Klassische Schweizer Ostersüssigkeiten geraten immer mehr ins Hintertreffen. Die kommenden Tage gehören stärker denn je zuvor einem italienischen Klassiker. Weil sich kaum jemand selbst ans Backen der Colomba di Pasqua traut, machen die hiesigen Konditoren gute Geschäfte.
Natürlich kann man ihn noch kaufen, den klassischen Schweizer Osterkuchen. Sie wissen schon, jenes flache, runde, eher an einen Fladen als an einen Kuchen erinnernde Gebilde, auf dessen Oberfläche oft eine von Puderzucker abgegrenzte Hasenfigur zu erkennen ist. Mürbteig und Milchreis spielen hier wichtige Rollen, und es gibt fabelhafte Qualitäten. Ich erinnere mich noch bestens an einen Lockdown-Osterkuchen, vor vier Jahren von Star-Patissier Christian Hümbs gebacken.
Doch ein anderes Gebäck läuft dem Traditionskuchen ein bisschen den Rang ab. Colomba di Pasqua (oder Colomba pasquale) nennt es sich, stammt aus Italien und hat sich in den letzten Jahren nach Norden vorgearbeitet. Einst vor allem in italienischen Delikatessengeschäften zu bekommen, haben es immer mehr hiesige Konditoren adaptiert.
Colomba – der Panettone des Frühjahrs
Warum sich gerade die italienische Gebäckspezialität in Form einer Taube durchgesetzt hat jenseits ihrer Entstehungsregion? Nun, vermutlich auch, weil sie die christliche Tradition in den Fokus stellt, in ihrer Form an eine Friedenstaube erinnert. Doch in erster Linie dürften es der Geschmack und die unnachahmlich lockere Konsistenz sein, die für Begeisterung sorgen.
Colomba ist nämlich, was man auf den ersten Bissen merkt, eng verwandt mit dem Panettone – und der hat sich in den letzten Jahren in der Vorweihnachtszeit und an den Feiertagen selbst auch in der Schweiz und in Deutschland breitgemacht. Bei beiden Kuchen spielt im Original Weizensauerteig eine wichtige Rolle – verbunden mit handwerklichen Fähigkeiten. Die luftige, grossporige Textur, wie sie in den handwerklich hergestellten Colombas zu finden ist, kann von Hobbybäckern nur mit viel Erfahrung und Können nachgeahmt werden.
Ob es überdies einen tiefenpsychologischen Grund für die empirisch zu beobachtenden steigenden Verkaufszahlen von Panettone und Colomba gibt, muss offenbleiben. Lockerheit statt Ernsthaftigkeit? Mediterrane Lebensfreude als Gegengift zu den unübersichtlichen Widrigkeiten des (politischen) Alltags? Vielleicht auch der Wunsch, die Panettone-Entzugserscheinungen – es sind schliesslich noch viele Monate bis zu den ersten Exemplaren in den Regalen! – zu bekämpfen
Tatsache ist, dass eine gute Colomba, die klassischerweise Orangeat und Zitronat, meist auch Orangenblütenwasser, aber keine Rosinen als Zutaten enthält, viel Spass macht. Ein bisschen weniger, wenn statt Sauerteig lediglich Hefe verwendet wurde und wenn an den übrigen Zutaten gespart wurde. Wirklich gutes Orangeat (zu bekommen etwa bei Schwarzenbach in Zürich) und nicht jenes, das in kleinen, preiswerten Plastikverpackungen im Supermarkt steht, ist erwünscht!
Colomba di Pasqua auf modische Art
Wo es die beste Colomba gibt? Na, bei italienischen Bäckern natürlich. Das, was Bachmann herstellt und was ich gestern in deren Filiale in Ebikon erworben habe, ist aber auch gelungen. Mandeln waren drin, was klassisch ist, ein bisschen Schokolade auch, worüber man streiten kann. Viele Puristen halten die für unnötig und winken deshalb bei der Sprüngli-Colomba mit Maracaibo-Schokolade ab: Geschmacklich überzeugend ist diese, mit intensivem Schokoladenaroma ausgestattet, aber dennoch.
Ob man dagegen die Colomba der Marke Dolce & Gabbana kaufen muss? Es gibt sie bei Globus, sie sieht klasse aus und kostet viel Geld. Sehr gut gefiel mir die ganz puristische Colomba der Baselländer Spezialitätenbäckerei Da Graziella. Nur die ganz billigen Sorten vom Grosshändler sollten Sie lieber nicht essen. Dann lieber Osterkuchen der klassischen Schweizer Art. Den mit dem Hasen obenauf!