Donnerstag, Mai 1

Der Arzt Jürg Häcki steht wegen seiner aggressiven Werbemethoden in der Kritik. Seinen politischen Ambitionen hat dies nicht geschadet. Models haben es dagegen bei Wahlen schwer.

Besser als der «Blick» kann man es nicht auf den Punkt bringen. «Beauty-Doc trocknet Ex-Playmate ab», übertitelt das Onlineportal einen Artikel. Dabei geht es nicht um Klatsch und Tratsch, sondern um Politik. Um Kommunalpolitik. Denn bei den Wahlen für das Luzerner Stadtparlament ist Ende April Erstaunliches passiert. Auf der SVP-Liste schaffte nämlich der Schönheitschirurg Jürg Häcki den Sprung in den 48-köpfigen Grossen Stadtrat. Das ehemalige «Playboy»-Titelgirl Yolanda Egger wurde auf derselben Liste nicht gewählt.

Für Häcki selbst kam die Wahl völlig überraschend. «Ich habe mich nur auf Bitte des Kantonspräsidenten und in der Überzeugung auf die SVP-Liste setzen lassen, dass ich nicht gewählt werde respektive dass ich im Falle einer Wahl das Amt nicht antreten muss», sagt der Facharzt FMH für plastische, rekonstruktive und ästhetische Chirurgie. Einen Wahlkampf habe er nicht geführt. «SVP-intern hat man mich deshalb ‹das Phantom› genannt», sagt Häcki.

Werbung im deutschen Privatfernsehen

Ausschlaggebend dürfte sein Bekanntheitsgrad gewesen sein. Denn in Luzern kennt man ihn als einen der prominentesten Schönheitschirurgen der Schweiz. Spätestens seit 2017. Damals schaffte es Jürg Häcki mit seiner Lucerne Clinic ins deutsche Privatfernsehen. Das Magazin «Explosiv» des Senders RTL begleitete damals zwei Frauen, die sich von Häcki kostenlos die Brüste vergrössern liessen.

Gratis sind Brustoperationen seither zwar nicht, aber mit dem TV-Auftritt lancierte der Arzt ein neuartiges Angebot namens «Busenfreundin». Nach dem Motto «zwei für eins» (oder wohl besser «vier für zwei») bietet seine Klinik seither Brustvergrösserungen zu einem Spezialtarif an. Frauen, die eine Kollegin motivieren können, sich dem gleichen Eingriff zu unterziehen, erhalten einen Rabatt. In den sozialen Netzwerken wirbt Häcki aggressiv für diese und andere Dienstleistungen.

«Leute mit Geld zu motivieren, ist dumm», sagte der plastische Chirurg Cédric George kürzlich in einem NZZ-Interview, als er auf die Aktion «Busenfreundin» angesprochen wurde. Verboten sind solche Methoden allerdings nicht. Das Onlineportal «Zentralplus» thematisierte die aggressiven Werbemethoden in mehreren Artikeln. Alles in Ordnung, befand damals die Gesundheitsdirektion des Kantons Luzern.

Die Werbung beziehe sich nicht auf den Gesundheitsbereich, sondern die Schönheitschirurgie und sei nicht mit einem Heilungsversprechen verbunden. Zudem bezahlten weder die Krankenversicherung noch der Kanton etwas für die erbrachten Leistungen. Auch die Rabattierung sei unproblematisch, da Ärzte in der Schönheitschirurgie nicht an einen bestimmten Tarif gebunden seien.

«Schnäppchen» bei Brustvergrösserungen

Jürg Häcki weiss genau, dass die Schönheitschirurgie bei vielen Menschen einen schlechten Ruf hat. Das ist ihm egal. Diese hätten ihn sicher nicht gewählt. «Aber für mich ist wichtig, dass ich Menschen, die mit ihrem Körper unzufrieden sind, glücklich machen kann.»

Von seinen umstrittenen Aktionen will er denn auch nicht abrücken. Im Gegenteil, die nächste Revolution steht bereits bevor. Als wohl erste Schönheitsklinik weltweit wird die Lucerne Clinic in Kürze für Brustvergrösserungen ein Dynamic Prizing einführen. «Das wird sein wie bei Easy Jet», sagt Häcki. Operationstermine könnten auf der Website gebucht werden. «Je nach Auslastung variiert der Preis, und es kann so das eine oder andere Schnäppchen geben», erklärt er das Prinzip. Durch einen Alert bekomme man Informationen in Echtzeit aufs Handy.

Neben seiner beruflichen Tätigkeit dürfte Jürg Häcki bei der Wahl auch davon profitiert haben, dass die Kombination Häcki – Arzt – SVP in der Stadt Luzern bekannt ist. Sein Vater, Dr. med. Walter Häcki, gehörte zu den Mitbegründern der SVP Luzern, sass viele Jahre im Kantonsrat und kandidierte sogar für den Nationalrat. So weit ist es bei Jürg Häcki noch nicht. Er hat die Wahl nach einigem Zögern angenommen und will in einer Kommission Einsitz nehmen. «Eine Stadt sollte unternehmerisch und nicht ideologisch geführt werden. Dass ich das kann, habe ich mit der Lucerne Clinic bewiesen», sagt er überzeugt.

