Donnerstag, Oktober 10


Hörtipps

Der Podcast-Boom scheint ungebrochen. Auch die Mode ist davor nicht gefeit. Das sind die Lieblinge der Redaktion.

1. Silhouettes: A Fashion History Podcast

Tja, der äussere Schein: Der kitschige Auftritt von «Silhouettes» (zu hören auf Spotify) hätte mich fast davon abgehalten, einmal zuzuhören. Zum Glück tat ich es trotzdem. Modehistorikerin Belle bespricht in reizendem «British English» in halb- bis einstündigen Episoden Themen wie: Warum Hexen spitze Hüte tragen, ob Piraten immer falsch dargestellt wurden, wie die 1920er Jahre in Hollywood die japanische Mode beeinflussten, und warum historische Bücher wie Mary Shelleys Buch «Frankenstein» eine wunderbare Quelle für Mode-Zeitzeugnisse sind.

Nischig? Oh ja. Aber unterhaltsam erzählt und deshalb nicht nur für Fashion-History-Nerds ein Gewinn.

Text: Malena Ruder

2. Nymphet Alumni

«Nymphet Alumni» (erhältlich auf Spotify und Patreon) ist nichts für schwache Nerven. Wenn die drei amerikanischen Hosts Biz Sherbert (wohnhaft in London), Sam Cummins (wohnhaft in Texas) und Alexi Alario (wohnhaft in New York) über Mode und Kultur sprechen, wird ausgiebig abgeschweift, zitiert, hinterfragt, kritisiert und gelacht. Gegenstand ihrer Diskussionen sind Trends und, wie man es in der Internet-Sprache nennt, «aesthetics»: die plötzlich sehr einflussreiche Kultur der Mormonen, «Eurodance», die Mythologie des «French Girl Style», oder, überraschend sehr gut, die Ästhetik von Öl (in der Folge «Harley Davidson Harlot»).

Manche der diskutierten Themen verlassen ihre ganz spezifischen Nischen nie. Andere, wie das Fussballtrikots-tragende Blokette, mausern sich mit der Zeit zu grösseren Phänomenen. Meistens sind die Hosts von «Nymphet Alumni», allesamt in ihrem Zwanzigern, zuerst da.

Text: Jana Schibli

3. Creative Conversations with Suzy Menkes

Ach, Menkes hat einen Podcast? Als Moderedaktor, der in den 1990er Jahren aufgewachsen ist, interessiert mich das natürlich. Ausschlaggebend ist der Name: Creative Conversations with Suzy Menkes (zu hören etwa auf Apple Podcasts). Die einstige Modejournalistin der International Herald Tribune ist ein Urgestein unter den Modekritikern. An den Fashion Weeks ist sie seit den 1980ern ein Fixstern in den ersten Reihen – schon immer gut erkennbar an ihrer charakteristischen Haartolle.

Heute fällt sie auch durch ihr hohes Alter auf: Achtzig ist sie im letzten Dezember geworden. Seitdem ich sie verfolge, strahlt Menkes etwas Unerschütterbares aus: Sie ist nicht Hype, sondern Beobachterin und ordnet die Dinge ein, kritisiert sie aber auch. In der so vor Jugendlichkeit strotzenden Glamourwelt von Mode und Luxus strahlte sie schon immer etwas Erwachsenes aus.

Ihr Podcast – deren erste Episode im April 2020 rauskam – ist relativ simpel: Gespräche mit bekannten, tonangebenden Köpfen der Branche: Kreative wie auch Opinion Leaders. Es sind exklusive Einblicke hinter die Kulissen jener Marken und Kollektionen, von denen wir die Bilder von Internet und sozialen Netzwerke bereits kennen.

Während andere Mode-Podcast mit viel Geplauder und Besserwissertum an meinen Nerven zehren, spricht mir Menkes Podcast mehr zu. Es die klassische, fast altmodische Art, Interviews und Gespräche zu führen. «Ich schreibe immer gern aus dem Herzen heraus», sagt Menkes im Vorspann, eine Haltung, die durchaus auch im Podcast durchdringt.

Besonders interessant ist etwa die Episode vom 16. April mit Designerin Bella Freud. Unterhaltsam ist die Episode vom 2. April mit Jean Paul Gaultier und Simone Rocha, die kürzlich für die Marke des in Ruhestand getretenen Modedesigner in Paris eine Haute-Couture-Kollektion präsentierte.

Text: Kim Dang

4. Wardrobe Crisis with Clare Press

«For me fashion is a verb. So it’s ‹to fashion›», sagt Designer William McDonough an Anfang jeder neuen Episode des auf Nachhaltigkeit fokussierten Mode-Podcasts Wardrobe Crisis. Er war 2018 selbst Gast in einer Folge und sprach darin vor allem über Kreislaufwirtschaft. Sein Statement ist geblieben: «Mode machen» hat Konsequenzen.

In «Wardrobe Crisis» spricht Host Clare Press mit ihren Gästen über die Modeindustrie und vor allem darüber: wie sie verbessert werden könnte. Sie stellt kluge, sehr aktuelle Fragen; etwa, wie sich das Metaverse auf den Einzelhandel auswirken wird.

Die Gespräche haben keinen belehrenden Ton, sondern sind viel eher anregend: Probleme erkennen und Lösungen finden. Seit 2017 sind bereits über 200 Podcast-Folgen erschienen. Zu Gast waren nebst McDonough auch schon Supermodel Amber Valletta, Aktivistin Tarana Burke oder Designer Roland Mouret.

Text: Hannah Hitz

5. Fashion People with Lauren Sherman

«Fashion People» (erhältlich auf Spotify) ist ganz neu, gehört aber bereits zu meiner festen Podcast-Rotation. Lauren Sherman ist ehemalige «Business of Fashion»- und «Forbes»-Journalistin und nun Autorin ihres eigenen Newsletters «Line Sheet». Sie hat Ahnung von Mode und vor allem auch vom System, das sie umgibt. In den zweimal wöchentlich erscheinenden Folgen bespricht Sherman aktuelle Nachrichten, Trends und grössere Themen mit verschiedenen Gästen: Warum Luxuskleidung so teuer geworden ist etwa, oder warum alle auf den Sneaker-Loafer von New Balance abfahren.

Das kann bisweilen etwas Insider-ig werden, aber der Fokus auf sonst wenig beachtete Details, Namen und vor allem Zahlen macht «Fashion People» gerade auch so interessant. Das grosse Ganze verliert Sherman nämlich nicht aus den Augen. Das bisschen Abgehobenheit (ausgedehnte Besprechungen davon, was man bei Alaïa alles gekauft hat) nimmt man dafür in Kauf. Nein: Es gehört dazu!

Text: Jana Schibli

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