Mittwoch, Januar 15

Innerhalb der Labour-Regierung galt Tulip Siddiq als einflussreiche Alliierte von Premierminister Starmer. Zum Verhängnis sind ihr die Beziehungen zu ihrer berüchtigten Tante aus Bangladesh geworden.

Jahrelang brachte Tulip Siddiq zwei Welten unter einen Hut. Da war zum einen die familiäre Herkunft der gebürtigen Londonerin, die einem der mächtigsten Clans von Bangladesh entstammt. Und da war zum andern die Karriere der 42-Jährigen innerhalb der britischen Labour-Partei. Nach Tätigkeiten bei Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International wurde sie 2015 im Londoner Wahlkreis Hampstead and Kilburn ins Unterhaus gewählt. Dort avancierte sie zur Verbündeten von Keir Starmer, der den benachbarten Wahlkreis vertritt. Nach Starmers Wahl zum Premierminister im Juli 2024 machte er Siddiq zur Ministerin für Korruptionsbekämpfung und für den Finanzplatz London.

Optimieren Sie Ihre Browsereinstellungen

NZZ.ch benötigt JavaScript für wichtige Funktionen. Ihr Browser oder Adblocker verhindert dies momentan.

Bitte passen Sie die Einstellungen an.

Nun sind der ambitionierten Ministerin ihre familiären Bande zum Verhängnis geworden. Tulip Siddiq ist die Nichte von Sheikh Hasina, der im vergangenen Jahr gestürzten Premierministerin von Bangladesh. Siddiq sah sich mit dem Vorwurf konfrontiert, mehrere teure Londoner Liegenschaften bewohnt zu haben, die mit veruntreuten Geldern aus Bangladesh finanziert wurden. Am Dienstag musste Siddiq ihren Rücktritt einreichen.

«Klarer Diebstahl»

Politik wurde Siddiq quasi in die Wiege gelegt. Ihr Grossvater war Sheikh Mujibur Rahman, der Staatsgründer und erste Präsident von Bangladesh. Er wurde 1975 bei einem Staatsstreich im Präsidentenpalast ermordet. Siddiqs Mutter und ihre Tante entkamen dem Mordanschlag nur, weil sie zum Zeitpunkt des Coups in Deutschland weilten.

2008 wurde die Tante, Sheikh Hasina, bei demokratischen Wahlen zur Premierministerin gewählt. Einmal im Amt, schränkte sie die Grundrechte immer mehr ein, liess politische Gegner in Gefängnissen verschwinden und verwandelte Bangladesh in einen autoritären Einparteistaat. 2024 liess die heute 77-jährige Herrscherin Studentenproteste blutig unterdrücken, bis ihr die Generäle den Befehl verweigerten und Hasina ins indische Exil floh.

Siddiq hatte ihre Verbindungen zur mächtigen Tante lange zelebriert. 2013 liess sie sich an der Seite Hasinas und Wladimir Putins in Moskau fotografieren. Doch nun hat in Bangladesh der Wind gedreht. Die Übergangsregierung des Ökonomen und Nobelpreisträgers Muhammad Yunus hat mehrere Klagen gegen das gestürzte Regime angestrengt. Sheikh Hasina und ihre Awami League sollen Milliarden Dollar veruntreut und unter anderem in den Kauf von Liegenschaften im Ausland investiert haben.

Deshalb ist nun auch Siddiq ins Visier der Anti-Korruptions-Kommission in Dhaka geraten. Laut Recherchen der britischen «Sunday Times» bewohnte sie mehrere Liegenschaften mit Verbindungen zum gestürzten Regime in Bangladesh. Eine inzwischen verkaufte Wohnung im teuren Londoner Viertel Hampstead Heath beispielsweise war im Besitz einer Offshore-Firma auf den British Virgin Islands, hinter der sich Hintermänner der Awami League verbargen. Übergangspräsident Yunus sagte gegenüber der «Sunday Times», die britische Anti-Korruptions-Ministerin habe allem Anschein nach von «klarem Diebstahl» profitiert.

Zaudernder Starmer

Siddiq hatte ihre Unschuld beteuert und unter anderem erklärt, sie habe fälschlicherweise angenommen, ihre Eltern hätten ihr die Wohnung im Villenviertel gegeben. Der Ethikberater der Regierung, der den Fall untersuchte, legte Siddiq zwar keinen direkten Bruch des Ehrenkodexes für Minister zur Last. Doch empfahl er die Versetzung Siddiqs und warf ihr vor, sie hätte sich angesichts der Reputationsrisiken für die britische Regierung vorsichtiger verhalten müssen.

Eine schlechte Figur machte in dieser Angelegenheit auch Premierminister Keir Starmer. Er war mit dem Versprechen angetreten, nach den Skandalen und Affären der Tory-Partei Integrität und Ehrlichkeit in die britische Politik zurückzubringen. Nun zauderte er wochenlang – obwohl seine Anti-Korruptions-Ministerin längst zur Hypothek für die Regierung geworden war.

Exit mobile version