Samstag, Januar 18

Vermögensverwalter wie Blackrock verlassen Klimainitiativen, um der neuen US-Regierung zu gefallen – ob die CO2-Versprechen der Finanzbranche unter Trump Bestand haben werden, ist ungewiss.

Die kulturelle Konterrevolution beginnt am Montag. Donald Trump tritt sein Amt als neuer US-Präsident an: «Wokeness» und Nachhaltigkeit haben dann offiziell ausgedient – das ist die Annahme in den Chefetagen vieler Konzerne weltweit. Es gilt, sich dringend für die neue Ära in Stellung zu bringen.

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Ehemals progressive Tech-Chefs wie Mark Zuckerberg sprechen sich jetzt für mehr «maskuline Energie» und «Meinungsfreiheit» aus. Gemäss der Devise «Drill, baby, drill» und Trumps Vorliebe für fossile Energieträger haben nun auch Klimainitiativen einen schweren Stand.

Globale Banken stellen sich darauf ein: Bank of America, Citigroup, Goldman Sachs, Morgan Stanley und JP Morgan Chase – die grösste US-Bank – haben Klimavereinigungen wie die Net-Zero-Banking Alliance (NZBA) verlassen. Die Allianz wird dem Vernehmen nach ihre Aktivitäten bald aussetzen, um ihre Ziele zu überdenken.

Exodus aus Klimaallianzen

Der Exodus betrifft bis jetzt hauptsächlich die amerikanischen Grossbanken. In der Schweiz sind die Basellandschaftliche, die Berner und die Zürcher Kantonalbank, Raiffeisen sowie die UBS Mitglied der NZBA. Die UBS bestätigt auf Anfrage, dass sie dabei bleibe; auch die gesetzten Klimaziele verfolge man weiter.

Die Schweizer haben ein bedeutendes Vermögensverwaltungsgeschäft in den USA und deshalb grosses Interesse, es sich gut mit der neuen US-Regierung einzurichten. Trump hat den Klimawandel wiederholt als «Schwindel» bezeichnet oder als Erfindung der Chinesen, um die amerikanische Industrie zu hemmen.

Auch Vermögensverwalter flüchten aus den grünen Allianzen. Vergangene Woche vollzog der weltgrösste Asset-Manager Blackrock eine Spitzkehre und verliess die Initiative Net Zero Asset Managers. Diese setzte ihre Aktivitäten unmittelbar danach aus. In der Schweiz sind Pictet, Swiss Life und die UBS Mitglieder der Vereinigung.

Für Reto Ringger, Gründer und Chef der auf nachhaltiges Investieren spezialisierten Globalance Bank, ist dieser Massenrückzug eine «opportunistische Ehrerbietung an Donald Trump», eine Reaktion auf die politischen Spannungen in den USA. ESG-Initiativen von Unternehmen in den Bereichen Umwelt (environment), Soziales (social) und Governance (G) werden dort als Teil einer linken, woken Agenda gesehen und von den Republikanern bekämpft.

«In den USA ist das Investieren entlang von ESG-Kriterien gegenwärtig tot», sagt Ringger und weist auf einen wegweisenden Entscheid im US-Gliedstaat Texas hin: In einem jüngst gesprochenen Urteil kam ein Gericht zu dem Schluss, dass die Fluggesellschaft American Airlines ihre Treuepflicht verletzt habe, weil sie ESG-Kriterien in den Rentenplänen ihrer Mitarbeiter aufgenommen hatte. Dabei hat sie deren finanzielle Interessen vernachlässigt.

In den vergangenen Jahren hatten Anlagestrategien, die sich auf ESG-Faktoren abstützen, typischerweise eine schlechtere Performance als herkömmliche Anlageformen.

Blackrock: wokes Feindbild

Der Gerichtsentscheid betrifft auch Blackrock. Der Asset-Manager hatte mit American Airlines die Pensionspläne der Airline-Angestellten verwaltet. Schon im vergangenen November war Blackrock mit den Konkurrenten State Street und Vanguard Gegenstand von Verfahren, die zehn republikanisch regierte Staaten angestrengt hatten. Der Vorwurf: Der Klimaaktivismus der Vermögensverwalter habe gegen Kartellrecht verstossen und zu höheren Energiepreisen für Endkunden geführt.

Früher waren die Finanzhäuser nur mit Anti-woke-Rhetorik konfrontiert, heute sind es bindende Rechtsurteile. Blackrock muss sich mit den Republikanern arrangieren, denn diese werden in den kommenden vier Jahren regulatorisch den Ton angeben. Vergangene Woche wandte sich der Blackrock-Vizechef Philipp Hildebrand deshalb in einem Brief an seine Kunden und verkündete den Rückzug des Vermögensverwalters aus der Net-Zero-Asset-Managers-Initiative.

