Dienstag, März 11

Der Contrarian-Investor Kevin Duffy warnt vor den Folgen einer Eskalation im Handelskonflikt zwischen den USA und China. Er sagt, wo die grössten Risiken liegen, weshalb er trotzdem weiterhin an freie Märkte glaubt und wie er sich im aktuellen Umfeld positioniert.

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Die «Flitterwochen» sind vorbei: Seit Donald Trump die zweite Amtszeit als Präsident der USA angetreten hat, spielen sich an den Börsen bedeutende Verschiebungen ab. Die Superstar-Aktien aus dem amerikanischen Tech-Sektor stehen unter Druck, während die Börsen in Europa und China einen kräftigen Schub verspüren.

Kevin Duffy befürchtet, dass die Märkte die Gefahr eines Handelskriegs noch immer unterschätzen. «Die meisten Anleger glauben wohl, dass es sich bloss um Verhandlungstaktik handelt, sich in Washington vernünftigere Stimmen durchsetzen werden oder die Lieferketten sich mit minimalem Schaden anpassen können», sagt der Contrarian-Investor zu Trumps Zolldrohungen. «Ich kann mir aber kaum vorstellen, dass Trump bald von seinen Plänen abrücken wird», warnt er.

Im Interview sagt der Verfasser des Investment-Newsletters «The Coffee Can Portfolio», wo die grössten Risiken für Anleger liegen, weshalb er trotz allem weiterhin an Globalisierung und Freihandel glaubt und wo er im gegenwärtigen Marktumfeld Chancen für Engagements in günstig bewerteten Aktien ausmacht.

Herr Duffy, die Finanzmärkte werden unruhig. Wie schätzen Sie die gegenwärtige Investmentlandschaft ein?

Ich fürchte, wir steuern auf gravierende Probleme zu. Die Erwartungshaltung an den Märkten ist noch immer extrem hoch, weit höher als bei Trumps erstem Amtsantritt Anfang 2017. Der Wilshire-5000-Index, der fast den gesamten US-Aktienmarkt abbildet, hatte damals eine Marktkapitalisierung von 125% des BIP. Als Kontext: Beim Tiefpunkt des Covid-Crashs im März 2000 waren es 119%, woraufhin wir Ende 2021 nach einer massiven Rally einen Spitzenwert von 197% erreichten. In der folgenden Baisse im Jahr 2022 fielen wir dann auf 138% zurück, doch heute sind wir wieder bei nahezu 200% angelangt.

Diese stolze Bewertung hat vor allem mit Erwartung einer unternehmensfreundlichen Politik der neuen Regierung zu tun. Machen Trumps Zölle den Börsen einen Strich durch die Rechnung?

Trump verurteilt sich mit seiner Politik selbst zum Scheitern. Seit dem Zweiten Weltkrieg sind die Zölle in den USA stetig gesunken. Zusammen mit der Globalisierung und der zunehmenden internationalen Arbeitsteilung trug dieser Trend wesentlich dazu bei, dass sich der Lebensstandard in den USA und weltweit verbessert hat. Vor Trumps erster Amtszeit waren die US-Zolleinnahmen auf bis zu 1,6% der Importe gesunken und stiegen dann im Zuge seines ersten Handelskriegs auf 3% an. Derzeit sind sie bei 2,5% und könnten erheblich steigen. In einem Umfeld, in dem Aktien für Perfektion bewertet sind, ist dieses Szenario nicht eingepreist.

Wie ernst ist es Trump mit den Zolldrohungen gegen China, Mexiko, Kanada und andere Länder wirklich?

Die meisten Anleger glauben wohl, dass es sich bloss um Verhandlungstaktik handelt, sich vernünftigere Stimmen durchsetzen werden oder die Lieferketten sich mit minimalem Schaden anpassen können. Doch Trump vertritt schon lange protektionistische Ansichten und ist ihnen fest zugetan. Bereits 1990 griff er in einem Interview mit der Zeitschrift «Playboy» Japan wegen des hohen Handelsüberschusses mit den USA an. Er hat dieses starre Weltbild, wonach Amerika beim Handel mit anderen Ländern Arbeitsplätze verschenkt, obschon sich in der Realität vielmehr neue Möglichkeiten für wirtschaftliches Wachstum eröffnen.

