Donnerstag, Januar 30

Der Innerschweizer ist erst 23 und schon Weltmeister in beiden Sportarten. Weil er höchst unterschiedliche Fähigkeiten perfektioniert hat.

Maxime Chabloz lebt einen Traum in zwei Welten. Im Sommer fliegt er über das Wasser, im Winter über den Schnee. In der einen Hälfte des Jahres ist er Kitesurf-Profi, zeigt als Freestyler komplexe Sprünge im Wind. In der anderen Hälfte stürzt er sich als Freerider auf Ski steile Felswände hinab oder springt mit einem doppelten Salto über Klippen. Und er tut das so gut wie sonst keiner: Mit 23 Jahren ist er bereits Weltmeister in beiden Sportarten, die nichts miteinander zu tun haben, sich bei ihm aber auf wundersame Weise ergänzen.

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Das Leben in zwei Welten hat Chabloz schon immer gekannt. Seine Eltern stammen aus der Romandie, zogen vor seiner Geburt aber nach Beckenried an den Vierwaldstättersee. Er fühlt sich gleichermassen als Romand und Deutschschweizer. Seine sportliche Karriere begann Chabloz als Alpin-Skirennfahrer an der Sportschule Hergiswil, die schon manchen Weltklasse-Wintersportler hervorgebracht hat. Er ging mit Marco Odermatts Schwester Alina zur Schule und fuhr mit Delia Durrer Ski, doch er fühlte sich zu den spielerischen, kreativen Sportarten hingezogen.

Als Chabloz seinen Vater mit sieben zum Kitesurfen begleitete, war er sofort fasziniert. Damals fasste er den Entschluss, der Beste der Welt zu werden. Mit 12 Jahren hat er einen Materialsponsor, mit 15 ist er zum ersten Mal U-19-Weltmeister. Chabloz sieht sich Hunderte Videos der jungen Sportart an, fährt oft mit dem Vater für ein verlängertes Wochenende nach Südfrankreich. Nach der offiziellen Schulzeit beendet er seine alpine Skikarriere und wird Kitesurf-Profi. Sein damaliger Trainer lobt Chabloz’ Fokus und dessen schnelle Umsetzung der Korrekturen.

Aus Langeweile mit dem Freeriden begonnen

Die Kitesurf-Karriere nimmt Fahrt auf, doch im Winter ist es Chabloz langweilig. Er liebt das Fahren im Pulverschnee, aber ihm fehlt die Herausforderung. So beginnt er relativ spontan mit Freeride-Wettkämpfen – und wird auf Anhieb Juniorenweltmeister. Drei Jahre später gewinnt er 2022 in seiner ersten Elitesaison überraschend die Freeride World Tour und das berüchtigte Xtreme Verbier.

Nach den ersten Erfolgen im Freeriden hätte Chabloz aufs Skifahren setzen können, das mehr Menschen betreiben und das auf mehr Interesse stösst. «Das wäre wohl besser für die Karriere gewesen», sagt er. Doch der Traum vom WM-Titel im Kitesurfen lässt ihn nicht los, «ich wollte ihn für mich». Im November 2024 schafft er es endlich.

Am Morgen nach dem Weltmeistertitel erwacht Chabloz mit einem unbekannten Gefühl: Der Druck ist verschwunden. Bei all seinen Titeln davor hatte er nie wirklich gespürt, was ein solcher Erfolg bedeutet, und sich gewundert, dass sich nichts veränderte. Das ist dieses Mal anders. «Der Druck meines ganzen Lebens, seit ich das Kiten entdeckt habe, fiel mir von den Schultern», sagt Chabloz.

Jeweils mit einem erholten Körper in die nächste Saison

Der Wechsel zwischen den Sportarten gelingt ihm leicht. Steht Chabloz zum ersten Mal seit längerer Zeit wieder auf den Ski, spürt er die Beine und die Höhenluft, wenn es vom Meer auf den Titlis geht. Zudem braucht es ein bisschen Zeit, bis die Sprünge wieder perfekt sitzen. Bei einem Rückwärtssalto etwa braucht es ein Gefühl für die Position in der Luft und das richtige Timing.

Das ist beim Kitesurfen weniger ein Problem, da Chabloz dort bei Rotationen immer eine Referenz hat, weil er am Kite hängt. Ist er nach der Skisaison zurück am Meer, fehlt es ihm dafür an Kraft im Oberkörper. Er sieht diesen Mangel positiv: Der Winter bietet den Armen die nötige Erholung, sie schmerzen nach monatelangem Kitesurfen oft und sind müde. Chabloz sagt: «So starte ich jeweils mit einem frischen Körper in die andere Saison.»