Das steht im Kontrast zu den vollmundigen Versprechen, die der Blackrock-Chef Larry Fink vor wenigen Jahren gemacht hatte. Noch 2020 sagte Fink in seinem Aktionärsbrief, dass der Klimawandel die Finanzwelt gänzlich verändern werde. Nachhaltigkeit stehe im Zentrum von Blackrocks Anlagestrategie, Fink sprach früh von «Purpose» und «Stakeholder-Kapitalismus». Im Aktionärsbrief von 2024 kommt die Klimathematik kaum mehr vor. Das Akronym «ESG» will Fink nicht mehr verwenden.

Blackrocks politische Probleme in den USA hätten für Kunden in Europa und der Schweiz nicht viel zu bedeuten, sagt ein Blackrock-Sprecher auf Anfrage. Nachhaltiges Investieren sei hier immer noch eine Priorität. Für Blackrock bleibt es aber eine Gratwanderung, zumal sich zwei Drittel der Firmenkunden des Unternehmens dazu verpflichtet haben, Netto-Null-Ziele zu erreichen.

Der Vermögensverwalter hat viel zu verlieren, das Geschäft läuft derzeit ausgesprochen gut: Im Schlussquartal 2024 flossen dem Asset-Manager 281 Milliarden Dollar Neugeld zu, die verwalteten Vermögen erreichten rekordhohe 11,6 Billionen Dollar.

Klima-Backlash antizipiert

Während die Banken versuchen, sich mit Ad-hoc-Aktionen gut zu stellen, haben die Versicherungen die politische Gegenreaktion antizipiert. Schon 2023 zogen sich Hannover Re, Munich Re sowie Swiss Re und Zurich aus der Net-Zero Insurance Alliance zurück. Die Abgänge bedeuteten das Ende der brancheneigenen Klimaallianz, sie ging im April 2024 ein.

Zum damaligen Rückzug sagte der Zurich-Chef Mario Greco gegenüber Bloomberg, man müsse eigene Entscheidungen treffen können und sagen, woran man glaube. Swiss Re gibt auf Anfrage keinen Grund für den Rückzug an. Eine Sprecherin versichert, die Nachhaltigkeitsstrategie bleibe unverändert, das Engagement für das Pariser Abkommen und die «Netto-Null» sei ungebrochen. Munich Re begründete den Austritt derweil mit «wettbewerbsrechtlichen Risiken».

Kartell- oder wettbewerbsrechtliche Bedenken gälten oft als Hindernis für gemeinsame Initiativen, sagt Dorothea Baur, eine selbständige Beraterin für Nachhaltigkeit. «Sie dienen Unternehmen aber auch als Vorwand, wenn sie keine Lust mehr haben, ihre ESG-Bemühungen voranzubringen», fährt sie fort. Jetzt trenne sich die Spreu vom Weizen zwischen jenen, die sich von ESG nur Reputationsgewinne erhofften, und jenen, die es ernst meinen.

ESG ist ein «Bürokratiemonster»

Für den Bankchef Ringger ist die Dekarbonisierung ein «Marathon», und die Banken sind die Ersten, die aussteigen. Andere Industrien stünden gleichermassen unter Druck, doch wenige hätten sich bereits so konsequent aus dem Rennen genommen. Dabei spielt auch das erhöhte Risikobewusstsein eine Rolle. Die strengere Compliance halte die Banken davon ab, sich zu exponieren: «ESG ist aufwendig und bietet viele Angriffsflächen», sagt Ringger.

Die ESG-Expertin Baur räumt zwar ein, dass Nachhaltigkeit früher teilweise der «moralischen Selbstdarstellung» gedient habe, heute drohe sie jedoch schon fast zu einem «klandestinen Unterfangen» zu werden. So scheuen sich die Konzerne immer mehr davor, ihre Bemühungen im Bereich Umwelt oder Diversität für Marketingzwecke nach aussen zu tragen.

Einen Weg zurück in eine Zeit vor ESG gibt es aber nicht. Gemäss Baur haben die EU und die Schweiz bereits so viele Regulierungen eingeführt, dass es kaum mehr möglich sei, diese zurückzufahren. Ringger spricht von einem «Bürokratiemonster». Immerhin habe die EU aber gemerkt, dass sie mit der EU-Taxonomie und anderen Vorgaben zu weit gegangen sei.

Nun werde man auch in der EU pragmatischer. Mit der sogenannten Omnibus-Verordnung sollen die Berichtspflichten vereinfacht werden. Dass das angesichts von Trumps Amerika bei den Unternehmen für neuen Schwung in Sachen ESG sorgen wird, ist zu bezweifeln.

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