Das Thema Zölle und Handelskonflikte wird die Märkte also noch einige Zeit beschäftigen?

Ja, ich kann mir kaum vorstellen, dass Trump bald von seinen Plänen abrücken wird. Die Frage ist deshalb, wie sein Regierungskabinett auf weitere Turbulenzen reagieren wird. Dies, zumal der Aktienmarkt eine Art Lackmustest für seine Präsidentschaft ist. Positiv ist, dass die Märkte klar gegen Zölle sind, auch wenn sie die Risiken derzeit herunterspielen. Sogar Warren Buffett äussert sich gegen Zölle, obwohl er seine Investitionen stark auf den US-Binnenmarkt konzentriert und sich davor scheut, sich politisch zu exponieren.

Trotzdem: Die USA haben ein grosses Handelsbilanzdefizit, speziell mit China. Trump sieht in Zöllen ein Instrument, um dieses Ungleichgewicht zu korrigieren.

Für mich ist das kein Ungleichgewicht, denn Handel bringt beiden Seiten Vorteile. Zudem: Das direkte Geschäftsvolumen amerikanischer Unternehmen in China von rund 500 Mrd. $ wird in der Statistik zum US-Aussenhandel nicht erfasst. Oder betrachten wir es einmal so: Nur weil Sie persönlich ein chronisches Handelsbilanzdefizit mit dem Lebensmittelladen in Ihrem Wohnquartier haben, stehen Sie damit nicht am schlechteren Ende dieser Geschäftsbeziehung. Wir sollten uns deshalb weniger auf abstrakte Aggregate wie Handelsbilanzen zwischen Ländern fokussieren, sondern die individuelle Ebene von Personen und Unternehmen betrachten; also dort, wo Handel tatsächlich stattfindet.

Was meinen Sie damit konkret?

Nehmen wir als Beispiel Apple, das wohl erfolgreichste Unternehmen in der Geschichte des Kapitalismus. Es wickelt einen grossen Teil seiner Geschäfte in China ab – und ohne diese würden ihm Investoren wohl kaum einen Börsenwert von 3,6 Bio. $ attestieren. Zu glauben, Apple könne nicht selber mit Lieferanten und Kunden in China verhandeln, ist eine Anmassung. Warum sollte sich eine Drittpartei wie die US-Regierung einmischen? Alles, was sie damit erreicht, ist, alle Handelspartner schlechter zu stellen.

Tatsache ist aber auch, dass China die Exportindustrie stark subventioniert, was zu massiven Überkapazitäten führt und den Wettbewerb verzerrt. Ist das nicht ein zentraler Aspekt des Problems?

Ja, aber weniger als die meisten Leute denken. Nehmen wir einmal an, China beschliesst, seine Haushaltgeräte-Industrie zu subventionieren und die Welt mit billigen Waschmaschinen zu überschwemmen. Woher nimmt China das Geld dazu? Um Waschmaschinen zur Hälfte des Weltmarktpreises zu verkaufen, muss der Staat seine Bürger besteuern, um damit die Hersteller zu subventionieren. De facto sind hier also die chinesischen Steuerzahler die Verlierer. Sie subventionieren die ausländischen Konsumenten, die sich dadurch mehr leisten können. Zudem verzeichnet China seit Jahrzehnten ein bemerkenswertes Wachstum. Irgendetwas muss das Land also richtig machen. Das hat sicher nicht bloss mit «unfairen» Methoden zu tun.

Zu den Verlierern gehört aber auch die amerikanische Industrie, wo seit Chinas Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO Ende 2001 annähernd 3 Mio. Arbeitsplätze abgebaut worden sind.

