Dienstag, Oktober 8


9 Empfehlungen

Die Art Basel versammelt die wichtigsten Galerien der Welt, die grössten Namen der Kunstszene – und parallel dazu finden noch Events und Ausstellungen statt, ohne deren Besuch man die Stadt gar nicht verlassen kann. Da soll man den Überblick behalten!

Hat man Zeit und kann allenfalls gleich mehrere Tage in der Stadt verbringen, sollte man sich an der Art Basel einfach treiben lassen – oft ist es ja so, dass man auf diese Weise die grössten Entdeckungen macht und nicht in Panik verfällt, weil man etwas verpassen könnte. Ist die Zeit indes beschränkt, lohnt es sich, ein Programm zusammenzustellen – eines, das zwischen Innen- und Aussenräumen wechselt. Denn ob all der Fülle von Angeboten kann es gut sein, dass man zwischendrin den Kopf auslüften will, damit wieder neue Eindrücke hineinpassen.

Nicht um die Angst zu befeuern, etwas zu verpassen, sondern als Art Radar haben wir eine Auswahl von Orten und Events zusammengestellt, denen man während der Woche vom 13. bis 16. Juni 2024 spezielle Aufmerksamkeit schenken könnte. Loslegen lässt sich mit diesen Programmpunkten teilweise bereits am Montag – auch wenn man nicht zur VIP-Kunstklientel gehört und nicht über die entsprechenden Zugangstickets verfügt.

1. Die Arbeit «Honouring Wheatfield – A Confrontation» von Agnes Denes

Der Kurator Samuel Leuenberger hat auf der rund 1000 Quadratmeter grossen Freifläche vor dem Messegelände ein Weizenfeld auf unzähligen Europaletten platziert. Die Arbeit ist eine Adaption des 1982 mitten in Manhattan gepflanzten Weizenfelds mit dem Titel «Wheatfield – A Confrontation», das von der 1931 in Ungarn geborenen amerikanischen Künstlerin Agnes Denes konzipiert wurde.

Heute, da in weiten Teilen der Welt Hunger herrscht, seit Februar 2022 in der Ukraine, der grössten Kornkammer Europas, ein Krieg tobt, Klimaschäden immer unleugbarer werden und gesamthaft sowieso alles nicht so optimistisch zu deuten ist, erscheint die beinahe kontemplativ wirkende Arbeit als subversiv-poetisches Ausrufezeichen.

Ein ergänzendes Plakat zeigt Denes 1982 im New Yorker Weizenfeld, ein Monitor gibt die von ihr damals abgegebenen Statements wieder, die an Aktualität und Dringlichkeit nichts eingebüsst haben – und sehr eindrücklich vorführen, wie unbelehrbar wir doch sind.

Informationen: Das Feld vor den Türen des Messegeländes soll bis August stehen bleiben. Weitere Infos finden sich hier.

2. Art Unlimited, die Halle für Kunst der Superlative

Auf der von Giovanni Carmine kuratierten Plattform Art Unlimited darf man sich auf vieles freuen, denn räumliche Begrenzung erfährt hier kaum eine Arbeit: Die meisten der hier ausgestellten Werke sind ortsspezifisch geschaffen und kolossal gross. Manchmal sind es aber auch Namen, die wie ein Magnet wirken. In diesem Jahr dürfte das unter anderem Martin Margiela sein. Während seine Mode unter dem Label Maison Martin Margiela, wo er bis 2008 vornehmlich als Designer tätig war, wohl vielen vertraut ist, ist das seine künstlerische Arbeit weniger.

Auch die Life-Performances geben Anlass, die Art Unlimited zu besuchen. Vier sind es an der Zahl. Darunter etwa Seba Calfuqueos Arbeit «Ko ta mapungey ka (Water is also territory)» aus dem Jahr 2020. Diese wird von Montag bis Sonntag in einer 17-minütigen Performance aktiviert. Auch toll: Reto Pulfers Kunstwerk «Zustand Hand» aus diesem Jahr erwacht ebenfalls täglich als Performance zum Leben.

Informationen: Öffnungszeiten, Performances und Informationen zu Art Basel’s Unlimited Night finden sich auf der Website der Art Basel.

