Sonntag, Oktober 6

Der Bundesrat will nicht nur das AKW-Neubau-Verbot aufheben. Er möchte auch die Regeln für die Finanzierung der Atommüll-Endlagerung lockern – und damit die Betreiber der vier Schweizer Kernkraftwerke finanziell entlasten.

Am Mittwoch hat der Bundesrat kommuniziert, dass er das 2017 beschlossene Kernenergieverbot wieder streichen will. Doch bis neue Atomkraftwerke stehen, werden Jahrzehnte verstreichen. Entscheidend ist derzeit darum eine andere Frage: wie lange die vier bestehenden Kernkraftwerke noch am Netz bleiben.

Die Anlagen in Beznau, Gösgen und Leibstadt liefern heute mehr als einen Drittel des Schweizer Stroms. Insbesondere im Winter werden sie für die Versorgung der Schweiz noch für viele Jahre unentbehrlich sein. Gemäss heutiger Planung geht die letzte von ihnen 2044 vom Netz.

Um die Betreiber Axpo und Alpiq finanziell zu entlasten, will der Bund nun in mehreren Punkten die Vorgaben für die Finanzierung von Stilllegung und Entsorgung der Anlagen lockern. Dies empfiehlt ein Bericht, den das Bundesamt für Energie (BfE) vor kurzem ins Internet gestellt hat. Axpo und Alpiq, die beiden Betreiber der Schweizer AKW, könnten dadurch längerfristig mindestens 150 Millionen Franken zurückerhalten, wie Berechnungen der «NZZ am Sonntag» zeigen.

Geld aus Fonds zurückerstatten

Der Bund will dies erreichen, indem er die Verordnung über die Stilllegung der Kernanlagen und die Entsorgung des Atommülls anpasst. Die Betreiber der Atomkraftwerke zahlen heute Jahr für Jahr Geld in zwei Fonds ein. So ist sichergestellt, dass nach dem Ende der Betriebszeit genügend Mittel vorhanden sind.

Um den AKW-Betreibern entgegenzukommen, möchte der Bund nun das erst 2020 eingeführte Rückerstattungsverbot wieder streichen. Damals wurde beschlossen: Geld, das die Betreiber an die Fonds überweisen, darf nicht mehr angerührt werden, bis die Endlagerfrage definitiv gelöst ist.

Mit der Anpassung will der Bund nun dafür sorgen, «dass nicht für lange Zeit grosse Geldbeträge der Betreiber unnötig in den beiden Fonds blockiert sind», wie das BfE in dem Papier schreibt.

Die Aussage des BfE überrascht. Denn bisher lauteten die Befürchtungen genau andersherum: dass am Schluss nicht genug Geld für die Endlagerung da sein wird. Das BfE führte 2015 darum einen sogenannten Sicherheitszuschlag von 30 Prozent ein. Zum grossen Ärger der AKW-Betreiber Axpo und Alpiq: Sie mussten zusätzliche Millionen entrichten, um die befürchteten Finanzlöcher zu stopfen. Doch nun ist es laut dem BfE möglich, «dass die sicherzustellenden Entsorgungskosten sinken werden».

Der Grund: Es sieht zunehmend danach aus, dass für den Schweizer Atommüll ein sogenanntes Kombilager gebaut wird. Dieses wird gleichzeitig schwach- und mittelaktive sowie hochaktive Abfälle enthalten.

Die Ersparnis gegenüber den ursprünglich geplanten zwei Depots beträgt 1,6 Milliarden Franken. Spätestens 2029 könnten darum «Gelder von über 1 Milliarde Franken zu viel eingestellt sein», schreibt das BfE. Die vorgeschlagene Anpassung würden nun zulassen, dass zwar nicht das ganze Geld zurück an die Betreiber Alpiq und Axpo fliessen könnte. Aber ein signifikanter Anteil davon.

Axpo und Alpiq erfreut

Der Axpo-Sprecher Noël Graber begrüsst, dass der Bund das Rückerstattungsverbot überprüfen will. Dieses entziehe den Eigentümern Mittel, welche ihnen für Investitionen an anderer Stelle fehlten. Die Finanzierung der Entsorgung würde mit einer solchen Änderung nicht unsicherer: Laut Graber wären die Betreiber der Anlagen auch weiterhin verpflichtet, Geld nachzuschiessen, falls die Entsorgung doch teurer würde. Wie viel Geld die Axpo zurückerhalten würde, ist laut Graber von der konkreten Regelung abhängig und könne noch nicht beurteilt werden.

Ähnlich äussert sich die Alpiq. Deren Sprecher Guido Lichtensteiger sagt, sein Konzern begrüsse es, dass die Abschaffung des Rückerstattungsverbots zur Diskussion stehe. Noch sei aber unklar, wie und wann ein entsprechender Auszahlungsmodus umgesetzt würde. Darum lasse sich nicht sagen, wie viel Geld die Alpiq zurückerhalten würde.

Eingeschränkter Handlungsspielraum

Das BfE diskutiert im Papier noch eine zweite Erleichterung für die AKW-Betreiber: Die Höhe der Beiträge, die Axpo und Alpiq zu entrichten haben, wird anhand eines komplizierten Modells errechnet. Der Bund könnte nun beschliessen, dieses Modell nur noch alle fünf Jahre anzupassen.

Der Bund räumt selber ein, dass er den AKW-Betreibern damit weit entgegenkommen würde. Denn eine solche Regelung könnte den Handlungsspielraum des Bundes «unnötig einschränken», heisst es im Papier des BfE. Es würde dann zum Beispiel schwieriger, rechtzeitig zu reagieren, falls eine neue Finanzmarktkrise ausbrechen sollte, die das Vermögen in den Fonds dahinschmelzen lässt.

Die Axpo unterstützt laut ihrem Sprecher Graber auch die Anpassung des Berechnungsmodells. Allerdings sei auch bei diesem Punkt noch nicht klar, ob durch eine Änderung tatsächlich Mittel für seinen Konzern frei würden. Der Alpiq-Sprecher Guido Lichtensteiger sagt, jeder Vorschlag, der für stabile rechtliche Rahmenbedingungen sorge, sei grundsätzlich zu begrüssen.

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