsrutsch im ganzen Land wahrzunehmen, der sich in der Wahlnacht manifestierte. Das ist kein guter Leistungsausweis für eine Gilde, die der Wahrheit verpflichtet ist. Mehr noch, die Wiederwahl von Trump bringt viele amerikanische Medienschaffende dazu, sich händeringend zu fragen, inwiefern sie überhaupt noch relevant sind.
Die Angst vor Bedeutungsverlust geht um. «Können die Medien überleben?», fragte das «New York Magazine» 57 führende Medienschaffende. Ein TV-Direktor erklärte anonym, Trumps Sieg bedeute, dass die Mainstream-Medien in der bisherigen Form tot seien. Der Unternehmer und «Daily Wire»-Podcaster Matt Walsh postete in der Wahlnacht fast schadenfreudig: «Trump hat 2016 den Medien den Krieg erklärt; heute hat er sie komplett besiegt; sie werden nie wieder relevant sein.» Der CNN-Kommentator Scott Jennings sprach von einer «Art Strafklage gegen den politischen Informationskomplex».
Am Mainstream vorbei
Tatsächlich hatte Donald Trump im Wahlkampf linksliberale Medienhäuser wie die «Washington Post», die «New York Times» oder den Fernsehsender CNN aussen vor gelassen. Er gewann den medialen Kampf gegen Kamala Harris, indem er durch Podcasts tingelte sowie durch die Unterstützung des X-Besitzers Elon Musk. Auch wenn die etablierten Mainstream-Medien durchaus noch nicht klinisch tot sind und einige wie die «New York Times» und das «Wall Street Journal» sich sogar in ausgezeichneter Gesundheit befinden, wird 2024 als das Jahr in die Geschichte eingehen, als die sogenannten Mainstream-Medien den Mainstream-Wähler nicht mehr erreichten.
Die Erkenntnis ist für viele amerikanische Medienschaffende bitter: Jahrelang schrieben sie gegen die Wahlmanipulationslüge Trumps an, über die Folgen des Sturms auf das Capitol und warnten teilweise berechtigt, teilweise alarmistisch vor einer zweiten Präsidentschaft Trumps – bekanntlich vergeblich. In Podcasts und Social Media, welche die Republikaner bevorzugten, hätten die Bemühungen der Medienbranche, Trump zur Rechenschaft zu ziehen, wie ein blosses Gejammer gewirkt, das die Wähler nicht interessiert habe, schreibt die News-Plattform «Semafor».
Trump lässt sich derweil als Drachenbezwinger feiern. Als der Unternehmer Patrick Bet-David ihm dazu gratulierte, dass er die Mainstream-Medien «gekillt» habe, antwortete Trump: «Ich weiss! Und ich bin stolz darauf.» Dabei ist der 78-Jährige ein Medienkonsument der alten Schule: Er schaut vor allem Fernsehen.
Eine antagonistische Symbiose
Das Verhältnis zwischen dem Medien-Establishment und Trump ist widersprüchlich und schwer belastet. Für Trump war das Medien-Bashing von Anfang an ein Markenzeichen seiner politischen Kampfrhetorik. Kritische Berichterstattung denunzierte er als «Hexenjagd», die Medien pauschal als den «Volksfeind.» Als Twitterer-in-Chief gelang es ihm, seine Wählerschaft direkt zu mobilisieren, ohne um die Gunst der etablierten Medien buhlen zu müssen.
Er errichtete nach und nach eine Gegenwelt der «alternativen Fakten», in die ihm seine Anhänger bereitwillig folgten. An seinen Wahlkampfveranstaltungen war und ist die Beschimpfung der anwesenden «Fake News», wie er die Medien denunzierend nennt, ein Ritual. Die Journalisten werden ausgebuht und berichten weiter. Sie können nicht anders; über politische Ereignisse zu berichten, ist ihre Aufgabe.
Das Medien-Establishment machte mit bei der Fehde und reagierte mit einem Trump-Furor, der die Berichterstattung während der ersten Amtszeit des Präsidenten prägte. Die Journalisten, die über Trump berichteten, standen vor der Herausforderung, dessen Unwahrheiten und undemokratischen Tendenzen klar zu benennen, ohne unfair und masslos zu wirken. Es ist ihnen oft nicht gelungen. Als negatives Paradebeispiel dient die Aufregung um die angeblichen Verbindungen Trumps zu Moskau. Die Müller-Sonderermittlung zu «Russiagate» dauerte neun Monate, während dieser Zeit landeten die Spekulationen um die Ermittlung in den Medien fast täglich auf den Titelseiten – am Ende entpuppte sich «Russiagate» als ein Hirngespinst, das allerdings erfreuliche Publikumszahlen einbrachte.
Denn der Antagonismus zwischen Trump und den Medien vermischt sich mit handfesten Geschäftsinteressen. Über diese Symbiose zwischen Trump und den Medien ist schon viel geschrieben worden – und sie wird von Organisationen wie dem World Press Institute beklagt. Trump brauchte die etablierten Medien, um seine Botschaften zu platzieren, sie wiederum brauchten Trump, weil er ihnen – mitten im brutalen digitalen Strukturwandel – Spitzenreichweiten bescherte. Der Effekt des «Trump-Bump» ist unbestritten: Als er 2016 zum Präsidenten gewählt wurde, schnellten die TV-Ratings und die Abo-Zahlen in die Höhe, ein Effekt, der mit seiner Abwahl im Jahr 2020 endete.
