Montag, Oktober 7

Eine Stabilisierung der Wirtschaft rückt mit der Eskalation des Krieges immer weiter in die Ferne. Israelische Technologiefirmen bekommen die wachsende Skepsis internationaler Investoren zu spüren.

In Israel liegen die Nerven blank. Das hat nicht nur mit dem Zweifrontenkrieg zu tun, den das Land nun mit voller Härte gegen die Hamas im Gazastreifen sowie gegen den Hizbullah in Libanon führt. Für wachsende Verunsicherung sorgt auch die wirtschaftliche Situation Israels.

Rating-Agenturen senken Israels Bonität

Eine Stabilisierung der Wirtschaft rückt mit der wachsenden Eskalation des Krieges immer weiter in die Ferne. Am Dienstag vergangener Woche senkte die Rating-Agentur Standard & Poor’s (S&P) die Bonität Israels von A+ auf A. Es war die zweite Rückstufung in diesem Jahr.

S&P begründete den Schritt damit, dass es eine hohe Wahrscheinlichkeit gebe, wonach sich der Konflikt mit der Hizbullah noch ausbreiten werde. Am Freitag vorletzter Woche hatte bereits Moody’s das Rating israelischer Staatsanleihen reduziert – und zwar gleich um zwei Stufen von A2 auf Baa1. Nach Einschätzung von Moody’s wird die israelische Wirtschaft wegen des Kriegs nachhaltiger geschwächt werden als bisher erwartet.

Nullwachstum erwartet

Nach dem Schock des vergangenen Jahrs, als am 7. Oktober Kämpfer der Hamas vom Gazastreifen nach Israel eindrangen, kehrte innerhalb von drei, vier Monaten weitgehend wirtschaftliche Normalität zurück. Der Grossteil der 300 000 einberufenen Soldatinnen und Soldaten begann wieder am angestammten Ort zu arbeiten. Zwar blieben Touristen, deren Ausgaben vor dem Krieg eine wichtige Stütze der israelischen Wirtschaft bildeten, dem Land weiterhin fern. Doch konnten in den Industriebetrieben des Landes, in der Landwirtschaft und vor allem im für Israel zentralen Technologiesektor die meisten Tätigkeiten wieder aufgenommen werden.

So stellten die meisten Marktbeobachter bis vor kurzem für das laufende Jahr ein Wirtschaftswachstum von immerhin rund 1,5 Prozent in Aussicht. Mittlerweile wird Israel aber wohl froh sein müssen, falls ihm eine Schrumpfung des Bruttoinlandprodukts (BIP) erspart bleibt.

S&P stutzte die Prognose für das diesjährige Wirtschaftswachstum auf 0 Prozent und für 2025 auf 2,2 Prozent. Moody’s erwartet für das kommende Jahr nur noch 1,5 Prozent Wachstum. Bis zur Rückstufung vor einer guten Woche waren die Vertreter dieser Rating-Agentur noch von einem Anstieg des BIP von 4 Prozent ausgegangen.

Wachsende Kapitalflucht

Selbst diese deutlich nach unten korrigierten Prognosen sind mit grosser Unsicherheit behaftet. Sie hängen davon ab, wie sich die Kämpfe in Libanon entwickeln und sich Iran weiter verhalten wird.

Ein schlechtes Omen ist die wachsende Kapitalflucht. So verdoppelten sich bereits zwischen Mai und Juli die Abflüsse von Banken in Israel zu Institutionen im Ausland auf 2 Milliarden Dollar gegenüber der entsprechenden Vorjahresperiode.

Mit einem Vertrauensverlust kämpfen auch israelische Hightech-Firmen, deren Erfolge dem Land in den vergangenen Jahren international grossen Respekt verschafft haben. Laut der jüngsten Erhebung der Branchenorganisation Startup Nation Central war fast die Hälfte der Technologieunternehmen aus Israel mit Streichungen von bereits zugesagten Investorengeldern konfrontiert. Zudem gaben nur 31 Prozent der befragten Firmen an, dass sie damit rechneten, im kommenden Jahr frisches Kapital aufnehmen zu können.

Was passiert mit Chemiefabriken?

Ohne neue Mittel könnte vor allem den vielen Jungunternehmen in Israel rasch der finanzielle Schnauf ausgehen. Wegen des Kriegs sind aber auch die Aktivitäten etablierter Firmen verstärkt infrage gestellt.

Der israelische Medikamentenhersteller Teva Pharmaceuticals, einer der grössten Arbeitgeber im Land, befindet sich inmitten einer strategischen Neuausrichtung. Er hat angekündigt, die Aufstellung seines Produktionsnetzes weltweit zu überprüfen. Auch Adama, ein grosser Hersteller von Agrochemikalien, der sich im Besitz des chinesisch-schweizerischen Konzerns Syngenta befindet, muss Kosten einsparen.

Arbeitskräftemangel und erhöhte Transportkosten

Für beide Unternehmen bedeutet das nach wie vor knappe Angebot an Arbeitskräften eine grosse Herausforderung. Mit 2,6 Prozent erreicht die Arbeitslosenquote in Israel einen der tiefsten Werte weltweit. Solange der Krieg anhält, werden sich kaum Fachleute aus dem Ausland finden lassen, welche die Lücken füllen.

Ein weiteres Erschwernis sind verlängerte und damit deutlich teurere Transportwege wegen der Beschiessung von Frachtschiffen im Roten Meer. Viele Produkte können so nur noch über lange Umwege von Israel exportiert oder dorthin importiert werden. Adama erklärte Ende August, deswegen möglicherweise weniger schnell auf veränderte Nachfragebedürfnisse reagieren zu können.

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