Stimmt, das ist sehr bedauerlich. Fortschritt ist kurzfristig meist auch mit negativen Effekten verbunden, die uns zu Anpassungen zwingen. Vor 1800 waren 90% der Amerikaner in der Landwirtschaft tätig. Heute sind es nur noch 1%. Der Abbau dieser Arbeitsplätze hat den Lebensstandard, den wir heute geniessen, aber erst möglich gemacht.

Den Menschen im «Rust Belt» und in anderen industriellen Zentren Amerikas nützt das aber wenig. Dort hat Trump denn auch die Präsidentschaftswahlen für sich entschieden.

Das streite ich auch nicht ab, billige Importwaren vernichten einen Teil der Arbeitsplätze in den Industrieländern. Sie ermöglichen es den Verbrauchern aber auch, Geld zu sparen, das sie anderweitig ausgeben können, was wiederum neue Jobs schafft. Zölle zwingen uns dazu, teurere Waren und Güter aus heimischer Produktion zu kaufen, womit wir weniger Geld in der Tasche haben. Dadurch fliesst weniger Geld an Unternehmen aus anderen Branchen, was wiederum zu Entlassungen führt. Unter dem Strich bewirken Zölle und Autarkie-Bestrebungen deshalb das Gegenteil von dem, was beabsichtigt wird: Sie machen uns insgesamt ärmer.

Anders gesagt, Zölle wirken inflationär. Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang das Risiko eines erneuten Teuerungsschubs?

Es ist ziemlich ironisch, dass Inflation neben Einwanderung das brennendste Thema bei den US-Wahlen war. Dass die Integration Chinas in die Weltwirtschaft in den letzten Jahrzehnten eine starke deflationäre Kraft war, wurde hingegen kaum diskutiert. Indem sich 700 Mio. Chinesen aus der Armut befreien konnten und das Land zur verlängerten Werkbank der Welt avanciert ist, wurde die monetäre Inflation in den USA massgeblich abgedämpft. Das Errichten von Handelsschranken könnte man deshalb auch als «politische Inflation» bezeichnen. Ob Gelddrucken, Subventionen oder Eingriffe in den Handel: Alle diese Massnahmen führen letztlich zu Preisinflation, die den Verbrauchern schadet.

Was sind die Konsequenzen für die Zinsen?

Ich denke, Anleihen stehen vor einer langanhaltenden Baisse. Der Bondmarkt bewegt sich in ausgedehnten Zyklen. Vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis in die frühen Achtzigerjahre stieg die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen von 2,5 auf 15%. In der folgenden Bondhausse ist sie dann bis im Sommer 2020 auf ein historisches Tief von 0,5% gesunken. Derzeit liegt sie bei 4,3%, womit wir uns meiner Meinung nach erst wenige Jahre in einer neuen Baisse befinden, die Jahrzehnte dauern könnte.

Das heisst, der Druck auf den Bondmarkt dürfte weiter zunehmen, obschon die Renditen in den letzten Wochen etwas zurückgekommen sind?

Ja, auf lange Sicht schon, obwohl Anleihen kurzfristig gefragt sein könnten, falls die US-Wirtschaft in eine Rezession fällt. Nachdem die Zinsen rund ein Jahrzehnt lang künstlich niedrig gehalten worden sind, findet eine Normalisierung statt. Der entscheidende Faktor ist jedoch, dass die US-Staatsschulden auf ein alarmierend hohes Niveau gestiegen sind. Mit 120% des BIP übersteigen sie sogar den Höchststand während des Zweiten Weltkriegs. Im nächsten Akt dieses Dramas geht es wahrscheinlich darum, dass sich Investoren zunehmend Sorgen um das Kreditrisiko der USA machen. Vor diesem Hintergrund verhält sich die US-Regierung irrational. Wenn man bis zum Hals in Schulden steckt, warum sollte man dann einen Streit mit China anzetteln, Amerikas drittgrösstem Gläubiger?