3. «Basel Social Club»: Bei Kunst-Stadt-Ermüdung raus ins Grüne

Der «Basel Social Club», hinter dem schicken Wohnquartier Bruderholz, zwischen Scheunen und Bäumen im Grünen situiert, findet dieses Jahr zum dritten Mal statt. Er ist der Kontrapunkt der Art Basel: Hier wirkt alles überschaubarer, die Schwellenangst gegenüber Kunst dürfte kein Thema sein. Denn hier geht es nicht vordergründig um Kommerz, sondern um ein breit gefächertes Programm aus kuratierten Ausstellungen, Konzerten, künstlerischen Interventionen und Kulinarik, das für alle Besucherinnen und Besucher gratis zugänglich ist.

Das Gute in diesem Jahr: Das Programm findet unter freiem Himmel statt und bietet die wunderbare Gelegenheit, einmal raus aus der Stadt zu kommen, sollten einem die vielen Eindrücke der hochetablierten Kunst zu arg zu werden.

Informationen: Der «Basel Social Club» mit Schwerpunkt Ökologie findet vom 9. bis 16.  Juni 2024 statt. Alle Infos zum Programm finden sich hier.

4. «Virtual Beauty» im HEK: Schönheit durch KI und Social-Media-Filter

Während lange zwischen Digital Natives und Non-Digital Natives unterschieden wurde, ist nun eine Generation erwachsen geworden, die weiss, wie man sich in der digitalen Welt schön darstellt. Damit hat sich ein neues Selbstbild aufgetan, das zwischen Avatar-Artigem, Social-Media-Filtern (auch virtuelles Make-up genannt) und glattpolierten Schönheitsidealen mäandert.

Mit «Virtual Beauty» bietet das Haus der elektronischen Künste, kurz HEK, eine von Gonzalo Herrero Delicado, Bunny Kinney, Mathilde Friis und Marlene Wenger kuratierte Schau, die mit über zwanzig Arbeiten zeigt, wie digitale Werkzeuge und Möglichkeiten das Bild von Schönheit prägen und darüber hinaus Fragen nach Geschlecht, Herkunft, Identität und Sexualität stellen.

Informationen: Das «Haus der elektronischen Künste» ist während der Art Basel von Montag, 10. Juni, bis Sonntag, 16. Juni, von 10 bis 18 Uhr geöffnet.

5. Design Miami/Basel: Eine Würdigung des Werkes von Gaetano Pesce

Zeitgleich zur Art Basel findet die Messe Design Miami/Basel statt. In diesem Jahr erwartet die Besucherinnen und Besucher beim Betreten der Eingangshalle eine Ausstellungskollaboration der Design-Galerie Friedman Benda mit Sitz in New York und Los Angeles und der beiden Pariser Galerien Pulp und Downtown+. Alle drei Galerien stellen Schlüsselwerke und Objekte des in diesem Jahr verstorbenen Designers und Architekten Gaetano Pesce (1939–2024) aus. Die Würdigung des Werkes einer der Designer-Ikonen dieses Jahrhunderts ist ein freudvoller und überraschender Empfang, der nochmals deutlich macht, wie vielfältig Pesces Werk ist.

Die weiteren teilnehmenden Galerien zeigen Klassiker, aber auch viel Zeitgemässes. Besonders entdeckenswert dürfte die noch junge Brüsseler Galerie Objects with Narratives sein: Die Galerie ist eine der wenigen, die nicht das Etabliert-Gewohnte als Sammlerstück anbieten, sondern nur Designer und Künstlerinnen der Gegenwart vertreten und gar nicht mehr von Design, sondern von «funktionaler Kunst» sprechen. Das wird heute gern als Begriffskategorie benutzt.

Informationen zur Design Miami/Basel finden sich auf der Website. Tickets für die Messe, die ab 11. Juni öffentlich ist, gibt es hier.

6. Parcours: Präsentation im öffentlichen Raum

Der Parcours wurde in diesem Jahr von Stefanie Hessler, der Direktorin des Swiss Institute New York, kuratiert – und rückt etwas näher an das Messegelände: Die Clarastrasse wird zu einem Parcours. In leer stehenden Ladenlokalen, auf der Strasse selbst, in Geschäften oder im ehemaligen Hotel Merian als Veranstaltungsorten werden von Montag bis Sonntag Werke und Projekte von Künstlerinnen und Künstlern wie Rirkrit Tiravanija (*1961), Mandy El-Sayegh (*1985) oder Alvaro Barrington (*1983) ausgestellt.

Am Mittwoch, 12. Juni 2024, findet die Parcours Night statt. Alle beteiligten Standorte haben bis 23 Uhr geöffnet, das Programm der Nacht scheint vielversprechend bunt und ausgelassen zu sein.

Informationen: Eine Karte mit allen Standorten sowie das Programm und die teilnehmenden Künstler und Künstlerinnen finden sich hier.

