Freitag, November 29

Seit dem Zusammenbruch des Zürcher Rivalen stehen die Frankfurter am Finanzmarkt als anfälligste der westlichen Grossbanken da. Die jüngsten Geschäftszahlen konnten das nicht ändern. Deutschland hat noch mehr Grund als die Schweiz, über höhere Eigenkapitalanforderungen zu reden.

Grossbanken geht es ein wenig wie den beiden Wanderern, die in der Savanne auf einen Löwen treffen. Als der eine ein Paar Laufschuhe aus seinem Rucksack holt, um sie gegen die Wanderstiefel zu tauschen, fragt ihn sein Gefährte verwundert, ob er wirklich glaube, damit schneller rennen zu können als ein Löwe. «Nein», antwortet der, «aber schneller als Du».

Die Savanne, das ist für Banken der Finanzmarkt. Genauer: der Markt, an dem Grossanleger Absicherungen gegen den Zahlungsausfall einer Bank kaufen können (Credit Default Swaps, CDS). Der Preis dieser Absicherungen macht deutlich, wen die Anleger für die Schwächste unter den globalen Banken halten. Vor ein oder zwei Jahren war das eindeutig die Credit Suisse. Das Ergebnis ist bekannt: Die UBS rettete ihre Rivalen vor dem Zusammenbruch und erhielt dafür staatliche Unterstützung.

Als Lehre aus dem Kollaps der Credit Suisse will der Schweizer Bundesrat die Eigenkapitalvorschriften für die UBS erhöhen. Finanzministerin Karin Keller-Sutter sagte in einem Interview, dass dafür 15 Mrd. bis 25 Mrd. Fr. nötig sein könnten. Das ist nicht sehr viel mehr als die knapp 30 Mrd. Fr., welche die Deutsche Bank insgesamt an der Börse wert ist. Die UBS kommt auf den dreifachen Börsenwert. Ausser Aktien können die Banken allerdings auch bestimmte Kreditpapiere zum Eigenkapital rechnen, so wie jene, die bei der Abwicklung der Credit Suisse wertlos wurden.

In Deutschland wäre die Debatte dringlicher

Wegen der Grösse der UBS-Bilanz ist es verständlich, dass die Politik die Resilienz des Kreditinstituts stärken möchte. Wer auf die Finanzmarktdaten schaut, die einst für die Credit Suisse Lebensgefahr signalisierten, sollte allerdings vermuten, dass anderswo eine Debatte über Ausfallrisiken von Banken noch dringlicher wäre: in Deutschland.

Seit der Notrettung der Credit Suisse war die Deutsche Bank durchgehend die schwächste unter den beim Finanzdienstleister Bloomberg erfassten Grossbanken («Major Banks») in Europa und Nordamerika, gemessen an den Kosten für Absicherungsgeschäfte gegen einen Zahlungsausfall.

Bis August 2023 mussten Grossanleger mehr als 100 Basispunkte zahlen, um ihre Investitionen gegen einen Zahlungsausfall der Deutschen Bank abzusichern. Ein solches Kostenniveau für Absicherungsgeschäfte pro Jahr gilt bei Marktbeobachtern als gefährlich, weil es den Kauf von Anleihen einer Bank schnell unattraktiv macht. Noch problematischer: Ein solch hohes Niveau signalisiert dem Markt, dass Anleger die Zahlungsfähigkeit einer Bank als nicht über jeden Zweifel erhaben ansehen.

Seit dem vorigen Spätsommer sind die Kosten für Absicherungsgeschäfte deutlich gefallen. Für die Deutsche Bank kosten sie aktuell rund 0,8% pro Jahr. Das Problem bleibt jedoch, dass die Deutsche Bank unter den dreissig beim Finanzdienstleister erfassten Grossbanken in Europa und Nordamerika konstant die höchste Anfälligkeit aufweist. Aus Sicht eines Löwen in der Savanne wären die Frankfurter das verdächtig hinterher hinkende Mitglied der Gruppe, auf das der Jäger es als erstes abgesehen hätte, sobald die Gelegenheit zum Beutemachen günstig schiene.

Wie wenig Anlass zur Entwarnung besteht, zeigt der Blick zurück: Im Februar 2022 waren die Absicherungskosten bei der Credit Suisse genau so hoch wie aktuell bei der Deutschen Bank. Nur ein gutes Jahr später war die Bank Geschichte.

Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing sagte im NZZ-Interview vor einem Jahr, was die erste Voraussetzung für die Stabilität einer Bank ist: Dass es «keinerlei Zweifel an der Robustheit der Bilanz und der Kapitalstärke» geben dürfe. Doch seitdem waren bei keiner westlichen Grossbank die Zweifel daran grösser als bei dem von ihm geführten Institut.

Eine weitere Voraussetzung für eine stabile Bank ist laut Sewing, dass sie «nachhaltig profitabel operieren» müsse. Zu seinen Zielen für 2025 gehört es, die Erträge auf 32 Mrd. € zu steigern von 28,9 Mrd. € im Jahr 2023. Die Analysten allerdings glauben nicht daran: Im Durchschnitt rechnen sie für 2025 nur mit 30,2 Mrd. € Ertrag. Auch die am 25. April präsentierten Geschäftszahlen zum ersten Quartal konnten daran nichts Wesentliches ändern, obwohl sie ein Kursplus der Aktie auslösten. Denn die Unternehmens- und Privatkundensparten schrumpften, das Asset Management stagnierte. Gewachsen war nur der Ertrag der Investmentbank. Und dieses Geschäft ist besonders schwankungsanfällig, riskant und von aussen kaum einschätzbar.

Vertrauen der Investoren sollte gestärkt werden

Es wäre also durchaus nötig, das Vertrauen der Investoren in die Deutsche Bank zu steigern. Das Erreichen der Ziele für 2025 wäre ein wichtiger Schritt dafür. Das aktuelle Debakel mit der Tochter Postbank, deren Kunden seit Monaten mit einer kaputten Bank-IT zu kämpfen haben, hat jedoch nochmals Vertrauen gekostet, auch in die Führungskompetenz von Bankchef Sewing.

Wenig stimmig wirkt es angesichts der schwachen Stellung am Finanzmarkt, dass die Deutsche Bank in grossem Stil eigene Aktien zurückkauft und damit ihre Eigenkapitalausstattung schwächt, anstatt sie zu stärken. Einschliesslich der Dividenden will die Bank von 2022 bis 2026 mindestens 8 Mrd. € ausschütten.

Sobald mehr Stress auftritt im Finanzsystem, könnte sich das rächen. Wenn die Kosten für Absicherungsgeschäfte gegen Zahlungsausfälle bei Banken steigen, hätte die Deutsche Bank die schwierigste Position unter den Grossbanken des Westens inne. Beim nächsten Mal könnte sie sich nicht hinter der Credit Suisse verstecken. Für Hedgefonds, die mit den oben genannten Absicherungsgeschäften spekulieren, wären die Frankfurter das erste Angriffsziel. Wenn aber die Absicherungskosten durch spekulative Käufe in bedenkliche Höhen steigen, gilt das bei Vermögensverwaltern als Warnsignal: Sie ziehen dann Kundengelder ab, so wie vor einem Jahr bei der Credit Suisse.

Spätestens in der nächsten Stressphase für die Banken wird auch die deutsche Politik erneut darüber diskutieren, wie die Stabilität der Deutschen Bank gestärkt werden kann. Besser wäre es, dem Schweizer Beispiel zu folgen und schon jetzt nach Möglichkeiten dafür zu suchen. Zum Beispiel durch höhere Eigenkapitalanforderungen.

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