Dass sich der «Trump-Bump» in der zweiten Amtszeit wiederholt, ist zu bezweifeln. Nach seiner Wiederwahl im November brachen die Ratings der linksliberalen Sender CNN und MSNBC geradezu ein. Die Einsicht sei bei den Medienmanagern längst gereift, dass der «Trump-Bump» keine nachhaltige Strategie sei, schreibt der Medienjournalist John Allsop in der «Columbia Journalism Review». «Vielleicht wird die krasse Realität einer zweiten Trump-Regierung das Publikum für eine Weile wiederbeleben, aber die Stimmung ist diesmal müder.»
Trump droht mit Rechtsklagen
Wie entwickelt sich die toxische Beziehung zwischen Donald Trump und den etablierten Medien, wenn er wieder im Amt ist? Es könnte zunächst zu einer Katharsis kommen. Trump hat angedroht, kritische Berichterstattung mit einer Flut von Rechtsklagen zu bekämpfen. Die ersten Exempel hat er bereits statuiert: Er klagte gegen das TV-Netzwerk CBS, weil es ein Interview mit seiner Opponentin Kamala Harris für die Sendung «60 Minutes» redigiert hatte, und drohte damit, dem Sender die Lizenz zu entziehen. Er klagte gegen den TV-Sender ABC wegen Verleumdung und erhielt dank einer vorgerichtlichen Einigung 15 Millionen Dollar. Auch Faktencheck-Portale hat Trump im Visier. Derzeit rüsten sich Medienunternehmen für mögliche Strafermittlungen durch das Justizdepartement.
Viele dieser Vorhaben sind entweder leere Drohungen oder werden vor Gericht scheitern. Das Medienrecht in den USA setzt hohe Hürden für Verleumdungsklagen. Trotzdem können teure Gerichtsprozesse zum Problem für amerikanische Medienunternehmen werden. Sie würden diese in einem prekären Moment treffen. Die etablierten Medien stehen geschwächt da; sie befinden sich im harten Wettbewerb auf dem fragmentierten digitalen Medienmarkt. Abgesehen von wenigen Ausnahmen, wie etwa der «New York Times» und Fox News, verlieren sie weiterhin Marktanteile. Akut ist auch der Vertrauensverlust: Laut einer Gallup-Umfrage im Oktober vertrauen noch 31 Prozent der Befragten den Zeitungen, dem Radio und dem Fernsehen, dass sie vollständig, akkurat und fair berichten. 36 Prozent haben null Vertrauen.
Die Krise als Chance
Es gibt deutliche Anzeichen, dass einige Medienhäuser einen neuen Umgang mit Trump suchen. Da ist der Besitzer der «Washington Post», Jeff Bezos: Fünf Tage vor der Wahl verbot er der Redaktion, eine Wahlempfehlung abzugeben (sie wäre zugunsten von Kamala Harris ausgesprochen worden). Er legitimierte in einer Notiz an die Leserschaft seine Entscheidung damit, dass eine solche Empfehlung nutzlos sei und den «Anschein der Parteilichkeit» erzeuge. Das mag sein, aber dass Bezos diesen Entscheid so kurz vor den Wahlen traf, befremdete die Leser und schadete der Traditionszeitung: Hunderttausende von Abonnenten kündigten. Das Beispiel zeigt, wie man es nicht machen sollte. Aber vielleicht ging es Bezos gar nicht um die «Post», sondern um seine Unternehmen Amazon und Blue Origin.
Allerdings versuchen auch prominente Medienschaffende einen Reset. Die bekannten Moderatoren von «Morning Joe», Joe Scarborough und Mika Brzezinski, flogen zum Frühstück nach Mar-a-Lago, um einen Neustart ihrer Beziehung mit Trump zu vollziehen. Jahrelang hatten sie diesen in ihrer populären MSNBC-Show als Gefahr für die Demokratie dargestellt. «Joe und ich haben verstanden, dass es Zeit ist, etwas Neues zu versuchen», sagte Brzezinski «on air». Sie wollten nicht mehr nur über Trump, sondern auch mit ihm sprechen. Die griffigsten Worte für den Haltungswandel fand der Politsatiriker Bill Maher: «I am not gonna pre-hate anything», versprach er in einem Interview mit CNN.
Wie nachhaltig diese guten Vorsätze sind, wird sich zeigen. Es ist den amerikanischen Medien jedenfalls zu wünschen, dass sie sich aus der ewigen Empörungsspirale lösen können, welche die Leser und Zuschauer zunehmend ermüdet. Die zweite Amtszeit Trumps könnte, ungeachtet der Breitseiten, die dieser gegen sie abfeuert, eine Chance für die amerikanischen Medien darstellen, ein Stück Glaubwürdigkeit beim Publikum zurückzugewinnen. Gleichzeitig müssen sie aber die Pressefreiheit verteidigen und – und last, but not least – innovative Geschäftsmodelle für den überaus dynamischen und sich schnell wandelnden Medienmarkt entwickeln. Keine einfache, aber eine wichtige Aufgabe.