Mittwoch, Oktober 9


Reise-Tipps

Die französische Hauptstadt ist im Olympiafieber. Während andere sich im Stadion drängeln, kann man selbst Paris geniessen. Dabei hilft es, ein paar gute Tipps in der Tasche zu haben.

Das sportliche Highlight des Sommers findet in Paris statt: die Olympischen Spiele (26. Juli bis 11. August 2024) mit 32 Sportarten und 10 500 Athleten aus 206 Ländern, die um 329 Goldmedaillen kämpfen. Man darf davon ausgehen, dass es voll wird in der französischen Hauptstadt – sehr voll. Vor allem am ersten Augustwochenende, wenn sich die Kernsportarten Leichtathletik und Schwimmern überschneiden und für eine dichte Folge an Highlights sorgen.

Wer keine Eintrittskarte für das 100-Meter-Finale (Kostenpunkt: 950 Euro) ergattert hat, muss trotzdem nicht verzweifeln. Denn während andere sich im Stadion drängeln, kann man selbst Paris geniessen. Dabei hilft es, ein paar gute Tipps in der Tasche zu haben.

1. Trend-Tresen: Le Bar du Boubalé

Mit seinem türkisfarbenen und korallenroten Dekor, seinen orientalischen Mustern, den tiefen, bequemen Sofas und gestreiften Samtsesseln verströmt die intime Bar im noch neuen Hotel Le Grand Mazarin das Flair einer zeitgeistorientierten Ali-Baba-Höhle und den Zauber von 1001 Nacht.

Hinter dem Tresen kombinieren Virgile Texier und Maxime Caillet Zutaten, die man sonst eher in Suppen findet: Zwiebeln, Rüben, Rotkohl, Estragon. Im Bestseller «Sababoush» wird Feigenschnaps mit zarten Auberginen- und Oregano-Aromen vermischt, der «Take my Oseille» präsentiert sich als eigenwillige Daiquiri-Version mit Plantation-Rum, Zuckerrüben-Zaatar-Sirup, Zitronensaft und Sauerampfer – dazu wird gedörrte Zuckerrüben-Zaatar-Kartoffel serviert.

Den Parisern gefällt das. Sie drängeln sich um die Bar und auf dem Bürgersteig vor der Tür und gehen nach ein paar Drinks noch gerne ins angrenzende Restaurant «Boubalé», wo unter der Leitung des Sternekochs Assaf Granit die aschkenasische Küche ein modern interpretiertes und sehr leckeres Revival erlebt.

2. Vintage-Shopping: Les Puces

Les Puces de Paris Saint-Ouen ist der älteste und grösste Flohmarkt der Welt. Er entstand 1870, als die Pariser Lumpensammler aus Hygienegründen aus der Kapitale verbannt wurden und sich am Stadtrand unweit des damals noch winzigen Dorfes Saint-Ouen niederliessen. Während der Flohmarkt Anfang des Jahrtausends mit leeren Ständen und einem schlechten Ruf zu kämpfen hatte, feiert er jetzt ein furioses Comeback: Vintage-Läden, Concept-Stores und coole Lokale haben Les Puces als schicke Shopping-Destination etabliert.

Zu den besten Läden zählen Voyages mit Louis-Vuitton-Reisetruhen, Goyard-Reisetaschen und amerikanischen Schrank-Koffern, die fürs Flugzeug viel zu schade sind, Chez Sarah mit teilweise extravaganter Mode aus dem 19. und 20. Jahrhundert, Maison Jaune mit Lampen aus den sechziger Jahren, Möbeln aus Dänemark und eigenen Entwürfen, und Art de la Table mit schönstem Tafelsilber im Empire-, Napoleon-III- oder Art-déco-Stil (Marché Serpette, 110 Rue des Rosiers).

Um nach dem Einkauf wieder zu Kräften zu kommen, empfiehlt sich das 1985 eröffnete Bistro Le Paul Bert mit grosser Terrasse und kulinarischen Highlights wie Œufs Mayonnaise, Tartare de Bœuf und hausgemachten Fritten.

3. Frische Fische: La Belle Maison

Drinnen oder draussen? Das Restaurant La Belle Maison im coolen Viertel South of Pigalle (SoPi für Insider) hat hier und dort Vorteile. Das Interieur punktet mit blau-weiss gekachelten Wänden, Designerstühlen und schönen Holztischen, vor der Tür sitzt man direkt im Pariser Leben, mit etwas Glück auf einem bequemen Sofa.

