Mittwoch, November 27

Der Schatten von Roger Federer liegt immer noch über den Swiss Indoors in Basel – auch wenn sich der Weltstar dort schon länger nicht mehr gezeigt hat. Für leichte Aufhellung sorgt vor dem diesjährigen Turnier, dass Dominic Stricker und Stan Wawrinka gerade erst in Stockholm überrascht haben.

Der jüngste Post des Tennisspielers Dominic Stricker in den sozialen Netzwerken war mehr ein Seufzer der Erleichterung als ein eigentlicher Beitrag: «Was für ein Gefühl, ich bin zurück!» Dazu stellte er das Emoji mit dem angespannten Bizeps, das Stärke symbolisieren soll. Der 22-jährige Berner veröffentlichte das vor ein paar Tagen, nachdem er gegen den höher eingestuften Matteo Berrettini in Stockholm einen Sieg errungen hatte.

Der italienische Wimbledon-Finalist von 2021 ist wie Stricker zurzeit weit entfernt von seiner besten Klassierung. Berrettini liegt auf Position 42 des Rankings, Stricker wird nur noch als Nummer 317 geführt. Vor einem Jahr an den Swiss Indoors hatte Stricker im Ranking noch Platz 96 belegt – und schien unaufhaltsam auf dem Weg nach oben zu sein. In Basel erreichte er, unter anderem nach einem Sieg über den Top-Ten-Spieler Casper Ruud, die Viertelfinals, in denen er gegen den Franzosen Ugo Humbert scheiterte.

Doch danach ging plötzlich nichts mehr in der Karriere von Stricker. Bis zum jüngsten Turnier in Stockholm gewann er nur noch 8 von 24 Partien. Monatelang musste er wegen einer Rückenverletzung aussetzen. Entsprechend gross ist nun seine Erleichterung bei der Rückkehr an die Swiss Indoors: «Erstmals seit längerem habe ich wieder drei Partien in Folge auf gutem Niveau gespielt. Nun bin ich gespannt, wie es in Basel läuft.»

Nur einer ist auf der ganzen Tour älter als Wawrinka

Stricker muss sich an kleinen Dingen aufrichten. Trotzdem trägt er in der kommenden Woche in Basel mit Stan Wawrinka die Hoffnungen der Turnierveranstalter. Auch der Romand kommt nach einer Krise nach Basel, aus der er in Stockholm, am selben Turnier wie Stricker, herausgefunden hat; Wawrinka erreichte sogar die Halbfinals.

Doch er ist mit bereits 39 Jahren der älteste Spieler, der noch regelmässig an ATP-Turnieren antritt. Im Klassement ist nur ein einziger noch älter: der 43-jährige Amerikaner Ryan Haviland. Er hat 2 ATP-Punkte auf dem Konto und belegt Platz 1589 im Ranking.

Im Schweizer Tennis sind neue Zeiten angebrochen. Nach Jahren, in denen mindestens ein Grand-Slam-Titel pro Saison üblich war, freut man sich nun über Randnotizen, wie etwa die guten Auftritte des 17-jährigen Henry Bernet (ATP 940), der in Basel erst in der letzten Runde der Qualifikation am Landsmann Jérôme Kym scheiterte.

Stan Wawrinka ist nicht nur in Basel, sondern praktisch überall, wo er auftritt, der Publikumsliebling. Das war an den Swiss Indoors längst nicht immer so. Am Rheinknie hatte man den Waadtländer lange mit zwiespältigen Gefühlen empfangen. Von 2012 bis 2015 verlor er viermal in Folge in der ersten Runde, und in Basel stellte man sich bereits laut die Frage, ob es sich wirklich lohne, mit Wawrinka auf dem offiziellen Plakat für das Turnier zu werben. Roger Federer überstrahlte ohnehin jeden anderen Spieler. Doch auch in Basel ist man in der Zwischenzeit bescheiden geworden.

Die markante Stimme des Radio-Pioniers

Einer, der die glorreiche Zeit um Federer noch nah miterlebt hat, ist Christoph Schwegler, die Stimme des Turniers. Der mittlerweile 78-jährige Radio-Pionier hat die selbe Schule wie der Swiss-Indoors-Direktor Roger Brennwald besucht. Später verpflichtete Brennwald den Mann mit der charismatischen Baritonstimme für die Präsentation der Spieler an seinem Turnier.

Wenn Schwegler den Superhelden aus der Region mit den Worten «Welcome home, Roger Federer» begrüsste, dann bekamen selbst abgebrühte Sportanhänger Gänsehaut. Letztmals tat Schwegler dies 2019, als Federer im Final gegen den Australier Alex De Minaur seinen zehnten Titel an den Swiss Indoors gewann. Es war sein 103. und zugleich letzter auf der Tour.

Schwegler ist selber eine Legende weit über Basel hinaus. Nationale Bekanntheit erlangte er in seinem ursprünglichen Beruf am Radiomikrofon. Er lancierte die Hitparade im Schweizer Radio, die am 2. Januar 1968 erstmals ausgestrahlt wurde. Auf den Strassen von Paris lehnten sich die Studenten gerade gegen das Establishment und die Normen auf, Schwegler verstand sich als Verwandter jener Bewegung, die nach und nach ganz Europa erfasste.

Er erzählt: «Als ich in meiner ersten Sendung als Top-Hit die Schnulze Monja des deutschen Schlagersängers Roland W. präsentieren musste, wusste ich, das werde ich nicht auf Dauer machen.» Nach einem Jahr gab Schwegler die Sendung in andere Hände weiter und wandte sich stattdessen dem Aufbau des Jugendsenders DRS3 (heute SRF3) zu. Die Medien verliehen Schwegler den Übernamen «The Voice», zu deutsch die Stimme. Er, sagt Schwegler, hätte das nie getan. «Es wäre Blasphemie gewesen.»

The Voice war der Übername des amerikanischen Entertainers Frank Sinatra, mit dem sich Schwegler in keiner Weise vergleichen will. Sinatra gehört bei ihm zu den «Darlinks», den bevorzugten Links, die Schwegler den Followern auf seiner Webseite präsentiert. Da steht auch der Name der deutschen Band Rammstein, deren Musik ungefähr das Gegenstück zur Honigsüssen Monja ist und besser zur rebellischen Art Schweglers passt.

Schwegler ist unterdessen aus den Radio-Kanälen verschwunden. Er bietet seinen Bariton noch immer für Podcasts, Werbespots oder als Off-Stimme in Dokumentationen an. An den Swiss Indoors ist er weiterhin als Präsentator im Einsatz, auch wenn Roger Federer, mit dem er den Tennisclub seiner Jugend teilt (Old Boys Basel), nicht mehr präsent ist.

Schwegler wird Wawrinka und Stricker mit ähnlicher Empathie empfangen wie dereinst die Basler Tennis-Ikone. Die Formulierung «Welcome home» allerdings wird Roger Federer, dem einzig wahren Spross dieses Turniers, vorenthalten bleiben. Bei allem Respekt für Roger Brennwalds Lebenswerk: Ohne Federer sind die Swiss Indoors nicht mehr jenes Turnier, das es noch vor kurzem war.

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