Mittwoch, März 12

Die Turbulenzen an der Wall Street zeigen: Die Anleger glauben nicht mehr blind an den wirtschaftlichen Erfolg des Präsidenten. Nun rücken die Risiken seiner Unberechenbarkeit in den Vordergrund.

An den Finanzmärkten hatte Donald Trump noch vor kurzem viele Freunde. Die Anleger hofften auf eine Wiederholung des amerikanischen Aktienbooms während Trumps erster Amtszeit. Vieles deutete darauf hin, dass es tatsächlich zu einer solchen Neuauflage kommen wird.

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So versprach der Präsident neben Steuersenkungen auch Deregulierungen und einen kleineren Staat, um die Wirtschaft effizienter zu machen. Dass Trump daneben auch noch höhere Zölle einforderte, wurde eher als Grundrauschen wahrgenommen, nicht aber als reale Bedrohung.

Ein Hauch von Stagflation

Diese Perzeption hat sich in den letzten Tagen geändert. Die Zahl derer, die Trump eher als Belastung denn als Stütze für die Börse sehen, wächst. Und die Aktienkurse sind zu Wochenbeginn an der Wall Street eingebrochen. Das Hin und Her zwischen präsidialen Ankündigungen und Rückziehern macht schwindlig und erschwert die Erwartungsbildung. Niemand weiss, was noch gilt. Man kann hinter dieser Verunsicherung eine Strategie vermuten – vielleicht ist sie aber auch nur Ausdruck von Chaos.

Schon ist von einer drohenden «Trumpcession» die Rede. Das mag derzeit etwas übertrieben erscheinen, da sich die Wirtschaft und der Arbeitsmarkt noch recht solide präsentieren. Was aber stimmt: Die Schwächezeichen in der US-Wirtschaft häufen sich, die Stimmung der Konsumenten trübt sich ein, Unternehmen halten sich mit Investitionen zurück. Hinzu kommt, dass Zölle höhere Kosten verursachen. Ein Hauch von Stagflation – also der Kombination von stagnierender Wirtschaft und hoher Inflation – liegt in der Luft. Das gab es das letzte Mal in den 1970er Jahren.

So gigantisch die Summen auch sein mögen, die in den letzten Tagen an den amerikanischen Börsen vernichtet wurden: Die Kurseinbrüche bergen auch zwei Chancen. Erstens entweicht derzeit ein Teil der heissen Luft aus der KI- und Technologieblase – notabene exakt 25 Jahre nach dem Platzen der New-Economy Blase. Nach den massiven Kursanstiegen der vergangenen Jahre und der Euphorie um Technologiewerte, die tatsächlich oder vermeintlich etwas mit KI zu tun haben, war eine Korrektur am US-Aktienmarkt überfällig.

Werweissen um den Trump-Put

Zweitens haben die Finanzmärkte eine disziplinierende Wirkung. So ist zwar bekannt, dass Trump keine Kritik von rivalisierenden Politikern, Richtern oder Journalisten ernst nimmt. Aber wenn die Börsen negativ auf sein Handeln reagieren, hat dies Trump zumindest in seiner ersten Amtszeit beeindruckt. Für ihn ist die Wall Street ein Gradmesser für den Erfolg seiner Politik. Er will in einer Zeit mit boomender Börse regieren. Ein Einbruch an den Aktien- oder Anleihenmärkten verträgt sich schlecht mit seinem Anspruch, ein goldenes Zeitalter einzuläuten.

Da die Demokratische Partei als Opposition kaum noch funktioniert, ist der Finanzmarkt derzeit die wirksamste Gegenkraft zu Trump. Verliert die Börse an Wert, bringt das Trump eher zum Innehalten, als wenn seine politischen Gegner opponieren. Denn das Auf und Ab an der Börse wird in der amerikanischen Bevölkerung aufmerksamer registriert als in Europa. Das liegt daran, dass Amerikaner ihre Altersvorsorge über sogenannte 401(k)-Sparpläne zu einem grossen Teil in Aktien investiert haben. Schmilzt dieses Geld, wächst der öffentliche Druck.

Unklar ist allerdings, ob Trump in seiner zweiten Amtszeit mehr Toleranz gegenüber Rezessionen oder Börsencrashs zeigen wird. Jüngste Äusserungen von ihm, dass er beim Umbau des Landes keine Rücksicht auf die Börse nehmen könne, deuten in diese Richtung. Sollte die Hoffnung auf einen Trump-Put – und damit auf politische Korrekturen bei Kurseinbrüchen – tatsächlich unbegründet sein, stünden der Börse unruhige Zeiten bevor. Die Zahl der Trump-Freunde würde dann weiter schrumpfen; die Stunde des Erwachens an der Wall Street käme.

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