Was bedeutet das alles für Investoren?

Einige der Stars aus dem Tech-Sektor bewegen sich auf dünnem Eis. Sollte der Handelskrieg mit China eskalieren, wird die Weltwirtschaft beeinträchtigt, was diese Konzerne spüren werden. Zudem haben sie ein erhebliches Exposure in China. Apple erwirtschaftet 16 bis 17% des Umsatzes in China und ist stark von chinesischer Produktion abhängig. Nvidia sieht sich mit Exportbeschränkungen für High-End-Chips konfrontiert, und Tesla erwächst starke Konkurrenz durch chinesische EV-Hersteller. Diese sind wegen 100%-Importzöllen praktisch vom US-Markt ausgeschlossen, während Tesla rund 25% des Umsatzes in China erzielt. Das ist eine untragbare Situation, und wenn sich der Handelskrieg zuspitzt, ist Tesla verwundbar.

Einen Schock hat ausserdem DeepSeek ausgelöst. Wie wirkt sich der Coup des chinesischen KI-Startups auf die Marktwahrnehmung zu den amerikanischen Tech-Riesen aus?

Das Risiko, das von Chinas zunehmender Wettbewerbsfähigkeit auf diese Kolosse ausgeht, wird weithin übersehen. In Sachen Innovation hat China in den letzten fünf Jahren enorme Fortschritte gemacht – ein langfristiger Trend, der durch Trumps ersten Handelskrieg und die Sanktionen gegen Huawei verstärkt wurde. Zuvor hatten sich chinesische Unternehmen damit begnügt, amerikanische Technologie zu kaufen. Doch infolge der feindseligen US-Politik sahen sie sich gezwungen, dieses Risiko zu verringern. Sie kauften vermehrt chinesische Technologie, auch wenn diese minderwertig war. China hat jedes Jahr viermal so viele Abgänger von technischen Hochschulen wie die USA. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich die Lücke schliesst.

Was ist eine vernünftige Anlagestrategie in einem solchen Marktumfeld?

Ein naheliegender Schritt ist eine Absicherung wie Gold. Der Haupttreiber für das Edelmetall waren bisher die Käufe von Zentralbanken als Folge der Sanktionen gegen Russland und der Verwendung des Dollars als Waffe. Ausserdem haben chinesische Privatanleger aufgrund der Immobilienkrise und der Baisse am chinesischen Aktienmarkt in den letzten Jahren Gold gekauft. Im Gegensatz dazu ist die Nachfrage westlicher Investoren noch immer gering, denn diese sind viel mehr an den grossen Tech-Aktien interessiert. Die eindrückliche Goldrally wird nach wie vor mit Skepsis betrachtet. Das bedeutet, dass noch viel Potenzial besteht.

Investieren Sie auch in Goldminenaktien?

Ja, wir halten einen bedeutenden Anteil an Minenkonzernen, deren Cashflow explodiert. Die Bewertungen sind immer noch recht günstig. Dass diese Aktien hinterherhinken, ist ein weiteres Indiz für die Apathie vieler Anleger. Wie gering das Interesse von Privatinvestoren nach wie vor ist, reflektiert sich auch darin, dass die Prämie für Gold- und Silbermünzen auf ein ungewöhnlich niedriges Niveau gesunken ist. Deshalb haben wir kürzlich eine Position in A-Mark Precious Metals eröffnet, einem Händler von Münzen und Barren. Die Aktie notiert bei rund 27 $ und hat wahrscheinlich einen Boden bei etwa 20 $, was dem Wert des Lagerbestands an Edelmetallen abzüglich Schulden entspricht. In einem schwachen Markt, wie heute, erzielt das Unternehmen 2 $ Gewinn pro Aktie. In einer richtigen Goldhausse könnten es 10 $ sein.

Wo eröffnen sich sonst noch Chancen?

