Die japanische Zentralbank hat ihren Leitzins am Mittwoch unverändert bei 0,5 Prozent belassen. Aber kräftige Lohnerhöhungen machen eine weitere Zinserhöhung wahrscheinlich.
Die japanische Zentralbank setzt in einer geldpolitisch wichtigen Woche ein Zeichen. Kurz vor der US-Notenbank Fed, der Bank of England sowie den Zentralbanken der Schweiz und Schwedens hat der geldpolitische Ausschuss der Bank of Japan (BoJ) am Mittwoch entschieden, den Leitzins von 0,5 Prozent nicht anzuheben.
Für Stefan Angrick, Leiter der Abteilung Japan and Frontier Markets bei Moody’s Analytics in Tokio, ist dies eine Vorwegnahme des kurzfristigen Trends: «Wir erwarten, dass die Fed ihre Politik beibehalten wird.» Die Berenberg-Bank sieht auch die Bank of England in einer abwartenden Haltung.
Mittelfristig gehen geldpolitische Beobachter jedoch davon aus, dass die BoJ weiterhin gegen den globalen geldpolitischen Strom schwimmen wird.
Weitere Zinserhöhungen zu erwarten
Während andere Notenbanken die Zinsen eher senken wollen, um die schwächelnde Wirtschaft anzukurbeln, strebt die BoJ nach der Abkehr von ihrer Negativzinspolitik vor einem Jahr weiterhin Zinserhöhungen an. Dafür sprechen die ersten Daten zu den diesjährigen Lohnverhandlungen und die Konjunktureinschätzung der BoJ.
Die Analysten bei S&P Global Market Intelligence urteilten nach der Sitzung: «Die jüngsten Entwicklungen bei den jährlichen Lohnverhandlungen könnten die Normalisierung der Geldpolitik unterstützen.» Die Zentralbank hatte Lohnsteigerungen, die die Inflationsrate übersteigen, zu einem wichtigen Kriterium für Zinserhöhungen erklärt. Derzeit sieht es so aus, als könnten die Löhne noch stärker steigen als im vergangenen Jahr.
2024 einigten sich der Gewerkschaftsdachverband Rengo und die grossen Unternehmen auf Lohnerhöhungen von 5,1 Prozent. Das war der höchste Anstieg seit 33 Jahren. In diesem Jahr sollen es sogar 5,4 Prozent sein. In Japan hängen die Löhne stark von Bonuszahlungen und Lohnerhöhungen ab, die auf Basis der Dienstjahre in einem Unternehmen berechnet werden. Nach Berechnungen der Bank of America Securities in Tokio würde sich daher der Grundlohn um 3,8 Prozent erhöhen.
Damit besteht die Chance, dass die Reallöhne in Japan steigen. Denn für Dezember 2024 und Januar 2025 wird mit einer Inflationsrate von 3,6 beziehungsweise 4 Prozent gerechnet. Dieser Trend spiegelt sich auch in der konjunkturellen Einschätzung der BoJ wider. Die BoJ zeichne ein recht optimistisches Bild der Wirtschaft, meint der Ökonom Angrick. Daraus schliesst er, «dass die Zentralbank eine weitere Straffung der Geldpolitik anstrebt».
Unsicherheit wegen Handelspolitik
So argumentiere die BoJ, dass die Wirtschaft trotz einem realen Wachstum von 0 Prozent im vergangenen Jahr «weiterhin über ihrem Potenzial» wachsen werde. «Sie behauptet auch, dass sich der Konsum in einem ‹moderaten Aufwärtstrend› befinde, was nicht mit den jüngsten Daten übereinstimmt», sagt Angrick. Der Konsumaktivitätsindex der BoJ sei in den vergangenen Monaten deutlich gesunken.
Zudem erwartet die Zentralbank, dass sich der «positive Kreislauf zwischen Löhnen und Preisen weiter verstärken wird». Laut Angrick lassen die Daten aus der Lohnrunde daher eine Zinserhöhung zur Jahresmitte so gut wie sicher erscheinen. Damit würde der Leitzins auf 0,75 Prozent steigen.
Der genaue Zeitpunkt hängt allerdings von mehreren Faktoren ab: Zum einen finden im Juli Oberhauswahlen statt. Es könnte daher September werden. Zum anderen beobachtet die Zentralbank die Risiken. Der Notenbankchef Kazuo Ueda sprach in seiner Pressekonferenz von einem «hohen Mass an Unsicherheit» aufgrund der Handelspolitik einzelner Länder und der Preisgestaltung von Unternehmen.
Er deutete auch an, dass er die Entwicklungen am Devisenmarkt genau beobachten werde. In den vergangenen Wochen ist der Yen gegenüber dem Dollar kurzfristig um mehr als 6 Prozent auf 146 Yen je Dollar gestiegen.
Das dürfte der Notenbank grundsätzlich recht sein, denn die starke Abwertung des Yen hat in den vergangenen Jahren die Inflation in die Höhe getrieben. Beobachter erwarten aber, dass die BoJ einen Leitzins von 1 Prozent anstrebt, um den Yen weiter zu stärken und die hartnäckige Inflation in den Griff zu bekommen. Denn das Inflationsziel liegt weiterhin bei 2 Prozent und damit unter der derzeitigen Teuerung.
Deutlich höhere Zinsen gelten aber wegen der hohen Verschuldung Japans von fast 250 Prozent des Bruttoinlandprodukts als schwierig, da sonst der Schuldendienst anschwellen könnte. Wie viel Spielraum nach oben besteht, ist umstritten. Aber eine erste Warnung gab es bereits. Die Rendite zehnjähriger japanischer Staatsanleihen stieg von 1,185 Prozent kurz vor der letzten Zinserhöhung am 24. Januar auf 1,57 Prozent am 10. März. Das ist der höchste Stand seit 16 Jahren. Am Mittwoch lag sie bei 1,515 Prozent.