Geprellte Arbeiter beim Bau des Ceneri-Basistunnels erhalten nach einem aussergerichtlichen Vergleich finanzielle Entschädigungen. Die Strafuntersuchung wurde hingegen eingestellt.

Doppelte Schichten, nicht bezahlte Überstunden, falsch ausgefüllte Lohnzettel, gravierende Sicherheitsmängel: Die Zustände auf der Baustelle des Ceneri-Basistunnels zwischen Sommer 2017 und Sommer 2018 sollen chaotisch und unhaltbar gewesen sein. Das versicherten Arbeiter, welche in dieser Zeit den Gleisausbau im Inneren der Röhren erledigten, damals dem Fernsehen der italienischen Schweiz RSI.

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Der Fall gab landesweit als «Lohndumping-Skandal am Ceneri» zu reden, der zusätzlich Brisanz aufwies, weil die Alptransit Gotthard AG als Bauherrin ein 100-prozentiges Tochterunternehmen der SBB war. Die Tamedia-Zeitungen titelten im April 2019: «Neat: Arbeiter um Millionen geprellt».

Im Fokus standen vor allem die italienischen Bahnbauunternehmen Gefer und Generale Costruzioni Ferroviarie (GCF), die zur in Rom beheimateten Gruppe Rossi gehören. Sie hatten die entsprechenden Ausschreibungen gewonnen und beschäftigten bis zu 170 Arbeiter beim Ausbau im 15 Kilometer langen Ceneri-Basistunnel, der schliesslich im Dezember 2020 als letzter der drei Neat-Basistunnels in Betrieb genommen wurde.

Lückenhaftes Beweismaterial

Die Recherchen der RSI und eine Anzeige der Gewerkschaft Unia brachten die Tessiner Staatsanwaltschaft auf den Plan, welche 2019 ein Dossier eröffnete. Doch die langjährigen Ermittlungen führten in eine Sackgasse. Der zuständige Staatsanwalt Andrea Gianini verfügte am 5. Dezember 2024 jedenfalls eine Einstellung des Verfahrens, wie die Tessiner Tageszeitung «La Regione» kürzlich publik machte.

Die Zeitung veröffentlichte mittlerweile ausführliche Passagen der dreizehnseitigen Einstellungsverfügung. Laut diesen zeigte sich «die Situation, wie sie aus den Ermittlungen resultiert, ganz anders als die Hypothese, welche anfänglich angeprangert worden war».

Insbesondere konnten keine eindeutigen Beweise vorgelegt werden, dass bei den Abrechnungen betrogen wurde. Das sichergestellte Beweismaterial der Lohnabrechnungen erwies sich als unvollständig und lückenhaft, vor allem als unzureichend, um unter strafrechtlichen Erwägungen eine Anklage in einem Prozess zu vertreten.

Für zehn Arbeiter, welche sich mithilfe der Gewerkschaft Unia als Privatkläger konstituiert hatten, hat die Geschichte gleichwohl ein zumindest in Teilen versöhnliches Ende. Denn die Gewerkschaft und das Bahnbauunternehmen GCF haben sich in einem aussergerichtlichen Vergleich darauf geeinigt, dass den Arbeitern ein Schadenersatz in Höhe von 390 000 Franken bezahlt wird. Damit werden geleistete Überstunden nachträglich entgolten.

«Mit diesem Vergleich sind die Arbeiter zufrieden», erklärte der Unia-Gewerkschafter Igor Cima. Eine bittere Pille gab es gleichwohl zu schlucken: Über die Details der Einigung darf er nicht im Detail reden. Es wurde Stillschweigen vereinbart.

Konflikte in Dänemark, Anti-Mafia-Ermittlung in Italien

Der aussergerichtliche Vergleich und die Einstellung des Strafverfahrens haben keinen direkten Zusammenhang. Anders gesagt: Das Verfahren wurde nicht aufgrund der aussergerichtlichen bezahlten Entschädigung eingestellt.

Das Unternehmen GCF, das im Tessin vom Rechtsanwalt und Ex-Staatsanwalt Emanuele Stauffer vertreten wird, hatte jeglichen Vorwurf von Betrügereien und Kungeleien stets zurückgewiesen. «Eine Einstellungsverfügung bedeutet, dass ein Staatsanwalt keinerlei Elemente von strafrechtlich relevantem Verhalten ermitteln konnte», so Stauffer.

Um das Image des Unternehmens GCF mit Niederlassungen in ganz Europa bleibt es aber gleichwohl nicht gut bestellt. Bereits bei drei Baustellen in Dänemark war es in Auseinandersetzungen mit den Belegschaften verwickelt, etwa beim Bau der neuen Metrolinie Cityringen in der Hauptstadt Kopenhagen. Auch dort standen zu lange Arbeitszeiten und falsch ausgefüllte Lohnzettel im Fokus.

Nach Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern wurde in einem aussergerichtlichen Vergleich eine Nachzahlung von 12 Millionen dänischen Kronen vereinbart. Das entspricht 1,8 Millionen Franken.

In der Lombardei ist die Gruppe in eine Anti-Mafia-Strafermittlung namens «doppio binario» (doppeltes Gleis) involviert, in der es um mutmasslich betrügerische Vergaben durch die Bahninfrastrukturbetreiberin RFI geht. In Varese läuft zurzeit ein Prozess. Es gilt die Unschuldsvermutung.

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