Autoherstellern droht die Stagnation. Viele Automobilisten sind verunsichert und zögern mit dem Kauf eines Neuwagens. Der Winterthurer Zulieferer Autoneum wappnet sich mit Sparmassnahmen.
Die Aussichten am Automobilmarkt sind trübe. Die weltweite Produktion von Personenwagen dürfte im laufenden Jahr laut Schätzungen der meisten Marktbeobachter bei knapp 90 Millionen Fahrzeugen verharren.
Viel zu optimistische Prognosen
Auf demselben Niveau hatte sich die Autoherstellung bereits 2018 bewegt. Wie damalige Marktschätzungen zeigen, hatte man bis 2024 aber mit einem sukzessiven Wachstum auf 105 Millionen gefertigte Fahrzeuge gerechnet.
Ein schwacher Trost für die Industrie ist, dass sich die Autoproduktion im vergangenen Jahr deutlich belebte. So stieg nach Angaben der Marktforscher von S&P das Volumen gegenüber 2022 um 9 Prozent auf 90,1 Millionen Personenwagen. Die Branche profitierte vor allem von einem Nachholeffekt. Im Vorjahr waren Hersteller gezwungen gewesen, ihre Bänder immer wieder zu stoppen, weil es an Komponenten vor allem im Bereich der Halbleiter gefehlt hatte.
Autoneum bleibt hinter Gesamtmarkt zurück
Dadurch war auch die Produktion beim grössten Schweizer Automobilzulieferer Autoneum beeinträchtigt worden. Im vergangenen Jahr gelang es dem Unternehmen, das auf die Produktion von Komponenten für den Lärm- und Hitzeschutz spezialisiert ist, indes, den Umsatz aus eigener Kraft um 7 Prozent zu steigern. Unter Berücksichtigung der Akquisition des deutschen Konkurrenten Borgers Automotive erreichte das Wachstum sogar 28 Prozent auf 2,3 Milliarden Franken.
Beim organischen Wachstum blieb Autoneum aber hinter dem Gesamtmarkt zurück. In Asien, wo die Autoproduktion branchenweit ebenfalls um 9 Prozent zulegte, schrumpften die Einnahmen des Winterthurer Konzerns gar um 4 Prozent. Damit rächte sich, dass er den Einstieg ins Geschäft mit chinesischen Anbietern von Elektroautos verschlafen hatte. Die Firma beteuerte indes auf Anfrage: «An diesem Thema arbeiten wir seit kurzem intensiv und sind zuversichtlich, unsere Umsatzanteile in Asien steigern zu können.»
In Europa und in Nordamerika, wo die Umsätze von Autoneum ebenfalls nicht mit der Entwicklung der Automobilproduktion Schritt hielten, machte dem Unternehmen laut eigenen Angaben «ein ungünstiger Modellmix» zu schaffen. Dies lässt vermuten, dass Autoneum Teile für Autos produzierte, die nicht besonders gefragt waren.
Stellenabbau in Bocholt
Die Publikation des ausführlichen Geschäftsabschlusses ist am 13. März 2024 vorgesehen. Allerdings hat Autoneum nun auch schon bekanntgegeben, dass die – um Sondereffekte – bereinigte Umsatzrendite auf Stufe Betriebsergebnis (Ebit) am oberen Ende der prognostizierten Bandbreite von 3,5 bis 4,5 Prozent liegen dürfte. Das wäre der beste Wert seit 2018. Damals hatte es bei der Ebit-Marge für 5 Prozent gereicht.
Zur positiven Ertragsentwicklung trägt bei, dass der Konzern weiterhin auf der Sparbremse steht. Die Fabrik im russischen Ryazan wurde 2023 stillgelegt. In Grossbritannien hat sich Autoneum entschlossen, statt vier nur noch drei Werke zu betreiben. Die Fabrik im bayrischen Krumbach wird mit jener im nahe gelegenen Ellzee zusammengelegt. Und im nordrhein-westfälischen Bocholt plant das Unternehmen neu den Abbau von 175 Stellen, wobei noch ein Konsultationsverfahren mit den Gewerkschaften läuft.
Zu den Geschäftsaussichten im laufenden Jahr hat sich Autoneum noch nicht geäussert. Die Analytiker der Zürcher Kantonalbank rechnen allerdings mit «einer zäheren Entwicklung» als 2023.
Gibt es für Autokäufer neue Subventionen?
Im vergangenen Jahr konnten in der Automobilindustrie viele Aufträge, die sich zuvor wegen fehlender Teile verzögert hatten, abgearbeitet werden. Dank der weitgehend störungsfreien Produktion waren Händler auch wieder in der Lage, Fahrzeuge an Lager zu nehmen. Nun fehlt es manchen an Kunden.
In Europa macht der Industrie laut S&P zu schaffen, dass Automobilisten mit der Anschaffung eines Neuwagens zuwarten. Nicht wenige dürften darauf spekulieren, dass Regierungen der Autoindustrie wie in früheren Flauten zu Hilfe eilen und Käufern grosszügig Subventionen beim Wechsel ihres Fahrzeugs gewähren werden.
Branchenbeobachter der Economist Intelligence Unit konstatierten mit Blick auf Europa, dass auch die wachsende Verbreitung von Fahrverboten in Städten Automobilisten verunsichere. Solche häufen sich – für Fahrzeuge, die beim Schadstoffausstoss ungünstig abschneiden – besonders in Frankreich. Sie sind aber auch beispielsweise in ostmitteleuropäischen Metropolen wie Warschau und Krakau zunehmend ein Thema.
In den USA leidet der Autoabsatz darunter, dass sich wegen der stark gestiegenen Zinsen Kredite deutlich verteuert haben. Und in China, dem mittlerweile mit Abstand grössten Absatzmarkt der Automobilindustrie, hat sich die Stimmung unter Konsumenten noch immer nicht vom Tief erholt, das die Pandemie mit sich brachte.