Inflation und staatliche Interventionen belasten weiterhin die mittleren und unteren Einkommensklassen. In diesem Umfeld haben es Discounter wie Dollar Tree und Dollar General schwer. Trumps Zolldrohungen haben ihren Aktien nun noch mehr zugesetzt. Doch diese Unternehmen bieten Verbrauchern Abhilfe bei einem existenziellen Problem: hohe Preise. Zudem sind sie gegen die Bedrohung durch Amazon weitgehend immun, verfügen über Spielraum zur Expansion und sind zum 12- bis 13-Fachen des für 2025 erwarteten Gewinns attraktiv bewertet, denn früher oder später wird die US-Regierung keine andere Wahl haben, als von dieser irrsinnigen Zollpolitik abzulassen.

Überraschend ist, wie stark sich demgegenüber die Branchenleader Costco und Walmart entwickelt haben. Was halten Sie von diesen beiden Aktien?

Diese Unternehmen sind für die US-Wirtschaft von enormer Bedeutung. Sie befriedigen den Konsumbedarf und profitieren von Grössenvorteilen. Das Problem ist aber, dass alle längst wissen, wie grossartig ihr Geschäftsmodell ist. Obwohl ich gerne in Walmart oder Costco investieren würde, sind mir ihre Aktien zum 35-Fachen bzw. 51-Fachen des Gewinns schlicht zu teuer. Besser gefällt mir BJ’s Wholesale. Der Grossist betreibt ähnlich wie Costco ein Club-Modell, hat aber nicht international expandiert. Obwohl er schneller wächst als Costco, handeln die Titel zum 23-Fachen des Gewinns zu einer wesentlich günstigeren Bewertung.

Neben Zöllen stehen auch Steuersenkungen und Deregulierung auf Trumps Agenda. Wie kann man dieses Thema spielen?

Punkto Deregulierung ist besonders Erdgas interessant, wobei wir seit längerer Zeit unabhängige Förderer wie EQT halten. Auf Basis der Referenzeinheit Mio. BTU handelt Erdgas in den USA zu etwa 4 $, in Europa sind es 15 $, und für manche Ressourcen, die in Kanada eingeschlossen sind, werden bloss 1.50 $ gezahlt. Der Transport von Erdgas nach Europa inklusive Verflüssigung und Entgasung kostet 4 bis 5 $. Damit eröffnen sich attraktive Arbitragemöglichkeiten für nordamerikanische Produzenten; selbst dann noch, wenn der Krieg in der Ukraine hoffentlich bald beendet wird. Ein Ausbau der US-Infrastruktur im Zug von Deregulierungsmassnahmen würde solche Arbitragegeschäfte erleichtern und Wert freisetzen.

Welche weiteren Entwicklungen haben Sie auf dem Radar?

Die grösste Blase dreht sich meiner Meinung nach um «American Exceptionalism», das Narrativ der Einzigartigkeit des US-Aktienmarktes. Es reflektiert sich darin, dass die USA über 60% der weltweiten Börsenkapitalisierung ausmachen. Bei solchen Riesenblasen bilden sich fast immer Anti-Blasen. Ein gutes Beispiel ist der Internetboom: In der letzten Phase der damaligen Exzesse schossen sogenannte «New Economy»-Aktien in die Stratosphäre, wogegen «Old Economy»-Aktien drastisch verkauft wurden. Diese, oftmals günstig bewerteten «Old Economy»-Aktien erreichten im März 2000 praktisch gleichzeitig den Boden, als der Nasdaq den Zenit erreichte, womit sich eine Art Spiegelbild-Effekt ergab.

Wie können Anleger davon profitieren? Oder anders gefragt: Was ist heute die Anti-Blase?

Für mich ist China die Anti-Blase. China ist der Aufsteiger, der Newcomer, der nächste grosse Konkurrent. Dass sich so viele staatliche Pensionsfonds in den USA aus China zurückziehen, ist aus meiner Sicht ein Kaufsignal. Obwohl chinesische Aktien seit Anfang Jahr stark gestiegen sind, ist der Pessimismus noch immer gross.

