Der Kurs des Bitcoin steigt unaufhaltsam. Die Chancen für eine Fortsetzung des Rallys stehen gut, eine Korrektur ist aber überfällig.
Der Bitcoin kennt derzeit kein Halten. In den letzten vier Wochen hat die Krypto-Leitwährung fast 45 Prozent gewonnen. Vergangene Woche erreichte der Bitcoin-Preis zeitweise fast 64 000 Dollar. Das ist nur noch ein Katzensprung vom Allzeithoch entfernt. Dieses geht auf den November 2021 zurück und lag bei knapp 69 000 Dollar.
Das ist keine drei Jahre her, doch das war eine komplett andere Zeit. Die Zinsen standen nahe bei null, und die Krypto-Branche hatte ihre grossen Skandale noch vor sich: den Zusammenbruch der Krypto-Börse FTX oder die Anklagen gegen Binance-Chef Changpeng Zhao und gegen die Handelsplattform Coinbase.
Diese Skandale, obwohl noch nicht verarbeitet, scheinen vergessen. Seit der Zulassung von elf Bitcoin-ETF durch die amerikanische Börsenaufsicht SEC im Januar ist die Begeisterung der Anleger für Krypto-Anlagen nicht zu bremsen. Gemäss Daten von Bloomberg haben die neuen Bitcoin-Fonds seit Auflegung bereits dreizehn Milliarden Dollar angezogen.
In den Bitcoin-ETF des weltgrössten Vermögensverwalters Blackrock soll an einem einzigen Tag mehr als eine halbe Milliarde Dollar geflossen sein. Das ist einer der grössten Zuflüsse, die ein börsengehandelter Fonds in den USA je gesehen hat, unabhängig von der Anlageklasse.
Unerschütterliche Zuversicht
ETF machen es sowohl Privatpersonen als auch professionellen Investoren wie Pensionskassen einfacher, in digitale Vermögenswerte zu investieren. Es müssen keine eigenen Wallets gehalten werden, und der Handel muss nicht über unregulierte, unsichere Plattformen abgewickelt werden. Anleger können Bitcoin nun wie herkömmliche Fonds über ihre Bank kaufen und profitieren zudem von günstigen ETF-Konditionen.
Einige Kommentatoren glauben, bereits eine Umschichtung von Investitionen von Gold in den Bitcoin zu beobachten. Denn während der Bitcoin-Kurs durch die Decke geht, hat der Goldpreis seit Jahresanfang lediglich 6 Prozent zugelegt. Gold hat den Ruf eines «sicheren Hafens», der seinen Wert besonders in unsicheren Zeiten behält.
Das ist eine Eigenschaft, die auch Bitcoin für sich beansprucht. Wobei sich die Anleger derzeit trotz prekärer sicherheitspolitischer Lage scheinbar unerschütterlich in ihrer Zuversicht zeigen. Trotz klaren geopolitischen Warnzeichen setzen auch die Aktienmärkte in den USA und Europa derzeit täglich neue Rekordmarken.
Bitcoin-Rally ergibt «fundamental Sinn»
Die Angst der Anleger, etwa zu verpassen, ist gross. Deshalb gelten derzeit viele risikoreiche Anlagen als «überkauft»: Investoren springen noch schnell auf den fahrenden Zug auf und kaufen zu, auch wenn es nicht rational begründet werden kann. Dennoch sehen Anlageprofis Gründe für weiteren Aufwärtsdruck im Krypto-Markt.
Die Swissquote-Analytikerin Ipek Ozkardeskaya schreibt in einem Kommentar, dass der Preisanstieg aus fundamentaler Sicht Sinn ergebe. Das Angebot an Bitcoin sei begrenzt, die Nachfrage steige. Überzeugte Krypto-Anleger (Hodler) seien nicht gewillt, zu verkaufen, und die Einführung von Bitcoin-ETF habe die Anlageklasse auch für grosse Akteure «investierbar gemacht».
Das Bitcoin-Angebot wird im Frühjahr zudem nochmals beschränkt. Durch das sogenannte Halving erzeugt das Bitcoin-Netzwerk eine künstliche Verknappung. Diese soll verhindern, dass unbegrenzt neue Bitcoin in Umlauf kommen. Marktakteure sehen auch deshalb keine Übertreibungen, sondern eine sehr hohe Nachfragedynamik.
«Es gibt keinen Hype, keine Preisspirale, sondern nur einen grundsätzlichen Anstieg der Nachfrage», sagt etwa Eric Demuth, Chef der Handelsplattform Bitpanda. Zudem begünstige der klare Regulierungsrahmen, der mit der Mica-Verordnung in die EU komme, einen weiteren Preisanstieg. Die Regulierung ist in Europa – im Gegensatz zur Schweiz – noch weniger gut ausgebildet.
Noch mehr Schub dank Ether-ETF?
Auch die etablierten Asset-Manager sehen den Erfolg der neuen Krypto-Fonds und wollen weiter daran verdienen. Die nächsten ETF stehen bereits in den Startlöchern. Angeführt von Blackrock und Fidelity gibt es gemäss einem Bericht des «Wall Street Journals» mindestens zehn Anträge für die Zulassung von neuen ETF auf Ethereum.
Das Ethereum-Netzwerk ist hinter Bitcoin die zweitwichtigste Blockchain. Mit einer Marktkapitalisierung von rund 400 Milliarden Dollar ist Ether als Krypto-Währung dreimal kleiner als Bitcoin. Ether hat analog zu Bitcoin im Vorfeld der Zulassung stark zugelegt und trägt zur positiven Grundstimmung im Markt bei. Mit einem ersten Entscheid über eine ETF-Zulassung wird bis im Mai gerechnet.
Doch Vorbehalte seitens SEC sind wie beim Bitcoin-ETF vorprogrammiert. Insbesondere das Staking – eine Art Krypto-Dividende, die durch Verpfändung von Rechenleistung verdient werden kann – ist eine Knacknuss. So hat die SEC in der Vergangenheit die Krypto-Börse Kraken angewiesen, Staking in den USA nicht mehr anzubieten. Auch Coinbase wurde mitunter mit der Begründung verklagt, Staking sei unzulässig.
Die Grundbedingungen für eine weitergehende Rally in Bitcoin und Ether sind gegeben. Doch angesichts des starken Aufwärtstrends dürfte eine negative Nachricht – etwa seitens SEC – reichen, um eine Korrektur auszulösen. Zumal in einem so heissen Markt Spekulanten, die das frühe Rally verpasst haben, oft Hebelprodukte nutzen, was die Volatilität zusätzlich erhöht. Die hohen Erwartungen der Anleger könnten sich zudem zu schnell erfüllt haben. Die Fallhöhe ist gross.