Im Gegensatz zu Häcki hat das ehemalige Playmate Yolanda Egger, das auf der gleichen Liste kandidierte, den Einzug ins Stadtluzerner Parlament nicht geschafft. Schönheitschirurgen sind wählbar, Schönheiten offenbar nicht. So nützte es Egger nichts, dass sie im Juni 1983 die Titelseite des «Playboys» zierte. Heute ist die Ex-Rennfahrerin nach eigenen Angaben als Lebensberaterin «für die jung gebliebene Frau ab 40» tätig.

Die Schöne und das Biest

Von Eggers Misserfolg lässt sich das nächste Ex-Model nicht abschrecken. Ende April gab Jennifer Ann Gerber, Miss Schweiz 2001, ihre Kandidatur für den Aargauer Grossen Rat bekannt. 23 Jahre nach ihrem Triumph als Schönheitskönigin zehrt Gerber noch immer von diesem Erfolg. Nur so ist es zu erklären, dass unter anderem das Schweizer Fernsehen über ihre Ambitionen berichtete. Notabene im Promi-Magazin «Gesichter und Geschichten». Was Kandidatinnen aus dem Bezirk Bremgarten in der Regel nicht passiert.

Gerber kandidiert für die FDP. Die zweifache Mutter will sich im Parlament vor allem für die Anliegen von Kindern und Jugendlichen einsetzen. Gerber wohnt wie der Nationalrat und Aargauer SVP-Präsident Andreas Glarner in der Gemeinde Oberwil-Lieli. Böse Zungen sprechen deshalb von einem Duell zwischen der Schönen und dem Biest.

Während Jennifer Ann Gerber ihre Karriere auf bescheidene Art und Weise startet, lancierte ein anderes Topmodel seine Karriere mit einem Paukenschlag. Als Tamy Glauser im Mai 2019 ankündigte, sie trete bei den Nationalratswahlen für die Grünen an, schien die Schweizer Politik für kurze Zeit kopfzustehen. Kaum ein Medium kam umhin, über das androgyne Model zu berichten. Grün und Glamour, das zog.

Politisch korrekt und zielgruppengerecht versprach Glauser, sich im Parlament für das Klima und die LGBTI+-Community einzusetzen. Bald wurden kritische Stimmen laut, ob sich jemand, der ständig um die Welt jettet, glaubwürdig für eine nachhaltige Klimapolitik einsetzen könne. Doch nicht dieser Widerspruch wurde für sie zum Stolperstein.

Zwei Tage nach ihrer Nominierung behauptete Glauser, das Blut von Veganern könne Krebszellen abtöten. Nach heftiger Kritik entschuldigte sie sich für diese Aussage, doch der Schaden war nicht mehr zu beheben. Ende Juli 2019 zog Glauser ihre Kandidatur zurück. Auf Instagram schrieb das Topmodel, es sei noch nicht bereit für die Politik. Glauser habe aber nicht damit gerechnet, dass eine unbedachte Aussage von ihr solche Reaktionen auslösen würde. Das habe sie verletzt und ihr auch ihre Grenzen aufgezeigt.

Schuhsammlung als Politikum

Seit dem Scheitern von Glausers Ambitionen wartet die Schweiz immer noch auf das erste Model in der nationalen Politik. Im Ausland ist man diesbezüglich weiter. Die wohl berühmteste und mächtigste ehemalige Schönheitskönigin war Imelda Marcos. Vor ihrer Heirat mit dem Diktator Ferdinand Marcos belegte sie bei der Wahl zur Miss Manila den zweiten Platz. In Erinnerung blieb die Politikerin nicht wegen ihrer politischen Grosstaten, sondern wegen ihrer Schuhsammlung. Über 3000 Damenschuhe der Grösse 39,5 entdeckten Demonstranten, als sie 1986 den Palast in Manila stürmten.

Auch Maria Carfagna hat es weit gebracht. Die Sechste der Miss-Italia-Wahlen 1997 wurde 2008 von Silvio Berlusconi zur Ministerin für Gleichberechtigung ernannt. Die Medien kürten sie damals zur «schönsten Ministerin der Welt». Vor ihrer Ernennung hatte ihr Mentor für einen Skandal gesorgt.

Berlusconi hatte in einer TV-Show erklärt, er würde sie sofort heiraten, wäre er nicht schon verheiratet. Berlusconis Ehefrau Veronica Lario fand dies nicht lustig und forderte eine öffentliche Entschuldigung ihres Gatten. Der italienische Ministerpräsident kam dieser Aufforderung umgehend nach. Im Kabinett von Mario Draghi feierte Carfagna 13 Jahre später ein Comeback als Ministerin für Süditalien und territorialen Zusammenhalt.

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