Warum glauben Sie, dass chinesische Aktien weiterhin Potenzial haben?

Viele dieser Unternehmen sind nach wie vor spottbillig. In China gibt es derzeit 250 kotierte Firmen mit einer Marktkapitalisierung von mindestens 1 Mrd. $ und einer Free-Cashflow-Rendite von über 10%. Nicht selten findet man Unternehmen, die von den Gründern geführt werden und einen hohen Insider-Anteil haben. Auch strotzen die Bilanzen oft nur so von Bargeld. Bemerkenswert ist ebenso, dass viele chinesische Unternehmen ihre eigenen Aktien kaufen, während sich westliche Investoren von ihren Positionen trennen. Im Prinzip findet damit ein massiver Vermögenstransfer statt. Für einen Contrarian wie mich ist das eine faszinierende Zeit, um entgegen all der düsteren Schlagzeilen auf China zu setzen.

Wie bringen Sie Ihre optimistische Sicht auf China in Ihrem Portfolio zum Ausdruck?

Wir investieren fast ausschliesslich in Unternehmen, die sich auf die chinesischen Verbraucher konzentrieren. Eine Möglichkeit dazu sind direkte Engagements, entweder über in den USA gehandelte ADR-Titel oder über Hongkong-Aktien. So halten wir zum Beispiel die beiden grössten Sportartikelhändler, Anta Sports und Li Ning, die schon in Trumps erster Amtszeit von einer nationalistischen Reaktion auf die US-Zölle profitiert haben. Auch die grossen E-Commerce-Namen wie Alibaba, Tencent und PDD Holdings gefallen uns. Eine einfache Variante, sich hier zu engagieren, ist der KraneShares CSI China Internet ETF, KWEB.

Was raten Sie Investoren, die Bedenken haben, direkt in China zu investieren?

Es besteht auch die Möglichkeit, in nordamerikanische und europäische Unternehmen zu investieren, die eine starke Präsenz in China haben. Ein Beispiel ist der kanadische Sportbekleidungshersteller Lululemon Athletica. Er hat vor zehn Jahren seine ersten Filialen in Hongkong eröffnet und erwirtschaftet heute 14% des Umsatzes in China. Die Aktie handelt zum 23-Fachen des für 2025 erwarteten Gewinns. Für ein qualitativ hochwertiges, beständig wachsendes Unternehmen mit viel Potenzial in China ist das nicht teuer.

Wie gehen Sie mit den politischen Risiken um, die mit Wetten auf China verbunden sind?

Das grösste Risiko ist meiner Meinung nach meine eigene Regierung in den USA. Ich rechne damit, dass China im Lauf der Zeit für ausländische Investitionen offener wird, wogegen Amerika, wenn es seinen derzeitigen Kurs fortsetzt, möglicherweise Kapitalkontrollen einführen wird. Ich hoffe, dass es nie so weit kommt. Gegenseitige Zerstörung ist keine Option.

Kevin Duffy

Kevin Duffy ist ein schlachterprobter Contrarian-Investor. Seine Ansicht zu den Märkten und Ideen für Investments teilt er im Newsletter «The Coffee Can Portfolio» sowie auf dem Blog «Notable and Quotable». Duffy ist Mitbegründer des 2002 lancierten Hedge Funds Bearing Asset Management. Zuvor war er Mitbegründer von Lighthouse Capital Management und leitete dort von 1988 bis 1999 das Research-Team. Während seiner Karriere befasste er sich eingehend mit den Exzessen, unter anderem mit den Blasen in Japan sowie im Technologiesektor in den späten Achtziger- bzw. Neunzigerjahren sowie mit den Übertreibungen am US-Häusermarkt in den Jahren 2006/07. Duffy ist Anhänger der österreichischen Wirtschaftsschule. Seine erste Aktie kaufte er im Alter von dreizehn Jahren.
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