Mittwoch, Oktober 9


Modedesignerin

Die Designerin hinter Prada und Miu Miu ist ihr eigenes bestes Markengesicht. Bei ihren Outfits verzichtet die Italienerin niemals auf Humor und selten auf High Heels.

Sobald die Models nach einer Prada- oder Miu-Miu-Show ihren letzten Turn um den Laufsteg gemacht haben und backstage verschwinden, drehen sich die Köpfe der Zuschauenden (und ihre gezückten Handys) abermals zum Eingang. Das ist bei einer Modeschau nichts Ungewöhnliches: Schliesslich möchte man der Designerin oder dem Designer seinen Respekt zollen.

Doch wenn man nach Miuccia Prada Ausschau hält, dieser kleinen Mailänderin, die meist nur kurz auf den Laufsteg tritt, dann will man nicht nur einen Blick auf eine Ikone der Modewelt erhaschen, sondern auch auf ihr Outfit. Während viele ihrer Berufskollegen auf Understatement setzen oder auf unspektakuläre Funktionskleidung, setzt Prada auf sich selbst. Kaum jemand schafft es, Kleidung wie sie zu tragen. Nicht einmal ihre Models.

Politikwissenschafterin und Pantomimin

Miuccia Prada ist keine klassisch ausgebildete Modedesignerin. Sie studierte Politikwissenschaft und machte eine fünfjährige Ausbildung zur Pantomimin, bevor sie das Ledertaschenunternehmen Prada von ihrer Mutter übernahm und 1988 ihre erste Ready-to-Wear-Kollektion präsentierte. Sie konnte nicht einmal zeichnen, wie sie kürzlich in einem «Vogue»-Interview zugab. Aber sie wusste, was sie tragen wollte, und brachte es auf den Laufsteg.

Ihre Faszination für Vintage-Kleidung und Uniformen zeigte sich fortan auch in ihren Kollektionen, die kollektive Ideen von Hässlichkeit hinterfragten und sich in der Modewelt bald als tonangebend erwiesen. Pradas eigener Stil ist also massgeblich dafür verantwortlich, dass die heute 75-jährige Italienerin eine der erfolg- und einflussreichsten Modefirmen der Welt führt.

Und noch immer ist er die beste Verkörperung ihrer modischen Philosophie: Kleidung, die Spass macht, nützlich ist, Persönlichkeit ausdrückt, Geschichte und Eigenheiten hat.

Ein Grün, das sich einbrennt

Laut einigen Berichten besitzt Prada eine separate Wohnung nur für ihre Kleider, denn sie werfe nie etwas weg. Sie trägt viele Kleidungsstücke auch im Scheinwerferlicht doppelt. Manche kommen wie direkt ab Laufsteg daher – sie trägt fast ausschliesslich Prada und Miu Miu –, andere lässt sie an ihren Geschmack anpassen. Ihre Schuhe sind nie langweilig und oft schwindelerregend hoch, ihre Accessoires meist unübersehbar. Und eine ganz bestimmte Schattierung von Grün – ein bisschen Chartreuse, ein bisschen Gras, ein bisschen Schleim – trägt sie immer wieder. Auf glänzenden Mänteln und Hosen brennt es sich in die Augäpfel des Betrachters ein, macht sich unvergesslich.

Ohnehin, die Mäntel. Sie sind üppig bestickt, mit breitem Revers versehen oder an den Ärmeln mit Pelz ummantelt und damit häufig der Mittelpunkt. Prada hält sie gerne mit einer Hand zu, eine Geste, die es längst auch auf ihren Laufsteg geschafft hat: sanft, aber bestimmt, schützend, aber elegant.

Mit einem Augenzwinkern

Sie kleide sich gern wie eine Nonne, sagte Miuccia Prada einmal, denn es entspanne einen ungemein. Besonders mit den Codes der Bourgeoisie spielt sie gerne, mit der modischen Idee von Damenhaftigkeit, die viel interessanter ist als die aalglatte Oberfläche von zeitgenössischen Idealen wie Quiet Luxury.

Das gilt genauso für die Kleidung, die sie entwirft. «Wenn man sie nicht mit einem Augenzwinkern tragen kann, wie es Prada selbst tut – und dabei die krumme Nase über die gängigen Vorstellungen von Schönheit und Sex-Appeal rümpft –, kann man damit wie eine Gouvernante aussehen», beschrieb die Autorin Judith Thurman einmal im «New Yorker» den Effekt.

Bestes Beispiel dafür ist das Kostüm, ein Jupe zur passenden Jacke, Bastion eines konservativen weiblichen Stils und deswegen im Pradaversum unentbehrlich: Miuccia Prada trägt es in leuchtendem Rot mit abgerundetem Rücken und grellem Logo-Patch, dazu silberne Stilettos, schwarze Strumpfhosen und ein breites Lächeln.

Als das winzig kleine Set von Miu Miu im Frühjahr 2022 auf Instagram und in Modemagazinen unumgänglich war, trug auch Miuccia Prada ein Set von Miu Miu: Ihres war aus unregelmässig braunem Leder gefertigt, ein messerscharfer, knöchellanger Plisseejupe zur schmalen Bikerjacke. Dazu ein weicher Pullover und Pumps, so spitz, dass sie einen aufzuschlitzen drohten, sollte man ihnen zu nahe treten.

Eine zerknitterte Uniform

In letzter Zeit ist es eine Art Uniform, die man am Ende von Miuccia Pradas Shows zu sehen bekommt: Pullover, Pumps und ein Jupe mit Falten. Letzterer sieht so aus, als habe sie ihn direkt aus dem Schrank oder dem Koffer genommen und angezogen, ohne einen zweiten Blick darauf zu werfen.

Die ordentlichen Falten des einst sorgfältig gebügelten Kleidungsstücks ziehen sich horizontal und vertikal darüber, wie ein zufälliges Muster des häuslichen Alltags. Das ist es natürlich nicht. Miuccia Prada sendet schon seit den neunziger Jahren absichtlich zerknitterte Kleidung über den Laufsteg. Da ist es, das Augenzwinkern.

Exit mobile version