Andere Spitzensportler schinden sich vor der Saison im Kraftraum – Chabloz verzichtet darauf. Der Fitnessraum habe ihm schon widerstrebt, als er noch Alpinski gefahren sei. Neben dem Training auf Schnee und Wasser geht er lieber klettern, Gleitschirm fliegen, oder er spielt Tennis. Viele jüngere Athleten seien oft verletzt, sagt er. Er hingegen blieb bisher unfallfrei. «Vielleicht bereue ich meine Worte eines Tages, aber ich finde, dass ich es im Moment richtig mache.»

Mag sein, dass ihn auch seine Herangehensweise vor Verletzungen schützt. Chabloz wägt das Risiko sorgfältig ab. Zögert er auf den Ski, einen Trick zu machen, so überlegt er es sich ein zweites Mal. Ist er immer noch nicht überzeugt, lässt er es für diesen Tag bleiben. Im Wettkampf will er nur 80 oder 90 Prozent seiner Fähigkeiten zeigen – geht er darüber hinaus, ist die Chance gross, dass er stürzt und leer ausgeht.

Auch das Kitesurfen geht Chabloz im Training defensiv an. Er versucht sich zu schonen, macht einen Sprung eher einmal zu wenig als einmal zu viel. Im Wettkampf hingegen reichen die 80 bis 90 Prozent nicht, dort muss er sich pushen. «Wenn ich dort einfach versuche, nicht umzufallen, funktioniert es weniger. Es sind zwei sehr unterschiedliche Mindsets, das finde ich interessant.»

Chabloz hat aus nächster Nähe erlebt, dass eine Sportkarriere auch anders verlaufen kann. Sein älterer Bruder Yannick trat im Dezember als Alpin-Skirennfahrer zurück. Als Abfahrer schaffte er es im Weltcup einmal in die Top 15, stürzte dann aber zweimal schwer. Einmal an den Olympischen Spielen in Peking 2022, wo er mehrere Knochenbrüche erlitt. Chabloz sagt, er und sein Bruder hätten sich von Beginn an unterstützt statt einander konkurrenziert. «Yannick hatte einen unglaublich schweren Weg», sagt er. «Und ich habe Respekt davor, dass er trotz der harten Arbeit, die er in den Sport gesteckt hat, nun sagen kann: Genug ist genug. Ich weiss nicht, ob ich einen solchen Entscheid treffen könnte.»

first event of the season.. (DIDN'T GO AS PLANNED) I FWT 2025 Baqueira Beret Pro

Chabloz wollte schon immer sein eigener Chef sein

Er selbst denkt nicht ans Aufhören, obwohl er bereits alle Ziele erreicht hat. Chabloz hofft, dass Freeriden 2030 in den französischen Alpen olympisch wird, das reizt ihn. Er lebt gut vom Sport, da ihn einige Sponsoren in beiden Disziplinen unterstützen. Seit kurzem soll er für den Schweizer Ski-Ausrüster Stöckli den Freeride-Ski weiterentwickeln. Zudem hat er seinen Traum umgesetzt, sein eigener Chef zu sein. Er hat keine Trainer und entscheidet alleine, an welchen Wettkämpfen er teilnimmt, reist mit seiner Freundin, die als Videografin dabei ist, um die Welt.

Chabloz geniesst es, in beiden Sportarten seine Kreativität auszuleben, die Anforderungen und Stile entwickeln sich ständig weiter. Im Freestyle-Kitesurfen zählten früher möglichst hohe Sprünge, die allerdings die Knie und den Rücken der Athleten belasten. Das Wettkampfformat wurde daraufhin angepasst, was dazu geführt hat, dass die Kitesurfer neue und technisch schwierigere Sprünge entwickelt haben. Chabloz’ Paradetrick ist der Back Mobe 7, eine Rückwärtsrotation, denen zwei Handlepasses folgen, er gibt den Griff des Kites also zweimal hinter seinem Rücken durch.

Die Entwicklung im Freeriden verlief ähnlich wie im Kitesurfen, Chabloz’ Generation zeigt mehr Freestyle-Tricks. Früher sprangen die Fahrer vor allem hohe Klippen gerade hinunter. «Unser Sport besteht aus so viel mehr als Skifahren», sagt Chabloz. Sieht er an einem Wettkampfort die Wand, schwebt ihm meist schon eine Linie vor. Oft aber muss er diese je nach Bedingungen noch anpassen, Optionen suchen, visualisieren. Steht er vor einem Lauf oben auf dem Grat, hat er auch Angst. «Es ist aber eine gute Angst. Diese hält uns am Leben. Sie macht, dass ich noch ein zweites und drittes Mal überlege, bevor ich etwas mache.»

Chabloz hat im Sport Geduld gelernt. Im Wettkampf, aber auch in der ganzen Karriere. Den WM-Titel im Kitesurfen hatte er mehrmals knapp verpasst, teilweise wegen kleiner Details. Forcieren bringe nichts, davon ist er überzeugt. «Manchmal musst du einfach warten, bis dein Moment kommt.»

Exit mobile version