Nachgewürzt

Wolfgang Fassbender


Genuss-Tipps

In Bezug auf Kulinarik geniesst die Steiermark einen fast schon mythischen Ruf. Die essbaren Spezialitäten des österreichischen Süd-Bundeslandes sind schliesslich unverwechselbar, und die Begeisterung für Wein ist riesig. Noch besser: Das steirische Preis-Leistungs-Verhältnis gilt als besonders sympathisch.

Wo man anfangen soll beim Besuch der Steiermark, ist schwer zu sagen. Die einen raten dazu, erst mal das typisch steirische Kürbiskernöl zu kaufen und Käferbohnen einzupacken, die anderen schlagen Schinken aus dem Steirischen Vulkanland vor oder wollen mit einem Glas vom längst legendären Sauvignon blanc starten. Tatsächlich ist die Vielfalt der steirischen Kulinarik-Spezialitäten riesig. Und damit sind im Moment nur jene aus dem österreichischen Teil der Steiermark gemeint; der slowenische besitzt eigenen Reiz.

Wer sich lieber bekochen lässt, als das Eingekaufte daheim zuzubereiten, hat die Qual der Wahl. Gourmetküche hier, coole Casual-Konzepte dort. An kleinen und grossen Restaurants mangelt es nicht, und im Vergleich mit dem benachbarten Kärnten muss die Steiermark nicht hintanstehen.

Meine Zusammenstellung ist alles andere als vollständig, zumal mir ein paar Adressen noch fehlen in meiner Agenda. In der vegan kochenden Grazer «Gerüchteküche» etwa war ich noch nie, auch zum legendären Harald Irka habe ich es noch nicht geschafft. Und was Richard Rauch angeht: Der bekannte steirische Koch reagierte vor ein paar Jahren, als ich über ihn schreiben wollte und Informationen zur Nachhaltigkeit erbat, so unhöflich, dass ich auf einen Besuch verzichte.

1. «Steirereck am Pogusch»: völlig anders

Achtung, nicht verwechseln. Ein Restaurant mit dem Namen «Steirereck» existiert doppelt. Einmal in Wien als Zwei-Sterne-Lokal nach Version des «Guide Michelin», dann in der Steiermark als Wirtshaus der besonderen Art. Ich war letztmals im vergangenen Jahr im «Wirtshaus» und begeistert ob Wildkarpfen mit Aromaten.

Doch die Karte wechselt regelmässig. Bio-Huhn mit Meyer-Zitronen oder Hausschwein mit Artischocken stehen auf der aktuellen; vergessene Innereien wie weisse Nieren und Kalbshirn gibt es immer. Tolle Weinauswahl, originelle Übernachtungsmöglichkeiten . . . und erst die Spirituosen!

2. «Saziani Stub’n»: Wein und Dynamik

Wenn ein Restaurant zu einem Weingut gehört, ist das oft ein Vorteil für alle Beteiligten. Das gegenseitige Verständnis zwischen Winzer und Küchenchef ist in der Regel gewaltig, und das dürfte im Falle von Christoph Neumeister und Christoph Mandl erst recht so sein. Der eine stellt grossartige Sauvignon blancs her, der andere ist seit vergangenem Jahr Küchenchef dieses seit vielen Jahren etablierten Restaurants. Wer einen Tisch auf der Terrasse und dann auch noch die Saziani-Suite zum Übernachten ergattert, kann sich glücklich schätzen.

3. «Schlosskeller Südsteiermark»: Gourmetstube oder Palatschinke?

Nicht das Schloss (es befindet sich nebenan) ist die Hauptsache, sondern die Terrasse dieses modernen Restaurants oberhalb von Leibnitz. Wie so manches andere ambitionierte Etablissement der Region praktiziert auch dieses ein Doppelkonzept aus feiner und einfacherer Küche. Das funktioniert, auch wenn auf der Terrasse alle Gäste beisammensitzen – die einen mit Tischdecken, die anderen ohne.

Während ich gerade das Überraschungsmenu ausprobiert habe, werde ich nächstens Backhendl und Palatschinke zusprechen. Tolle, ausgesprochen fair kalkulierte Weinkarte, sehr ambitionierter Sommelier.

4. «Lurgbauer»: Kalb und Rind

Ist das noch Steiermark? Aber ja, und wie. Und was für ein Konzept! Ob Klassiker – vor allem am Mittag beliebt – oder kreative Neuerungen: Es geht dem Küchenchef Max Leodolter vor allem darum, die Zutaten der Region in ihrer ganzen Pracht zu zeigen.

Saibling aus Mariazell und natürlich Angus-Rind und Kalbfleisch aus eigener Zucht . . . Wer gar kein Fleisch isst, hat es schwer, alle anderen können ein Sechsgangmenu schon für 99 Euro bestellen. Gleich vor Ort zu übernachten, ist fast unumgänglich.

5. «Die Weinbank»: Wein und mehr

In diesem Restaurant macht man kein Geheimnis aus seinen Absichten. Es geht um Wein und die perfekte Begleitung des Menus, es geht aber auch um eine spannende Küche.

Ansätze kann man bereits auf der Wirtshaus-Karte – bei Perlhuhnsulz mit Apfelkren – sehen, doch erst im Restaurant, das als eines der besten Lokale Österreichs gilt, läuft die Brigade um Gerhard Fuchs zur ganzen Form auf. Gut, das ist alles nicht ganz billig, denn zu den 195 Euro für die grosse Speisenfolge sollte man im besten Falle die Weinbegleitung und noch Käse rechnen. Aber was für ein Erlebnis!

6. «Kehlberghof»: Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist top

Es ist nicht nur der Ausblick, der hier begeistert, es ist auch der Wille der Inhaber, nur ja nicht allzu exklusiv zu sein. Das Tagesmenu mit drei Gängen kostet unter 40 Euro und zeigt bereits das Faible für saisonale Produkte, im etwas teureren Überraschungsmenu sind vielleicht heimisches Kalb mit Erdäpfel-Millefeuille und Sauerrahm-Schmarren drin. Die Weinkarte gehört zu den besten der Steiermark und überrascht mit Hochklassigem als Achterl – wie die Österreicher ihr Dezi-Äquivalent nennen.

7. «Magnothek»: natürlich Hendl

«Wirtshaus am Zieregg» nennt sich dieses Restaurant auch und deutet mit dem ungewöhnlichen Erstnamen an, dass grosse Flaschen im Vordergrund des Interesses stehen. Doch keine Sorge: Es müssen keine Magnums bestellt werden, auch glasweise hat das Lokal einiges zu bieten an Sauvignon blanc, Morillon (auch als Chardonnay bekannt) oder Muskateller. Und dazu: steirisches Backhendl und Erdbeerknödel mit Vanilleeis.

8. «Oliver kocht» – und wie!

Oliver habe ich bei meinem Besuch zwar nicht gesehen, und ob er in diesem ländlich gelegenen Lokal gekocht hat, weiss ich nicht. Aber dass es gut war, ist klar. Vor allem im grossen (im sehr grossen!) Garten, in dem man sich ein Achterl Sauvignon blanc ebenso auf den Tisch stellen lassen kann wie einen erfrischenden Muskateller-Sekt.

Was das Essen angeht, so muss man sich entscheiden: deftig-bürgerlich beim steirischen Schnitzel in der Kürbiskernpanier, verfeinert beim Zweierlei vom Vulkanschwein. Für mittags wie abends sehr empfehlenswert!

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