7. Swiss Design Awards und Swiss Art Awards

Im Rahmen der Swiss Design Awards gilt es zu entdecken, was sich im Umfeld eines weit gesteckten Design-Begriffes in der Schweiz tut und wer in den Augen der Jury des Bundesamtes für Kultur einen Preis erhält. Ausgezeichnet wird in den Kategorien Fotografie, Grafikdesign, Mode- und Textildesign, Produktdesign, Vermittlung und Szenografie sowie Designforschung und Media & Interaction Design. Parallel zur Kunstmesse zeigt die Ausstellung «Swiss Design Awards» die Arbeiten der Kandidaten und Kandidatinnen des Schweizer Designwettbewerbs.

Neben den Swiss Design Awards vergibt das Bundesamt für Kultur ebenfalls den Schweizer Grand Prix Design – seit Jahren überrascht die Auswahl der Gewinner und Gewinnerinnen auf angenehme Art und Weise. In diesem Jahr gingen die grossen Preise an die Co-Creative-Direktorin von Jil Sander, Lucie Meier (*1982), an Paola De Martin (*1965), Historikerin und Dozentin für Designgeschichte, und an den Künstler, Produzenten und Vermittler Luciano Rigolini (*1950).

Zeitgleich zu den Swiss Design Awards werden auch die Swiss Art Awards vergeben, in deren Rahmen der «Prix Meret Oppenheim» sowie der «Kiefer Hablitzel / Göhner Kunstpreis». Wer wissen will, welche Künstler und Künstlerinnen in der Schweiz als förderungswürdig gelten, kommt um einen Besuch dieser Veranstaltung nicht umhin.

Informationen: Alle Infos zur Eröffnung, zu den Preisverleihungen und den Öffnungszeiten finden sich hier. Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider wird am 10. Juni zur Eröffnung anwesend sein. Der Eintritt ist frei.

8. Photo Basel: Die einzige Fotokunstmesse der Schweiz

Wer sich für Fotografie interessiert, geht an die Photo Basel, die wie in den vergangenen Jahren parallel zur Art Basel im Volkshaus stattfindet. Hier ist alles überschaubarer, fokussierter und weniger hysterisch. In diesem Jahr werden erstmals drei Galerien ausschliesslich Werke von afrikanischen Künstlerinnen und Künstlern zeigen; darunter etwa die Londoner Galerie Doyle Wham, die Arbeiten der kamerunisch-niederländischen Fotografin Angèle Etoundi Essamba präsentiert.

Die Edition, die jährliche Sonderausstellung der Photo Basel, zeigt «Augenzeuge Kurt Wyss im Dialog mit Jean Dubuffet». Wyss, geboren 1936, gilt als einer der bekanntesten Pressefotografen der Schweiz und hat eine langjährige Zusammenarbeit mit dem französischen Maler und Bildhauer Dubuffet gepflegt.

Informationen: Ab Dienstag, 11. Juni 2024, ist die Messe per Ticket zwischen 12 und 20 Uhr (ausser Sonntag bis 18 Uhr) zu besuchen.

9. Liste Art Fair: Die neusten Strömungen der internationalen Kunst

Wer sich für die Kunst der unmittelbaren Gegenwart interessiert und junge Galerien unterstützen möchte, geht an die Liste. Seit fast dreissig Jahren versammelt diese Galerien aus aller Welt, die sich bemühen, junge Künstler und Künstlerinnen zu fördern. Als «Stiftung Liste Basel» gewährt sie finanzielle Unterstützung für Galerien (in diesem Jahr sind es 31), damit neue Werke produziert werden können. 10 weitere Galerien werden finanziell von «Friends of Liste» gefördert, damit besonders aufwendige Kunstproduktionen umgesetzt werden können, die dann erstmals an der Liste gezeigt werden.

In diesem Jahr kuratierte die in Lausanne geborene Elise Lammer das Special Program der Liste unter dem Titel «Mythic Beings»: Es umfasst zahlreiche Performances, unter anderem von Astrit Ismaili, Florence Peake und Luana Vitra. Dafür ist Lammer von utopischen Modellen ausgegangen. Dies im Bewusstsein (oder vielleicht auch in der Hoffnung), dass Kunst und ihre Protagonisten, die «mythischen Wesen», allzu Statisches wieder in Bewegung bringen und einschränkende Normen überwinden.

Informationen: Wissenswertes zur Liste Art Fair finden sich auf dieser Website. Die Liste eröffnet am Montag, 10. Juni, um 18 Uhr.

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