Doch das Highlight des Lokals ist nicht der Look, sondern die Küche. Sie ist kreativ, ohne kompliziert zu sein, und immer für eine Überraschung gut. Zu den festen Highlights der Menukarte zählen die leckeren mit Limette und Koriander aromatisierten Kabeljau-Rillettes und sehr feine Krebs-Cannelloni. Alle anderen Fischgerichte variieren nach Saison und Marktangebot, es gibt immer auch etwas für Fleischliebhaber, dazu beste französische Weine und danach einen unwiderstehlichen Montblanc à l’Orange.

4. In-Quartier: Sentier

Im 19. Jahrhundert waren die mittelalterlichen Strassen des 2. Arrondissements das Revier der Textilindustrie, das Viertel galt als zwielichtig und verkommen. Mit der Krise der Textilindustrie im ersten Jahrzehnt des neuen Millenniums verschwanden viele der Manufakturen und Handelsbetriebe, ihre Ateliers wurden zu Wohnraum, ihre Showrooms zu Boutiquen, ihre Lagerhallen zu Büroräumen für Architekten, Webdesigner und Startups, denen das multikulturelle und leicht vergammelte Industrie-Flair der Gegend gefiel.

Heute bekommt man in Restaurants wie dem schicken Frenchie, der minimalistisch durchgestylten La Cevicheria oder im altmodischen, mit grossen Spiegeln und roten Samtbänken ausgestatteten Aux Crus de Bourgogne kaum noch einen Tisch. In der Rue Bachaumont locken Läden wie Le Caribou mit seltenen Brillenbrands oder die Parfumerie Nose mit Produkten der amerikanischen Kultmarke Malin+Goetz, der ganzheitlichen Pflegeserie von Susanne Kaufmann sowie Regalen mit Flakons von nicht alltäglichen Brands wie Creed, Keiko Mecheri und Heeley.

Für die Nacht bieten sich die 49 Zimmer und Suiten des Hotel Bachaumont an, die von der Pariser Designerin Dorothée Meilichzon in schönstem Art-déco-Stil mit Mosaikböden, halbblinden Spiegeln, Kugelleuchten und einer Farbpalette aus Grau-, Blau- und Grüntönen gestaltet wurden.

5. Alles Käse: Fromagerie Griffon

Das französische Käsereich war lange in Männerhand. Doch nun sind Frauen die Stars der Branche – eine von ihnen ist Claire Griffon. Laibe von bis zu 200 sorgfältig in ihrem Keller gereifte Käsesorten liegen auf gekühlten Inox-Regalen in ihrer modernen Fromagerie im 7. Arrondissement.

Darunter: britischer Stilton, italienischer Pecorino, Schweizer Gruyère sowie die ganze Bandbreite französischer Produkte. Dazwischen: zierliche Zellophantüten mit pistaziengrünen und orangenfarbenen Splittern. «Ich möchte meinen Kunden mehr anbieten als einen exzellenten Camembert», erklärt die Affineuse, «bei mir gibt es Käse, der aussieht wie das Produkt einer Konditorei.» Etwa die zierlichen «Chèvre aux Fleurs»-Törtchen aus Ziegenkäse mit essbaren Hornveilchen. Oder die «Brillat Cassis»-Würfel aus Brillat-Savarin, gewälzt in einem Puder aus schwarzen Johannisbeeren. Köstlich!

6. Kunst: Bourse de Commerce

Der Ende 2021 eröffnete private Ausstellungstempel von François Pinault bespielt eine im 18. Jahrhundert errichtete Getreidehalle im heute angesagten Hallenviertel. Wer den ikonischen Rundbau in diesem Sommer besucht, sieht zunächst die silberglänzende «Horse and Rider»-Skulptur des Amerikaners Charles Ray vor dem Eingang, dann die Ausstellung «Le Monde comme il va» mit Kultkunstwerken von Fischli & Weiss, Jeff Koons, Damien Hirst, Cindy Sherman, Wolfgang Tillmans und anderen.

Doch ganz gleich, was gezeigt wird: Das von Tadao Ando phantastisch ausgebaute Museum mit seiner vierzig Meter hohen Kuppel, dem gigantischen Deckengemälde und den höchst lebendig wirkenden ausgestopften Tauben, die der italienische Objekt- und Installationskünstler Maurizio Cattelan auf die Balustrade direkt unter die Glaskuppel des Rundbaus gesetzt hat, ist eine Augenweide. So empfinden es offenbar auch die täglich fast 3500 Besucher, die sich hier teilweise unbequeme, oft schwer verständliche Kunst ansehen – eine Zahl, die für ein noch relativ neues, zeitgenössisches Museum ein Rekord ist.

