Samstag, Oktober 5

Mexiko-Stadt hat sich im letzten Jahrzehnt von einem unattraktiven Moloch in eine beliebte Reisedestination verwandelt. Am angesagtesten: der Stadtteil Roma Norte – ein Tummelplatz hipper Einheimischer und gut informierter Kosmopolitinnen.

Ein sonniger Samstagmorgen an der Calle Colima. Die Hauptschlagader des derzeitigen In-Viertels Roma Norte ist eine schmale, von hohen Bäumen beschattete Strasse mit netten Cafés, schicken Boutiquen und Kunstgalerien. Die Tische vor dem Café Constela sind alle besetzt, gegenüber im Café Tilia arbeiten zwei Frauen konzentriert an ihren Laptops. Vor der Panadería Rosetta staut sich die übliche Menschentraube, man wartet auf einen Platz auf der schmalen Terrasse oder auf Einlass in die nostalgisch wirkende Bäckerei, um eines der frisch gebackenen Gerstenbrote, eine Tüte Croissants oder ein Stück der phantastisch aussehenden Erdbeertorte zu kaufen.

Fliegende Händler breiten ihre bunten Taschen und Tücher auf den Trottoirs aus, Dogwalker führen ganze Rudel von Königspudeln, Windhunden und Dalmatinern spazieren. Die Stimmung ist friedlich wie in einem südfranzösischen Dorf – aber das hier ist Mexiko-Stadt, eine 22-Millionen-Einwohner-Stadt in Südamerika, die noch vor kurzem als gefährlich galt.

Es ist gar nicht lange her, da gab es Roma Norte noch gar nicht. Geografisch gesehen existierte der Stadtteil natürlich, aber niemand ging freiwillig dorthin. Warum auch? Die Gegend hatte nichts zu bieten, ausser vielleicht den verwitterten Art-déco- Gebäuden, die hinter den hohen Bäumen und gebündelten Stromkabeln allerdings kaum zu sehen waren.

Die Bäume und Stromkabel gibt es noch, doch viele der Stadthäuser wurden renoviert. Und so gilt Roma Norte bei kreativen capitalinos heute als bevorzugte Wohngegend. Kein Wunder. Wohl nirgendwo in Mexiko-Stadt ist auf so kleinem Raum so viel Zeitgeist zu finden: Alles, was von einem Trendviertel erwartet wird, ist vorhanden.

Trotzdem – und das macht den Charme der Gegend aus – haben kleine Supermärkte, schrammelige Werkstätten, altmodische Apotheken und Friseure hier überlebt. Dazu eine unendliche Anzahl an schlichten Garküchen und Essensständen, die heisse Hühnersuppe, Quesadillas, Tortas, Reis mit Bohnen oder eine frisch aufgeschnittene Mango anbieten.

Einheimische stehen mittags geduldig an, und auch Touristen trauen sich inzwischen an das meist leckere und immer supergünstige Street-Food heran. Denn auch diesbezüglich haben sich die Dinge geändert – man kann (fast) alles sorgenfrei essen, und selbst die Eiswürfel im café frío sind kein Problem mehr.

Hotel La Valise – Wie zu Hause

Das charmante «La Valise» gehört zu der Kette Small Luxury Hotels of the World und residiert in einem zauberhaften alten Stadtpalais an bester Roma-Norte-Lage. Stammgäste lieben den privaten Charakter des Hauses und die acht mit mexikanischen Antiquitäten gestalteten Suiten, alle mit schönen Bädern, manche mit privater Terrasse. Gefrühstückt wird im schicken, zum Hotel gehörenden Café gleich nebenan.

lavalise.com; DZ ab 360 Franken


«Mi Compa Chava» – Fischrestaurant

Diese marisquería bespielt eine luftige Halle mit gelben Metalltischen und einer offenen Küche, die sich über den ganzen Raum erstreckt. Das Strandlokal-Ambiente entspricht der Vision des Küchenchefs Salvador Orozco, der sich ein Chill-out-Ambiente für seine Chill-out-Fisch-Gerichte gewünscht hatte.

Zacatecas 172; instagram.com/micompachava


Restaurante Rosetta – First Lady

Inhaberin und Küchenchefin Elena Reygadas wurde 2023 von «The Worlds 50 Best Restaurants» zur weltweiten Nr. 1 unter den kochenden Damen gekürt. Ihr Lokal erstreckt sich über mehrere Räume und die Terrasse eines zauberhaften Stadtpalais und lockt mit fermentierten Karotten mit weisser Mole und den Hoja-Santa-Tortelloni mit Quesillo-Käse.

rosetta.com.mx


«Jenni’s Quesadillas» – Street-Food

Dieser Strassenstand hat es mit seinen leckeren Maisfladen zu einiger Prominenz gebracht. Die Quesadillas werden vor Ort gepresst und gebraten, mit einer Füllung nach Wahl – Käse-Kartoffeln, Käse-Zucchini, Fleisch, nur Käse – gefüllt und mit den bereitstehenden Toppings und/oder Saucen ergänzt. Sie kosten fast gar nichts und schmecken köstlich.

