Chinas Machthaber wollen die neue Massnahme nicht an die grosse Glocke hängen, denn sie befürchten Unmut in der Bevölkerung. Derweil gibt es Zweifel, ob der Staat an der richtigen Stelle ansetzt.

Wer für den chinesischen Staat arbeitet, hat Ende des Monats nun plötzlich mehr auf dem Konto: Um durchschnittlich 500 Yuan (umgerechnet zirka 62 Franken) hat China die Löhne von 48 Millionen Beamten erhöht. Dies berichtete Bloomberg am Dienstag mit Bezug auf Quellen im Staatsapparat, die Nachrichtenagentur Reuters bestätigte die Meldung am Freitag. Chinas Regierung hat sich noch nicht zu der Massnahme geäussert.

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Die letzte landesweite Lohnerhöhung für Staatsangestellte wie Polizisten, Lehrerinnen oder Verwaltungsangestellte ist zehn Jahre her. 2015 waren die Löhne von Lokalbeamten um über 30 Prozent erhöht worden, um Korruption vorzubeugen. Mit der jetzigen Massnahme will Peking allerdings den Konsum fördern: Staatsangestellte seien gezielt ausgewählt worden, weil sie eher bereit seien, Geld auszugeben, sagte Xu Tianchen, ein leitender Ökonom bei der britischen Economist Intelligence Unit, gegenüber Reuters. Beamte profitierten nämlich von höheren Sozialleistungen als Angestellte in der Privatwirtschaft.

Traumberuf: Staatsbeamter in China

Eine Stelle beim chinesischen Staat wird auch als «eiserne Reisschüssel» bezeichnet. Anstellung auf Lebenszeit ist zwar seit den neunziger Jahren nicht mehr garantiert, doch noch immer sind Kündigungen eine grosse Seltenheit. Anders sieht das im Privatsektor aus, der gerade von einer Kündigungswelle heimgesucht wird.

In Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs und hoher Jugendarbeitslosigkeit erscheint eine Beamtenstelle verlockender denn je. Sie hat weitere Vorteile, etwa die Aussicht auf eine Niederlassungsbewilligung in den Städten, solide Sozialversicherungen oder vergünstigtes Wohnen. Die Arbeitsbelastung ist im Allgemeinen geringer als im Privatsektor, wo unbezahlte Überstunden und Wochenendarbeit oft erwartet werden. Dafür sind die Gehälter höher.

In den letzten Monaten hatten bankrotte Lokalregierungen den Staatsangestellten zuweilen reduzierte oder gar keine Gehälter bezahlt; lukrative Bonuszahlungen zum chinesischen Neujahr sind teilweise seit der Pandemie ausgesetzt. Trotzdem wollten im Jahr 2024 so viele junge Chinesinnen und Chinesen die Beamtenlaufbahn einschlagen wie nie zuvor. Über 3,4 Millionen Chinesen hätten an der staatlichen Eignungsprüfung für Beamte teilgenommen, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua. Somit gab es im Durchschnitt um die 80 Bewerber für eine einzige Stelle. 2019 hatten 1,4 Millionen Bewerber die Beamtenprüfung absolviert.

Neid und Unverständnis schwelen

Die Lohnerhöhung kam für die Staatsangestellten offenbar überraschend. Über Neujahr teilten einige die freudige Botschaft auf den sozialen Netzwerken. Auf den einschlägigen News-Websites in China gab es am Donnerstag zwar Artikel zum Thema, diese wurden mittlerweile aber wieder gelöscht. Es scheint ein heikles Thema zu sein.

Ein Nutzer der Plattform Weibo aus Peking schrieb denn auch in einem vielbeachteten Beitrag, dass die Massnahme offenbar nicht genug öffentliche Unterstützung geniesse. In einem Kommentar darunter merkte ein Nutzer aus Guangdong an, er habe nichts gegen Lohn- und Rentenerhöhungen – vorausgesetzt, sie förderten die bestehende Ungleichheit nicht noch mehr. Doch genau das befürchten viele.

Eine privilegierte Bevölkerungsgruppe, die sowieso schon viele staatliche Subventionen und eine hohe Jobsicherheit geniesst, erhält nun noch mehr Zuwendungen vom Staat. Das weckt Neid. Die Machthaber in Peking scheinen zu befürchten, dass die Lohnerhöhungen für Staatsangestellte für Unmut sorgen könnten. Wohl auch deshalb fehlt bis jetzt eine offizielle Ankündigung der Regierung, und Beiträge zum Thema werden stark zensiert.

Setzt die Regierung an der richtigen Stelle an?

Darüber, wie wirkungsvoll die Massnahme sein wird, äussern auch Experten ausserhalb Chinas Zweifel, etwa der Rechtsprofessor Henry Gao von der Singapore Management University, der ein Buch zu Chinas Staatsfirmen geschrieben hat. Er sagt: China setze an der falschen Stelle an. Im Fokus sollten die Angestellten des Privatsektors liegen, sie seien der Hauptgrund für den stagnierenden Konsum.

«Die meisten Staatsangestellten geniessen bereits tiefe Kosten für Wohnen, Lebensmittel und bei Krankheitsfällen», sagt Gao auf X. Zusätzliches Einkommen führe bei dieser Bevölkerungsgruppe nicht zu mehr Ausgaben, zumal sie sich im Zuge der Antikorruptionskampagne des Partei- und Staatschefs Xi Jinping sowieso mit exorbitanten Käufen zurückhalte.

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