7. Bootsfahrt: My Paris River

Nein, es handelt sich hierbei nicht um die berühmten Bateaux Mouches, jene breiten Ausflugsboote mit Glaswänden und meist offenem Oberdeck, die in Scharen durch die Seine fahren und Hunderte von Passagieren an Bord haben. Es geht nämlich auch anders – das kostet zwar etwas mehr, aber es lohnt sich. Auf die Ponton-Boote von My Paris River passen maximal zwölf Personen, man kann sie aber auch zu zweit mieten.

Sie sind komplett offen – können aber mit einem Sonnensegel ausgestattet werden – und sind äusserst komfortabel mit Sofas, Tisch und sogar etwas Platz zum Tanzen versehen. Die Schiffskapitäne sind zugleich Reiseführer. Sie wissen so gut wie alles über Paris und über die Sehenswürdigkeiten, an denen sie vorbeifahren: Eiffelturm, Louvre, Musée d’Orsay, Rathaus, Notre-Dame und andere. Auf Wunsch werden Getränke bereitgestellt oder ganze Dinner an Bord serviert. Wer es richtig romantisch wünscht, bucht eine Nachtfahrt und lässt die Stadt des Lichts in voller Beleuchtung an sich vorbeiziehen.

8. Best of Bistro: La Grille Montorgueil

Auf den ersten Blick unterscheidet sich das Lokal in keiner Weise von den vielen anderen, die zwischen Käseläden, Patisserien, Gemüsehändlern und Fischverkäufern an der stimmungsvollen Rue de Montorgueil stehen: auf der Terrasse die für Paris typischen geflochtenen Stühle, dicht an dicht vor kleinen runden Tischen, hinter der Eingangstür eine matt glänzende Zink-Bar, dahinter dunkle Holztische vor blassroten Ledersofas. Doch das Lokal La Grille Montorgueil ist anders.

Natürlich sitzen hier auch ein paar Touristen, doch die meisten Gäste sind Locals. Unter ihnen offenbar viele Stammgäste, die vom lässigen Personal mit Handschlag begrüsst werden und ihr Menu besprechen, ohne die Karte auch nur in die Hand zu nehmen. Als Bestseller gelten die Pariser Klassiker: Œufs Mayonnaise, Steak-Frites, Tarte Tatin. Es gibt aber auch ein leckeres vegetarisches Couscous, eine schöne Käseauswahl, mehrere täglich wechselnde Tagesgerichte sowie eine Weinkarte mit ausgesuchten französischen Gewächsen. Dazu: ein sehr sympathischer Service – in Paris keine Selbstverständlichkeit!

9. Concept-Store: Merci

Als Marie-France Cohen 2009 in einer alten Tapetenfabrik den Concept-Store Merci im damals noch kaum angesagten Haut Marais eröffnete, konnte sie nicht ahnen, dass sie damit einen Hype auslösen würde, der weit über den weitläufigen Laden hinausreicht. Merci wurde zu einer Stilhochburg zwischen altmodischen Läden und Werkstätten im Gassengewirr des nördlichen 3. Arrondissements und zum Vorbild für andere Geschäfte, Ateliers und Lokale, die nach und nach ins Quartier zogen und sich wohltuend vom Massengeschmack abheben, der die weiter südlich gelegenen Touristenpfade prägt.

Man könnte problemlos den ganzen Tag im Merci verbringen – und hätte dann wohl immer noch nicht das ganze Angebot an hippen Klamotten, coolen Brillen und Taschen, Möbeln und Küchenutensilien sowie netten Geschenkideen und lustigem Nonsens durchforstet. Für zwischendurch und zur Erholung stehen ein gemütliches Café und ein Lunch-Spot mit gesunden Leckereien bereit.

10. Königsgarten: Jardin du Palais Royal

In der Früh kommen die Jogger, dann die Müssiggänger zum Spazierengehen, Zeitungslesen und um sich einen perfekt zubereiteten Cappuccino im Café Kitsuné zu holen, mittags all jene, die in der Gegend arbeiten und Lust auf ein «dejeuner sur l’herbe» haben, und kurz darauf sind schon die ersten Apéro-Gäste da, die Wein und Gläser mitgebracht haben und die schönen alten Parkbänke besetzen.

Der Garten des im 17. Jahrhundert für Kardinal Richelieu erbauten, rechteckigen Königspalasts ist für die Öffentlichkeit frei zugänglich und lockt mit grossem Springbrunnen, prächtigen Blumenbeeten und langen Doppelreihen von Schatten spendenden Linden, die an die Säulen der parallel verlaufenden Galerien erinnern.

Unter den Arkaden haben sich teure Modeläden eingerichtet, unter anderen die von Stella McCartney, Acne Studios oder Rick Owens, und wunderbar essen kann man hier auch: Entweder im legendären, über 200 Jahre alten Le Grand Véfour oder im deutliche moderneren Palais Royal Restaurant mit zwei Sternen und Terrasse.

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