Merida, Ecke Colima

Tacos

Tacos sind in Mexiko omnipräsent, die Diskussionen darüber, welche die besten sind, nehmen kein Ende. Zu den Insider-Tipps in Roma Norte zählen die mit zarten Fischstückchen, knuspriger Schweineschwarte und Guacamole gefüllten Carnitas de Pescado von Tres Galones (tresgaleones.mx) und die CochinitaThai-Tacos mit Schweinefleisch, würziger Sojasaucen-Marinade, schwarzen Bohnen und fermentiertem Chili vom Stehimbiss Cariñito (Guanajuato 53) nebenan. Keine Geheimtipps mehr sind die Taqueria Orinoco (taqueriaorinoco.com), wo es die angeblich besten Al-Pastor-Tacos gibt, und El Parnita (elparnita.com), der Treffpunkt der Schickeria.


Café Trucha – Chill-out-Café

Das gemütliche Café an der schönen Plaza Rio de Janeiro könnte auch in New York oder London stehen: mit zusammengewürfeltem Mobiliar, viel Holz und ein paar Tischen vor der Tür. Man kommt zum Frühstück oder Lunch, die Baguettes, Scones und Torten sind selbstgemacht, die Sandwiches, Salate und Chia-Puddings sehr lecker.

Plaza Rio de Janeiro 53; instagram.com/cafetrucha


«Oropel» – Vermouth und Wein

Man kann die Bar eigentlich nicht verfehlen: Die psychedelischbunt bemalte Hausfassade, vor der sich die Terrassentische reihen, ist schon von weitem zu sehen. Das «Oropel» hat im Sommer 2022 eröffnet und sich auf Vermouth spezialisiert. Es gibt über 30 Sorten davon – besonders beliebt ist der Haus-Apéro Vermouth Spritz.

182 Chihuahua; instagram.com/oropelcdmx


Pingüino – Kunsthandwerk

Renata Prieto und Santiago Fernández haben aus ihrer Liebe zum Kunsthandwerk einen Beruf gemacht. Sie fahren kreuz und quer durchs Land und kennen die besten artesanos persönlich. In ihrem kleinen Laden gibt es eine überwältigende Auswahl, jedes Stück ist einzigartig und hat eine ganz eigene Geschichte.

pinguinomexico.com


180 Grados – Mode und mehr

Ein weisses, bunt besticktes Strandkleid? Einen mit geometrischen Mustern gewobenen Poncho? Einen lässigen Strohhut? In diesem kleinen Concept-Store gibt es coole Mode von mexikanischen Designschaffenden, deren Entwürfe man auch problemlos in Italien am Strand oder in Zürich beim Stadtbummel tragen kann. Für Männer und Frauen übrigens.

180grados.mx


Delirio – Für Gourmets

Vielleicht nimmt man nicht gerade eine Packung hausgemachtes Müesli mit – obwohl die mexikanische Version eine Abwechslung zur heimatlichen sein könnte. Spannender sind aber in diesem Delikatessenladen der ausgewählte einheimische Honig, die hausgemachten scharfen Saucen und die knusprigen Tortilla-Chips, über die man sich zu Hause als Mitbringsel freut. Es gibt auch mexikanische Weine und ein paar Leckereien zum sofortigen Essen.

delirio.mx


OMR – Top-Galerie

Die vor rund 40 Jahren von einem Ehepaar gegründete Galerie war der erste wichtige Ausstellungsort für zeitgenössische Kunst in Mexiko und zählt bis heute zu den einflussreichsten. Inzwischen hat die zweite Generation die Leitung übernommen und das ikonische Gebäude in Roma Norte als Hauptsitz auserwählt. Gezeigt werden vor allem Arbeiten von aufstrebenden lateinamerikanischen Künstlern, unter ihnen auch viele Mexikaner.

omr.art


Olivia Foundation – Frauenpower

Die Eigentümer halten sich bedeckt, aber ihre Kunstsammlung zeigen sie seit Februar 2024 öffentlich in ihrem hochmodernen dreistöckigen ehemaligen Bürogebäude, das schon allein einen Besuch wert ist. Die erste, noch bis November laufende Ausstellung «Between us» ist den abstrakten Werken von Frauen verschiedener Generationen gewidmet.

oliviafoundation.mx


Casa Guillermo Tovar de Teresa – Privatgemächer

Guillermo Tovar de Teresa war ein exzentrischer Historiker, der sich mit mexikanischer Kunst aus der Kolonialzeit und dem 19. Jahrhundert beschäftigte. Seine schön renovierte Villa von 1911 ist heute ein Museum, in dem seine Kunstsammlung, seine Möbel, Teppiche, Porzellan und Bücher zu sehen sind – und zwar genau so, wie sie vorgefunden wurden, als Señor Tovar de Teresa 2013 verstarb.

museosoumaya.org

Murals

Durch die Strassen von Roma Norte zu bummeln, macht Spass, und die Entfernungen halten sich in überschaubaren Grenzen. Um nicht einfach planlos zu flanieren, kann man sich einen Rundgang entlang der Wandmalereien, genannt Murals, zurechtlegen. Zu den Strassen, an denen es viel zu sehen gibt, zählt die Calle Zacatecas, wo man sowohl Werke findet, die sich auf die mexikanische Kultur, Geschichte und Bildsprache beziehen, als auch abstraktere Bilder. Weitere gute Strassen: Chiihuahua, Tabasco und Tonalá.

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